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pfiehlt ein praktischer Winzer in Trier, I. B. Hcrnoni, neuerdings das Leimwaffer als zwar bekanntes, aber unfehlbares Mittel gegen das Oidium. Wie er ver- fichert, hat er in wenigen Stunden alle die kranken Trauben an einem ganzen Spalier seines großen Gar­tens mittel» Leimwaffer gerettet. Er behauptet, daß dieses Mittel viel schneller, weit sicherer, als das übliche Beschwefeln zum Ziele führe, indem cs viel einfacher sei, eine Traube in ein kleines, mit diesem Leimwaffer gefülltes Gefäß, welches man mit einer Hand unter die Traube hält, während man sie mit der andern flüchtig abwascht, nur einmal einzutauchen, als dieselbe mehr­mals vollständig mit Schwefelblüthe zu bestäuben. Au­ßerdem sei dieses Leimwaffer ein zuverlässiges Heil- mittel, der Schwefel aber nicht. Das Beschwefeln überdieß kann nur Morgens bei starkem Thau vorge­nommen werden, oder es müssen die Trauben vorher angefcuchtet werden, während die Operation mitLcim- waffer zu jeder Tageszeit ausgeführt werden kann.

In einem größeren Artikel über den blutigen Akt in Rottwell spricht sich Berthold Auerbach in seinen deutschen Blättern ebenfalls entschieden gegen die To­desstrafe aus. Er schließt mit den Worten:

Fünfzig Minuten dauerte die ganze Erecution. Das Fallbeil vollzog seine Arbeit viermal sauber und eract. Das ist menschliche Gercchtigke t. Strafen in dem Augenblicke, wo b«im Eintritt der Strafe Bewußi- losigkeit erfolgt, und die Geistlichen und Beamten müs­sen dazu helfen.

Wie lange wird solcher Gräuel noch bestehen in der Welt?

Diese armen Hingerichteten, sie haben das grauen­vollste Verbrechen begangen, Undank, Bosheit, Hinlcr- list, Mord, das ganze Register des Lasters, unv wie haben sie gelebt? Ein Leben voll Sorge und Roth; die Menschheit um sie her fragte nicht, wie cs ihnen kdgcht; sie lehrte sie nichts als einige kirchliche Forma­litäten, die den Enthaupteten Tisolt noch dazu bewogen, sich auf dem Schaffst die Stiefel auszuziehen und bar­fuß in den Tod zu gehen, weil er nach dem Volks­glauben so selig zu werden hoffte.

Ist das nun unsere Welt? Wie kann man sich freuen an den Errungenschaften des Geistes, wenn Sol­ches noch geschehen darf am Tage, an dem wir athmen? Ist das der sittliche Staat, ist das die heiligende Reli­gion, die nichts thun können, als dem Verbrecher das Haupt vom Rumpfe trennen?

Es wird eine Zeit kommen, und sie muß bald kommen, wo man es nicht mehr glauben oder doch un­begreiflich sindcn wird, daß Beamte und Geistliche einen Menschen aufs Schaffst begleiteten und nicht lieber Amt und Würden Hingaben, ehe sie sich dem fügren. Man vollzieht die Enthauptungen nicht mehr auf offenem Markte, nur die dazu Berufenen und Be­orderten umstehen das Hochgericht, und man glaubt buman zu sein, weil nicht mehr eine Menschenhand das Beil führt, sondern eine Maschine arbeitet . . .

Wendet euch nicht weg von diesem Blatte! Sagt nicht: wozu diese Gräuel aufführen? Ihr müßt von ihnen euer Herz durchschüttern lassen, eure Hand soll zittern wie die, die das schreibt, euer Mund soll beben, euer Auge starren, ihr dürft euch nicht davon lossagen, wir Alle sind mit schuld an solchem Gräuel, wenn wir nicht unablässig arbeiten, daß er von der Erde ver­

schwinde. Ihr fahrt auf der Eisenbahn dahin und schaut aus in ungekannte Landschaften und eilt bequem eurem Ziele zu; es ist eine große ruhmreiche Arbeit unserer Zeit, durch Berge und über Thäler neue feste Wege zu legen,völkerverbindeode,völkerbereichernde; aber ihr müßt daran denken, in Menschenliebe und treuer Fürsorge die rauhe Hand derer zu fassen, die durch Berge gegraben und Dämme aufgeführt haben. Ihr seid es ihnen schuldig, ne den festen geraden Weg der Sittlichkeit, der Freiheit, der Liebe und Wohlfahrt zu fuhren.

Wenn Eisenbahnarbeitcr versinken, von einer Pul- vererplosion zerschmettert, von stürzenden Felsen be­graben, dann bebt das Herz in Mitleid und richtet sich wieder auf in dem Trost»: solche Unglücksfälle sind leider unvermeidlich! aber eine Verwahrlosung derer, die euch den Weg ebnen, wir betrachtet ihr sie? Der Staat ist roh, die Religion eine Lüge, wenn nicht Alles aufgeboten wird, um die Geister zu erhellen und die Herzen fest zu machen, daß sie nicht wanken an Ab­gründen der Seele, die oft noch schauerlicher find und schwerer zu Überdrücken, als alle tiefen Thalgründe.

Die Trauer-Esche

in der Wildbader Anlage.

Umringt von dichten Bäumen,

Die sich um ihn geschaart.

Da steht am Enzesufer Ein Baum von selt'ner Art.

Es senken sich die Zweige,

Die Acste sind geneigt.

Er bat die grüne Krone Zum Fluß hinadgebeugt.

Schon reichen seine Blätter Bis an die schäumige Well',

Als wollten sie sich baden Im Bache spicgclhell.

Die andern Bäume lichten Ihr Haupt so fröhlich auf.

Und ihre Acste streben Zum Himmel hoch hinauf.

Die Esche nur steht trauernd.

Der Kirchhofwcide gleich.

Warum erhebt sie nimmer Zur Sonne ihre Zweig'?

Eh' man sie hierher pflanzte,

Stand sie an einem Grad;

Sie sah da eine Leiche,

L ie man der Erde gab.

Das war ein holdes Wesen,

Das allzufrüh' verblüht;

Sie sah die Mutter weinen.

Die an dem Grade kniet'.

Da neigte sie sich nieder Und winkle Trost ihr zu:

Sie hat nun hier vollendet Und ging zur ew'gen Ruh'."

Nun denkt sie noch des Kindes Auch an dem neuen Ort;

D'rum senkt sie ihre Zweige Hernieder fort und fort.

Wildbad, 7. Aug. 1863-

Dr. Emil Otto.

Redaktion, Druck und Verlag der Mceh'schen Bnchdruckerei in Neuenbürg.