Beilage zum Euzthäler Nro. LS
Samstag den 18. Juni 1864.
Kronik.
Deutschland.
Aus der Anhöhe Bonghveved bei Haders- leben beschlossen 6000 Rordschleswiger nach, folgende Erklärung: Die ron den Bevollmächtigten Frankreichs und Englands zu der Londoner Konferenz vorgeschlagene Theilnng Schleswigs widerstreitet unser» wichtigsten Lebensin- t-ressen; wir betrachten sie als das größte Un, glück, das uns treffen kann. Wir wollen nimmer von Schleswig abgeschniiten, nimmer Dänemark einverleibt werde».
In der Schleswig-Holsteinischen Frage ist neulich eine Wendung cingetrcten, welche den Wünschen des deutschen Volkes ebenso wie den Forderungen des Rechts sich als günstig zu erweisen scheint. Hoffentlich wird das Reckt, das nicht blos auf dem Papier, sondern in dem Heizen unseres Volkes geschrieben ist, den Sieg davon tragen über diplomatische Admacherei, die in der Regel immer das Licht des Tages zu scheuen bar. So wäre dann die Lösung der ganzen Frage nach den Gesetzen sittlich-politischer Beweggründe erfolgt, ohne welche wahre Freibeit unv Eivilisation nicht zu denken sind. Dieser Erfolg wird nicht blos dem deutschen Volke» sondern der ganzen gebildeten Welt zu statten kommen.
Das deutsche Volk zeigt in seiner großen Mehrbeit nicht bas richtige politische Verständ- niß, »och die zähe Ausdauer und Beharrlichkeit, die in politischen Kämpfen allein zum Siege führen kann. Der Philister spricht: „Es hilft ja doch nichts, was wir sagen und thuu," und legt müßig die Hände in den Schvoß, um hinter dem Wein- oder Bierglas Politik zu treiben. Ein Volk, das sich selbst aufgiebt, ist freilich verloren. Ein muthigcs Volk aber, das weiß, was es will und soll, ermüdet nicht, bei jeder schicklichen und unschicklichen Zeit seine Wünsche, seinen Willen kund zu geben, und kann dann sicher auf den endlichen Sieg rechnen. So bat die öffentliche Meinung in Deutschland die Vormächte nach Schleswig getrieben, so sie zum Aufgeben des Londoner Protokolls gcnöthigt und so wir» sie dieselben auch zur Behauptung der ungctheilten und unversehrten Herzogthümer zwingen. Die Bayern, von denen wir solches sonst gar nicht gewohnt sind, gehen uns hier mit einem sehr guten Beispiel voran. In Er- langen finden alle 14 Tage öffentliche Versammlungen des Schleswig - Holstein-Vereines statt, und die dort erstatteten Berichte werden als Flugblätter über ganz Deutschland verbreitet. Wie schwer würde es halten, bei uns den Kern der Bürgerschaft zu einer Versammlung zusammenzudringen !
In Schleswig wird ein „Schwarzvuch über die dänische Mißregierung im Herzogthum Schlcs- wig" erscheinen, in welchem die Rechtskränkungen und Polizeichikanen, die Willkürlichkeiten, das Spvriuliren, der Amtsmißbrauch in Schule unv Kirche geschildert werden sollen. Ein erstes Heft dieses „Schwarzbuches" ist bereits auSge- gcben. Es betitelt sich: „Die Amtsthäligkeit des Medicialinspectors Dc. Schletsner" und bringt den aktenmäßigen Bericht über Vas Me- dictiialwesen im Herzogthum Schleswig, welchen auf Verlangen der obersten Eivilbehörde die HH. Dr. I. Nüppell in Schleswig und Dr. I. Bockendahl in Kiel abgestaltet haben. In dieser Schrift wird nachgewiesen, daß das Mcdicinal- inspectorat, eine Schöpfung von 1852, ein nur der Danisirung und der Inkorporation des Her- zogthums Schleswig dienendes Institut gewesen rst. Obgleich der Medicinaliuspektor.Schleisner beim Einrücken der deutschen Truppen eine Menge, die Personalien betreffende Aktenstücke vernichtet hat, so sind doch noch eine große Zahl Belege aufgefunden, welche ein Bild von dem fanatischen Treiben des Genannten geben. Die deutschen Physici wurden durch Dänen ersetzt; als Armenärzte wurden nur angestcllt solche deutsche, welche entschieden dänische Gesinnung zeigten, meistens indeß nur eigentliche Dänen; eine Anzahl Apotheker wurden gezwungen, ihre Apotheken zu verkaufen, und zwar i nach einer vom Medieinalinspector anbesoblenen ! Abschätzung, so daß sie dadurch große Vermö- I genseinbuße erlitten, ja einer — Karber in Äpenrade — vollständig ruinirt ward; selbst die Irrenanstalt in Schleswig wurde in Betreff der Acrzte vollständig danisirt.
Miszellen.
Der verhängnißvolle Brief.
(Fortsetzung.)
„Sie haben erklärt," fuhr Waldncr den Einge- tretcnen, eine Aufforderung zum Reden nicht abwar, tend, an, „den Brief mit der Geldeinlage nicht von mir zurück erhalten zu haben? Das kann doch nur eine Vergeßlichkeit — einen schlimmern Ausdruck will ich nicht gebrauchen! — von Ihnen sein!"
Jetzt tchlug der Mann langsam seine Augen auf, schaute Waldner einen Augenblick starr und trotzig in das erhitzte Gesicht, wobei er wie verächtlich d>e Achseln zuckte, dann wandte er sich an den Richter und sprach mit seinem gewöhnlichen mürrischen Ton und mit größter Ruhe: „Wie ich dem Herrn Richter gestern Abend schon gesagt habe, so verhält es sich. Einen Brief, klein gekalket, in einem rothen Couvert, habe ich dem Herrn da vor einigen Tagen gebracht. Dieses erinnere ich mich genau. Was es enthielt, weiß ich natürlich nicht. Geldwcrth war weder declarirt noch durch Siegel angedcutet. Der Herr gibt zu, ihn von mir empfangen.