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Beilage zum Enzthuler Nro. 87.

Samstag ven 20. Oktober Id64.

Miszellen.

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Der verhängnißvolle Brief.

(Schluß.)

In der Stadt hatte die neue Nachricht über Wald- ner, die sich seit dem vorigen Abend mit Blitzesschnelle verbreitet hatte, gar großen und eigentdümlichcn Ein­druck gemacht. Die sogenanntenguten Freunde,« an deren Spitze der Herr Buchbaltcr Meermann stand, die mit so bedauerndem Tone über den Angeklagten gesprochen, ihn verurthcilt, ja schonungslos verdammt hatten, waren ganz betäubt von dieser merkwürdigen doppelten Neuigkeit. Wer hätte aber auch denken können, daß der Mann, gegen den Alles sprach, den­noch unschuldig unv sogar in allen Theilen, bis aufs Kleinste herab unschuldig war! Der Herr Buchhalter Meermann batte seine Redseligkeit so zu sagen voll­ständig verloren, und kündete sofort ein Unwohlsein an, das ihn aller Wahrscheinlichkeit nach für mehrere Tage fern vom Club und seinem Stammgasthauie halten dürfte. Der ehemalige Prinzipal und Jugend­freund Waldner's, der ihm so vorschnell und herzlos seine Stelle gekündigt, kratzte sich beschämt und ver­legen hinter den Ohren, und trug einem andern An­gehörigen des Comptoirs aus da Herr Meerwann aus Bescheidenheit oder aus andern Ursachen eine solche Mission ablchnte zu Herrn Waldner zu gehen, um ihn cinzuladen, seinen Platz im Comptoir wieder cin- zunehmen. Daß dieser Vorschlag von letzterem kalt, doch höflich abgelehnt wurde, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Der Abgesandte brachte diesen Bescheid, sowie die erfolgte Ernennung Waldner's zum Leiter des wohlbekannten und wohlrenommirten großen Fabrik- uuternehmens seinem sich nicht wenig schämenden Herrn, zugleich mit einer Summe Geldes, die Waldner ihm dankend eingehändigt und die den Betrag seiner früher empfangenen Vorlagen ausmachte.

Wenige Tage brauchte Waldner, um sich und die Seinigen reisefertig zu machen. Diese Zeit war ein wahrer Triumph für ihn, denn wo er sich zeigte, wurte er von den Leuten, die ihn auf den bloßen Verdacht hin so unbarmherzig und herzlos verurtheilt, mit aus­gesuchter Höflichkeit empfangen und mit Freundschafts- bezeugungcn wahrhaft überschüttet. Waldner wußte indessen, was er davon zu halten hatte, und freund- lich, doch ungerührt dankte er für Alles, seinen alten und neuen Freunden ko rasch als möglich den Rücken kehrend. Nur mit den alten Waldhcim's blieb er in herzlichem, innigem Verkehr, und so leicht ihm der Abschied von der Stadt wurde, die er gehofft nie mehr zu verlassen, so schwer trennten er und die Seinigen sich von diesem wackern, braven Paare, das ihnen allein in so schwerer Zeit beigestanden. Doch geschie­den mußte sein, und noch in der Woche nach Ostern

führte das schnaubende Dampfroß ihn, begleitet von den aufrichtigsten Segenswünschen der beiden Wald- heim's, fort von der Stätte, wo er so Bitteres erlebt und erfahren, einer neuen und schönen Heimath zu, die ihn froh willkommen hieß und ihm und seiner Familie ein dauerndes ungetrübtes Gluck versprach.

Und ein solches war er berechtigt zu erwarten; sein Fleiß, seine Thätigkcit, seine Kenntnisse und sein rechtschaffenes Wollen bürgten ihm dafür!

Was aus Meusel und seiner Ehehälfte geworden, ist leicht zu errathen. Aller begangenen Vergehen und Verbrechen, der langjährigen Unterschlagung von Brie­fen, die irgend einen Geldinhalt ahnen ließen, in der Untersuchung geständig, wurden die beiden Verbrecher vor das Schwurgericht verwiesen, welches bestimmt gewesen war, über das Opfer ihrer Schlechtigkeit ab- zuurtheilen.

Sic wurden zu langjähriger Zuchthausstrafe ver­urtheilt, und büßten so, hoffentlich bereuend, was sie verbrochen.

Noch muß ich bemerken, daß sich bei der vorge- nvmmenen Durchsuchung ihres Hauses, ihrer Habe, eine nicht unbedeutende Summe Geldes versteckt vor­fand. Davon wurden später, nach beendigtem Ver­fahren gegen sie, unter andern auch Waldner die ent­wendeten 100 Guineen wieder zugestellt, was den neu beginnenden und blühenden Wohlstand der Familie nicht wenig beförderte und hob.

WaS ich euch hier erzählt habe, liebe Leser, ist buchstäblich wahr. Ihr könnt es mir glauben, ich bin selbst dabei gewesen und in der Familie Waldner könnt ihr den vcrhängnißvollen blaßrothen Brief noch I heule schauen, denn er wird allrort wie eine wahre Reliquie aufbewahrt. Will nun Einer ober der Andere von euch aus der mitgetheiltcn wahren Be­gebenheit irgend eine Lehre ziehen, so möge es vor allen Dingen die sein, nie zu rasch, noch zu lieblos über einen Mitmenschen, mag auch Manches gegen ihn sprechen, abzuurlheilcn. Ein jeder von euch kann ja unverschuldet und schuldlos in eine ähnliche zweideutige Lage vor der euch übrigens der Himmel in Gnaden bewahren möge! -- gcrathen!

Dies bedenkt I Und nun wünsche ich euch von ganzem Herzen nie im Leben schlimmere Ostern als die, welche mein würdiger Freund Waldner zu obiger Zeit mit dankerfülltem Herzen feierte!

(Empfind,ame Dienstmädchen.) In Hamburg er­schien kürzlich eine Köchin und ein Kleinmädchcn vor dem Polizeichef. Sic hatten ein werthvolles Service zerbrochen und von ihrem Dienstherrn darüber Schelte bekommen. Dieß hatte sie aber Beide so angegriffen,