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lischen Frage durch Land« und Seerüstungen fich vorbereiten.
In Lonbo» wie in De>lin scheint man ei> nen Erfolg der Londoner Friedenskonferenzen nicht zu glauben. Morning.-Post und Daily News haben noch gestern dieser Bcsorgniß Aus» druck gegeben. In Berlin sieht man die Eon» ferenz an der von den deutschen Großmächten vorgeschlagenen Personalunion, auf welche Dänemark un> keinen Preis eingehen will, im Voraus scheitern. Damit wäre wohl der Sturz dcS englischen Ministeriums besiegelt.
Miszellen.
Der verhängnißvolle Brief.
(Fortsetzung.)
Alldort angtkommcn, stellte Herr Waldheim seinen East seiner Frau vor, und Waldner berichtete, erzählte nun haarklein, was ihm vor ein paar Tagen mit je- nem Brief passirt. Frau Waldner, eine freundliche und noch recht lebhafte alte Dame, wußte ebenfalls nichts von einem Briefe in einem blaßrothen Couvert mit Banknoteneinlagen z sie hatte weder einen solchen offen noch versiegelt empfangen. Mit Geschäftigkeit holte.sie die kleine Corresponkenz der vergangenen Woche herbei. Doch unter diesen Briefen war keiner, der nur im Entferntesten Achnlichkcit mit dem fraglichen, aus England gekommenen Schriftstück gehabt hätte.
„Und haben Sie denn auch kein Geld aus England, aus London zu empfangen?" fragte Waldner endlich das von unruhig »i Staunen erfüllte Ehepaar.
„Nicht einen Kreuzer!" erwiererte Herr Waldhcim „Ja, in früheren Jahren, als ich »och einer Privat- lehranstalt Vorstand, batte ich verschiedene junge Engländer in Pension, doch Liese waren aus guten Häusern und alle meine Forderungen sind mir stets regelmäßig bezahlt worben"
„Großer Gott!- rief jetzt Frau Waldner plötzlich mit großer Lebhaftigkrit. »Welch ein Gedanke! Erinnerst du dich noch des jungen Hopkins, der sich so behaglich in unsrem Hause, in unserer Fa i.ilie fühlte? Er ging von hier aut direkt nach Indien, und oft sagte er mir vor seiner Abreise, daß er mich einstens zu seiner Erbin eimetzen würde. Wenn der Br,c' vielleicht eine solche Erbschaft enthalten hätte!"
Herr Waldheim zuckte ob dieser von etwas allzu lebhafter Phantasie zeugenden Rede seiner Gattin merk- lick die Achseln, und warf derselben einen Blick zu, der mehr als alle Antworten ihre kühnen Bcrmuthungcn widerlegte irr niederschlug. „Blechen wir einfach bei der Sache," sprach er rann ruhig weiter. „Ein Brief an meine Adresse mit Geldeinlage war da. Herr Waldner hat ihn in Händen gehabt, die Adresse gelesen, die Einlage, deren Größe und Betrag er aber nicht kennt, gesehen. Der Briefträger, der den Brief Herrn Wald- rier gebracht, von demselben wieder zurück empfangen zur Beförderung an unsere Adresse, ist der alte Meusel. Derselbe eristirt hoffentlich noch. ES ist also nichts A idcreS zu thun, als die Sache auf der Post zur An-^
zeige zu bringen, wogegen Herr Waldner wohl nichts einzuwendcn haben wird.
Waldner war natürlich mit solchem Vorschläge vollkommen einverstanden, obschon ihm die Sache unbe haglich zu werden anfing. Er erbot sich jedoch soso- . Herrn Waldheim zur Post zu begleiten, was Letzte^ indessen vor der Hand dankend ablehntc. Der Pol direkter, der ein Freund von ihm sei, würde ihn schon wenn nötbig, rufen lassen, meinte er.
Bald hieraus verließen beide Männer die Wald- heim'sche Wohnung; Waldner, um sich, um eine Sorge reicher, nach Hause zu begeben, der kleine Rentner aber, um seinen Freund, den Postdircktor, aufzusuchen und diesem die eigenthümlich verwickelte Sache zur Anzeige zu bringen.
Unterwegs begegnete Waldner seinem College», dem Herrn Buchhalter Mcermann. Da derselbe ihm gegenüber stets als Freund sich gebcrdet hatte, nahm Waldner keinen Anstand, ihm den, ihn so sehr beschäftigenden Vorfall mit allen Umständen mitzutheilen. Herr Mcer- mann hörte mit offenem Munde die merkwürdige Geschichte an. Hätte der arglose Waldner gewußt, nur nur geahnt, wie gefährlich es sei, einem redseligen, redebetürstigen Manne eine solche delicate Sache vorzeitig anzuvertrauen, er hätte sicher stille geschwiegen. Doch die Mittheilung war nun einmal erfolgt und wie das Geschehene überhaupt nicht mehr rückgängig zu machen.
Mit einem: Sehen wir uns beute Abend noch aus dem Club?" welche Frage Waldner ziemlich zerstreut Mit „Ja" beantwortete, trennte sich Herr Mcermann von ihm und Waldner langte bald darauf bei den Seinen an.
Frau Waldner wurde von der unerwarteten Mit- thcilung ihres Gatten tsehr ergriffen; sic ahnte Unangenehmes, Schlimmes. „Du hättest den Brief nicht alw rem Postboten wieder übergeben, ihn am Ende selbst Herrn Waldheim bringen sollen," meinte sie. Doch Waldner beschwichtigte ihre Zweifel. Der alte Meusel könne ja nicht in Abrede .stellen, den Brief von ihm empfangen zu baden. Wenn er ihn bis jetzt nicht abgegeben, so lei dies wohl gar aus Furcht geschehen, weil er geöffnet worden war. Vielleicht, und dies sei das Wahricheinlichste, habe er ihn sogar auf der Post deponirt. Dort wurde sich ans alle Fälle die Sache schon auiklären. Toch alle vorgebrachtcn Argumente vermochten indessen nicht recht, ihn selbst zu beruhigen und eine weitere bange Ahnung trieb ihn hinaus nach rem Club, allwo sein College mit rer, für Unbcthciligtc höchst interessanten, ja pikanten Neuigkeit schon längst cingc.ogen sein mußte und wo dieselbe ln diesem Augenblick vielleicht schon lebhaft besprochen und in verschiedenster Weise gedeutet und erörtert wurde.
Waldner täuschte sich in diesen Vermutbungen nicht. Kaum batte er daS Local des Clubs betreten, als er auch schon die weithin schallende Stimme des Herrn Meermann körte. Ein großer Kreis von Zuhörern hatte sich um ihn gebildet, denen er schon das „Unglück", welches seinen College» Waldner betroffen, dcS Lüngern und Breiteren auscinandcrgcsctzt hatte. ,.Jch an seiner Stelle", so schloß er seine Rede, „halte llerdingS ganz anders gehandelt. Ich wäre auf da