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keines solchen Segens, und selbst daS überaus fruchtbare Jahr 1834 ist der diesjährigen Ernte nur annähernd gleichgekominen. Die verhältnismäßig geringste Eriilc — in Mähren — beträgt bas Istfache der Aussaat.
Ausland.
Turin, 6. Aug. Nach Briefen aus Rom find alle weiteren Schritte,, die in Sachen des geraubien Judenknaben lohen gemacht wurden, vergeblich gewesen. Auch ein Nechtsgutachten der juristischen Fakultät, welches sich zu Gunsten des Vaters Kohen aussprach, wurde von der römischen Behörde mit mitleidigem Lächeln bei Seite gelegt. Der Schuster jedoch, welcher den Knaben verkaufte und verrietst, ist von dem Volke in Bann geihan; derselbe kann sich nur in Begleitung von mehreren Polizeidienern ober GenS- darmen auf der Straße zeigen und läuft so noch Gefahr, in ihrer Milte gemeuchelt zu werden. Am l. August wurde, wie die hiesigen Blätter erzäblen, der noch nicht volle 10 Jahre zählende schöne Knabe, von 15 Priestern und Mönchen begleitet, zum Papst nach Castelgandolfo geführt und von demselben reichlich mit allerlei Kleinigkeiten und Naschereien beschenkt. Der Knabe zeigte sich sehr erfreut, doch als ihn der Papst fragte, ob er nicht auch erfreut sei, seine frühere Religion mit der jetzigen vertauschen zu können, brach er in Weinen aus und bat, zu seinem Vater zurückgebracht zu werben. Man zuckte die Achseln, meinte, die Gnade sei eben noch nicht zum Durchbruch gekommen und führte den Armen wieder zu den Kotechumcnen zurück.
Miszellen.
Der verhangnißvolle Brief.
(Fortsetzung.)
Ein ungläubiges Lächeln schien auf dem Gesichte deS Richters auftauchcn zu wollen, doch es verschwand sofort wieder. Der Postbote mußte es aber doch bemerkt, den Grund desselben crrathen haben, und den Augenblick gewandt benutzend, sprach er mit schlecht verhehltem höhnischen Lächeln: „DaS soll ein Mensch glauben! Der Herr hat den Brief geöffnet, in seinen Händen gehabt und soll das Geld nicht ein wenig näher angeschaut haben? Seine Angabe darüber ist ebenso wenig wahr, als seine Behauptung, daß er mir den Brief wieder zurückgcgebcn.»
»Sie haben hier weiter keine Meinungen anSzu- sprechen," bedeutete ihn strenge der Richter, „sondern nur zu antworten. — Haben Sie noch eine Frage an den Mann zu richten oder etwas zu erwähnen?" wandte er sich hierauf an Waldner.
Waldner richtete sich hoch auf; die krampfhaft geballte Hand auf die heftig arbeitende Brust drückend und den Richter, dann den Postboten mit flammenden Blicken anschauend, sprach er: „Ich kann nichts weiter sagen, als daß der alte Mann da die Unwahrheit gesprochen, so wahr ein Gott über uns ist, der in das Innerste der Menschen schaut und einst uns Beide rich-
wird." Hierauf brach er erschöpft zusammen.
Der alte Meusel hörte diese mit starker Stimme und heftigem Ausdruck gesprochenen Worte so ruhig und gleichgiltig an, als ob sic ihn gar nichts angegangen, an eine ganz andere Person gerichtet gewesen wären. Einen Augenblick schaute er den Zusammen« gesunkenen mitleidig an, welcher Blick von einem bezeichnenden Achselzucken begleitet war, dann wandte er sich langsam wieder zu dem Richter hin und sagte in anscheinend gleichgiltigem Tone: „Fragen Sie den Herrn doch einmal, Herr Richter, wo er just nach der Zeit, als der vermißte Brief bei ihm etngetroffen, daS viele Geld, die Goldstücke her bekommen? — Am Tag» nach jenem bewußten Donnerstage sind der Bäcker, der Schuster — und wahrscheinilch noch andere Leute mehr — von Frau Waldner in — Gold bezahlt worden!»
Als hätte ihn eine Natter gebissen, sprang Wald« »er von seinem Sitz empor und mit glühend n Blicken starrte er den Sprechenden an, während seinen zitternden Lippen daS Wort „Schurke!" entfuhr.
Ein ernster Verweis reS Untersuchungsrichters traf ihn; sodann folgte die Frage, ob die Angabe Meusel» richtig sei, und al« Waldner bejahend antwortete, die Aufforderung, diese allerdings für seine Lage rigen- thümlichr Erscheinung zu erklären.
Waldner erzählte nun die Begegnung mit seinem Freunde, mit der Röthe der S«am im Gesichte da« Empfangen der zehn Goldstücke, genau wie er e» an jenem Abende seiner Frau mitgetheilt hatte. Doch hatte diese damals die Begebenheit auffallend und fast unwahrscheinlich gesunden, so schienen seine beiden jetzigen Zuhörer vollständig überzeugt zu sein, daß sie so eben ein Mährchcn vernommen, denn Meusel blickte, als Waldner geendet, mitleidig zu dem Untersuchung», richter auf, und dieser hatte alle Müh», seinen Zügen den nothwendigen Ernst zu bewahren und dem Zeugen gegenüber nicht zu verrathen, daß er denke wie dieser.
, Er entließ endlich den Briefträger mit dem Bemerken, jeden Augenblick bereit zu sein, zu weiterer Vernehmung vor ihm zu erscheinen.
Als er sovann mit Waldner allein war, sprach er mit ruhigem, doch ernstem Tone zu diesem: „Ihre Lage in eine eigentbümliche und verwickelte. Ich muß meiner Pflicht genügen. Sie geben zu, den Bnef mit der Geldeinlage geöffnet, in Ihren Händen gehabt zu haben. Der Postbote, ein Mann, der lange Jahre treu und redlich gedient hat, gegen den seine Vorgesetzten keinerlei Klagen zu erheben vermögen, versichert auf seinen Eid, nichts von Ihnen zurück erhalten zu haben. Nachdem der Briet angelangt und verschwunden, befinden Sie sich im Besitz von Goldstücken, deren Erwerbung Sie durch eine Erzählung, die — ich kann nicht anders sagen — gar zu romanhaft und unwahrscheinlich klingt, zu erklären versuchen. Brief und Geld müssen, da sie einmal da waren, irgendwo geblieben sein. Sie sind dem Eigenthümer, dem Gericht dis jetzt verantwortlich dafür. — Gehen Sie in sich! — Denken Sir nach!" fuhr er dringender und mit mild erregtem Tone fort, „ob Sie vielleicht nur der Meinung gewesen find, den Brief dem Boten zurück gegeben zu haben, ob das Objekt — etwa verlegt — sich nicht vielleicht noch bei Ihnen befindet!"
„Reden Sie nicht weiter, Herr Richter!" fuhr Waldner mit unterdrückter Bewegung auf. „Ich sprach die Wahrheit. — Thun Sie Ihre Pflicht; ich bin auf Alle- gefaßt!"
„So bedaure ich, Ihnen mittheilen zu müssen, daß Sie vor der Hand das Arrestdaus — nicht verlassen dürfen. Ich werde die Untersuchung so rasch als möglich zu Ende zu führen suchen."
(Fortsetzung folgt.)
Nchavio«, Druck mb Verlag der Mretzlch» Buchdrucker« iu NeurudllrO.