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Stuttgart, den 26. Juni.

Seine Majestät der höchstselige König Wilhelm haben im Jahre 1844 dem Geheimenraths-Präsidium ein versiegeltes Paket übergeben, welches von der Hand Seiner Ma­jestät überschrieben war:

dem Geheimenraths-Präsident übergeben um im Falle meines Todes im Geheimen Rath geöffnet zu werden.

-(gez.) Wilhelm

Auf Höchsten Befehl Seiner Majestät des regierenden Königs fand heute die Eröffnung des Pakets im Königlichen Geheimen Rache statt, und es fand sich darin nachstehende Urkunde:

Geschrieben den 20. April 1844.

1) Sowie meine Seele meinen Körper ver­lassen hat, wünsche ich, außer meiner Familie, wenn sie es verlangt, nur noch von den Aerzten und dem dienenden Personal gesehen zu werben.

2> Wenn die Aerzte es für nützlich halten, so kann die Obduktion meines Leichnams statt­finden.

3) Da mir während meinem Leben nichts wi­derwärtiger war, als Ceremonien und Etikette, so wünsche ich weder feierlich ausgestellt zu wer­den, noch irgend ein Gepränge bei meinem Lei­chenbegängnis, die mich kannten werden dich natürlich finden, die Neugierigen werden mir aber verzeihen, sie um das Begaffen eitler Ceremonien gebracht zu haben!

4» Mein Leichnam soll in nächtlicher Stille das Schloß verlassen, nur begleitet von dem Hofprediger, dem Hofmarschall und einem dienst- thuenden Adjutanten, außerdem wird wir meine Garde den letzten Liebesdienst erweisen, meinen Leichnam zu seiner Ruhestätte zu begleiten.

5> Ich wünsche, daß diese Fahrt so einge­richtet werde, daß ich mit dem ersten Sonnen­strahl auf dem Rothenberg ankomme, ein einziger Kanonenschuß soll das Ende des Begräbnisses andeuten, nur ein kurzes Gebet bei Einsenkung des Sargs gesprochen werden; Ich will ruhen in dem schon vor Jahren gebauten Grab neben meiner verewigten Gemahlin Katharina, wie Ich es Ihr versprochen hatte.

6) Die Landestrauer wünsche ich auf 3 Monate beschränkt zu sehen und nur 10 Tage nach meinem Begräbniß soll mit den Glocken geläutet werden, meine Personalien ebenso ein­fach in den Kirchen gelesen werden.

7) Ich sterbe als wahrer Christ, verzeihe allen meinen Feinden, danke meiner Familie für ihre innige Liebe, meinen Dienern vom Civil wie vom Militär für ihre treue Anhänglichkeit und Eifer in Erfüllung ihrer Pflichten, allen meinen Unterthanen für ihre Treue und Gehor­sam gegen die Gesetze. Ich habe für die Einig­keit, Selbstständigkeit, Ruhm von Deutschland

elebt, mein Württemberg über alles geliebt, ''l meinem Vaterlande für alle Zukunft !

lgez.> Wilhelm."

Seine Majestät der regierende Kö­nig haben nach genommener Einsicht von obiger Urkunde, beschlossen, den darin hinsichtlich des Leichenbegängnisses u. s. w- ausgesprochenen Wünschen Ihres Königlichen Vaters mög­lichst nachzukommen. Sie erachten Sich jedoch gegenüber von Ihren Unterthanen verpflichtet, von jenen Anordnungen darin Sich etwas zu entfernen, daß die Leiche Seiner Majestät des Königs Wilhelm an einem der nächsten Tage < wahrscheinlich Dienstag) im großen Mar­morsaale des K. Residenz-Schlosses dahier öf­fentlich ausgestellt werden soll, damit denjenigen, welche die irdischen Ueberreste eines vielgeliebten Königs noch einmal zu erblicken wünschen, bevor solche auf immer der Gruft übergeben werden, die Gelegenheit nicht benommen sei, hierin dem Drange ihres Herzens Folge zu leisten.

Stuttgart den 27. Juni. In Gegenwart der Minister, der übrigen Mitglieder des Gehei­menraths und der sechs Mitglieder des engeren ständischen Ausschusses bat gestern Vormittags >1 Uhr nn Kronprinzlichen Palais Seine Ma­jestät der König Karl die feierliche Urkunde unterzeichnet, in welcher er bei Seinem König­lichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung zusichert. Die Urkunde wurde dem ständischen Ausschuß behufs der Uebergabe an die Stände ausgefolgt. Diese sollen bis zur Mitte des Monats Juli einberu­fen werden. Nach Unterzeichnung der Urkunde legten die Minister und Gcheimenraths- mitgliedcr den Eid ab, während die Mitglie­der des engeren ständischen Ausschusses von Ihrer Majestät der Königin Olga empfangen wurden.

Stuttgart, 25. Juni. Was man über die letzten Augenblicke des verewigten Königs Wilhelm vernimmt, ist kurz folgendes. Am Donnerstag noch besuchte Se. M j. der König das Gestüt Weil; dieser Bemch wurde vom Land­haus Rosenstein aus gemacht, wo sich der König um jene Zeit bereits etwa 2k Stunden lang auf- gehalten. Ter König war heiter und munter, und scherzte noch mit seiner Umgebung Der Zustand des Königs war seit der Erholung von der schweren Krankheit im März, große körper­liche Schwäche abgerechnet, ein ganz erträglicher, insbesondere war der König bei vollkommener Geistesfrische. Am Freitag erreichte die Körper- schwächc aber einen auffallend hohen Grad, und man konnte sich nicht mehr verhehlen, daß daö schlimmste zu befürchten stand. Der König soll sich seines Zustands selbst bewußt gewesen sein, und geäußert haben, als der projectirten Reise nach Wiesbaden erwähnt worden: er wolle lieber im Lande sterben. Um 5 Uhr 10 Minuten am heutigen Samstag Morgens erfolgte das Ableben des Königs. Der Tod des Königs war völlig schmerzlos, er wird als ein leichtes sanftes Ein­schlummern geschildert.