Beilage zum Cnzthäler Neo. 2L.

Samstag» den 12. März 1864.

Bekanntmachung

über die Schädlichkeit des trichinen­haltigen Schweinefleisches.

Die Tagesdlättcr haben in jüngster Zeit wieder­holt Berichte über Erkrankungen und Todesfälle ge­bracht, welche in Folge des Genusses von trichinen- haltigem Schweinefleisch eingetreten waren und dadurch eine nicht ganz nnbegründete Furcht vor der Gefähr­lichkeit der Trichinen hervorgerufen. Die Trichinen, welche im Fleische mancher Schweine leben und mit diesem in den Magen des Menschen gelangen, gehören zu den sogenannten Eingeweidewürmern, sie find an dem lebenden Thicrc nicht wahr;unehmen, wohl aber werden die im Fleische der geschlachteten Schweine und in dem geräucherten Schinken befindlichen Kapseln der Trichinen mit bloßem Auge schwer, deutlicher mit­telst deS Vergrößerungsglases als scharf umschriebene kleine weiße Pünktchen erkannt. Di« Trichine ist näm­lich ein dünnes, fadenförmiges, etwa Vs Linie langes farbloses Würmchen, welches in dem Fleische deS Schwei­nes ein weißes Ansehen bekommt, sobald es darin einen gewissen Grad der Entwicklung erlangt und eine kl«inr länglichtc ober citronenförmige einfachhäutige, später kalkartige Hülle bekommen hat In dieser Kapsel liegt die haarieine Trichine spiralförmig aufgcrollt, woher sse ihren lateinischen Namen'llricliia» spiralis" er­halten hat. Genießt der Mensch rohes trichincnhaltigeS Schweinefleisch und gelangen auf diese Weise die Tri­chinen in den Darmkanal desselben, so findet man schon am zweiten Tage, daß solche aus den fie umschließen­den Hüllen ausgefallen, um das doppelte ihres Durch­messers gewachsen find und ihre voll« GeschlechtSr«is« erlangt haben. Die von diesen Darmtrichinen erzeug­ten Jungen begeben sich alsbald auf die Wanderung, durchbohren dir Wandungen des Darmes, dringen in das Fleisch (die Muskeln) ein und entwikrln sich in diesem (in den Muskelfasern) wieder zu Muskeltrichi- neu. Eine massenhafte Einwanderung der jungen Tri­chinen vom Darme aus in die Mnskeln bedingt beim Menschen sehr bedenkliche, unter Umständen selbst tödt- liche Zufälle. Die an der K. Thicrarzncischulc in Dresden angestellten Versuche, dahin gehend, ob und welche Zu- dercitungen von trichincnhaltigem Fleische die Entwick­lungsfähigkeit der Trichinen zu zerstören vermögen, baben «rgeben, daß durch da« Pöckeln und gute Räu­chern strichincnhaltigen Schweinefleisches die Lebens­fähigkeit der Wurmbrut vernichtet wird. Es kann demnach schon ein derartig zubereitetes Fleisch ohne alle Gefahr von dem Menschen genossen werden. Wie bekannt, wird aber Pöckcl- und Rauchfleisch (Schinken thcilweise ausgenommen) stets erst gekocht, ehe eS ver­speist wird und dirseS ist dann eine weitere Zubereitung, die zur Vernichtung der Wurmbrut unbedingt hinführt. Die Trichinen werden ferner gctödtet durch längeres Einsalzcn deS Fleisches und durch 24stündtg« heiße Räucherung der Würste. Sie werden aber nicht ge- tödtet durch eine dreitägige kalte Rauchräucherung. Ein längeres Aufbewahen kalter geräucherter Wurst

scheint aber das Leben der Trichinen zu zerstören Ja dem sogenannten Wellfleische, d. h. in dem Fleische, welches man in dem kochenden Wasser nur einigemal« hat übcrwallcn lassen und welches man nachher zur Wurstfadrikation verwendet, sowie in dem sogenannten Salzfleische, das heißt in dem Fleische, welche- ein­fach mit Salz bestreut und eingerieben wird, um es für einige Tage zu conserviren, kann dagegen die Ent­wicklungsfähigkeit der Trichinenbrut theilweise erhalten bleiben. Auch die sog. Schnellräuchrrung Räuche­rung auf nassem Wege durch Bestreichen mit Holz­essig, einer Abkochung von Gtanzruß oder Kreosot, ist keineswegs im Slandc, die Trichinen im Innern eines Flcischstückes zu töoten. Nach den gewonnenen Erfah­rungen steht so viel fest, daß gut geräuchertes und ge- pöckelteS, durch und gar gesottenes und vollständig durchgebralcnes Schweinefleisch und dergleichen Würste, Schinken, Zungen u. s. w. als unschädlich anzusehen find. Vor dem Genüsse des rohen Schweinefleischs in geschabter Form, der rohen Wurstmasse, des rohen Schinkens wie dies in Norddeutschlanv häufig vor­kommt, sowie vor den damit zubereitetcn Speisen (KlöSchen, Schinkcnnudeln re-) ist eindringlich zu war­nen. Zu vermeiden ist ferner der Genuß von halbge­sottenem oberflächlich abgeröstetem, unvollständig ge­bratenem, im Innern noch blutig oder roh aussehen- dem Schweinefleisch, sowie der Genuß von schwach eingesalzenem und oberflächlich geräuchertem Schweine­fleisch und Schinken und andern derartig zum Verkaufe kommenden Rauchwaaren. Das mehr oder weniger , häufige Auftreten der Trichinenkrankheit in einzelnen I Gegenden unv Ländern scheint, einerseits durch die da­selbst übliche ZudercitungSart des Schweinefleisches, anderseits durch die Art und Weise der Aufzucht, Füt- terung und Mästung der Schweine bedingt zu sein. In Württemberg hat man sich bis jetzt za keiner de- sondern sanitätspolizeilichen Maßregel veranlaßt ge­sehen, weil bei uns noch kein Fall von Trichinenkrank- h-it bei Menschen oder Schweinen konstatirt worden ist und weil die bei uns übliche Zubereitung des Flei­sches unter Befolgung der oben angegebenen Beding­ungen sicheren Schutz gegen jede mögliche Beschädigung bietet.

Stuttgart, den 4. März 1864.

König!. Medicinal-Collegium.

Ein Blick auf die Geschichte von Schleswig-Holstein.

(Aus dem Südd. Sonntagsblatt v. Uv. Gihr.)

(Fortsetzung.)

3m Juli 1846 erschien der bekannte »offene Brief" Christians VIll., der daö dänische Erb­folgegesetz auf die Herzogthümer ausvehnte, die Unzertrrnnbarkeit des Gcsammtstaales aussprach und gleichzeitig beschwichtigend behauptete, daß «es nicht beabsichtigt werde, durch diesen offene» Brief der Selbstständigkeit deS Herzogthums Schleswig, wie dieselbe bisher von uns anerkannt worden ist, in irgend einer Weise zu nahe zu