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und machten ihm Plaz an ihren Tischen, wo er sich zwilchen den Hofrath und den Medicinalrath seien mußte. Zwecker ihm gegenüber Pla, nahm. Anfangs wollte das Gespräch nicht recht in Gang kommen; die Herren verneinten sich wie Benzen vor dem Partikulier Randcck und wollten vor Devotion und Respekt schier erste ben. Das rührte aber nur daher, daß der junge Apotheker in dem Augenblicke, wo Zecker auf den Fremden zuging und ihn bcgr ßte, stu;ig geworden war und de-auoiet hatte, in demselben keinen Andern zu erkennen, als eben lenen Prinzen Oscar von Sleinheim, von welchem sie kaum zuvor gesprochen batten. „Ec ist tsl meiner Treu, er ist es; ohne allen Zweifel!" sagte er; cs ist sein Haar, sein Wuchs, sein Bart — der durchlauchtige Prinz, wie er lnbt und lebt!" Worauf die übrigen Litchgenoffen tnit einem erstaunten und überraschten „Jst's möglich?" einficlen und sich von ihrer Betroffenheit noch nicht erholt hatten, ats der Fremde durch den Baum-ister an ihren Tisch geführt wurde.
„Dacht ich es doch gleich!" flüsterte der Hofrath seinem Nachbar zur Linken zu; „wird der Wolf genannt, so kommt er gerannt! — Ich batte sogleich den fremden Herrn einladen wollen, bei uns Plaz zu nehmen, aber..."
Randeck war unwillürlich etwas befangen. Der Gegenstand einer scheuen aber unverkennbar sehr gespannten Neugierde zu se-n. ist nie ein behagliches Geiüht. und zumal unter Umständen wie diejenigen, welche Ranveck vorhin dem Baumeister geschildert halte. Er hatte daher ebenfalls einige Mühe, seine Unbefangenheit wieder zu erlangen, um so mehr, als Zwecker ab- und zuging, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Eben als er wieder einmal in das kleine Bor- zimmerchcn trat, folgte ihm der Hofrath nach, ergriff ihn am Arme und sagte: „Zm Vertrauen, mein Bester, nur ein Wörtchen! Ist er es wirklch? wird er ganz inkognito bleiben?"
„Wer denn?' fragte Zwecker, der nicht begreifen zu wollen schien.
— „Jenun, der Herr da drinnen, Ihr Freund, Ich habe ihn sogleich erkannt, Freundchen!" sczte er mit pfiffigem Gesicht hmzu, „vH, Männchen, ich bin nicht so leicht hinters Licht zu führen. Aber p.irole! ich werde schweigen, wie Vas Grab! denn nicht wahr, er ist es wirklich?"
„Er ist es allerdings," versezte Zwecker geheimniß- voll; „aber natürlich bleibt Alles unter uns!"
— „Parole, xaroleI versteht sich, versteht sich!" sagte der Hofratb und kehrte wieder an den Tisch zurück, wo er Herrn Randeck mit der ausgesuchtesten Artig, seit in ein Gespräch zu verwickeln versuchte, bis dessen Abendbrod abgetragen wurde. Dann empfahl er sich, und einige der übrigen Herren folgten seinem Beispiele und wünschten den beiden fremden Gästen eine geruhsame gute Nacht. Nur der alte Hofapothcker, Zwecker's Wirlh, blieb diesem zu Liebe noch da, rauchte sein Pfeifchen Knaster und kraute seinem Hühnerhunde am Behäng, der sehnsüchtig auf die Ueberdleivsel von Randeck'S Abenbrod wartete. Es war ein Original dieser alte Herr, den sicher niemand für einen Apotheker gehalten haben würde: groß, stämmig, mit derben Zügen, einem großen Schnurr- und dicken Backenbärte und einer Glaze, freundlich und voll Gleichmuth und Gutmüthigkeit, aber möglichst wortkarg, denn seine Rede war unter diesen „Herren" meist Ja und Nein- was darüber, war vom Uebel.
„Sie haben hier gewiß eine sehr interessante Flora, mein Herr," wandte sich Randeck an ihn, um ihn mit in's Gespräch zu ziehen, da sie nur noch zu Dreien am Tische saßen. „Die Nähe des Gebirges, die Menge der Wälder und die virlen wasserreichen Wiesenthälcr müssen manche meikwürdigc Specics enthalten, und ich möchte ebenfalls einige Proben Ihrer Flora bekommen; an wen wende ich mich zu diesem Behufe am besten, Herr Hofapotheker?"
— „Oh. allzugütig. Euer... Wohlgeborcn!" ver- srzte der Angeredete; „von dem nächsten Wurfe nach
Weihnachten steht mit Vergnügen ein Exemplar zu Diensten...." Zwecker und Ranveck schauten betroffen auf „Ja, mit allem Vergnügen. Die Flora ist ein Äapitalhunv — vollkommen hasenrein, und steht Hühner und Wafferwild wie eine Mauer, — nicht wahr mein Thierchen? Es ist die lezte Hündin von dem lczten Wurf der englischen Höhnerhündin Conteß, welche Se. Durchlaucht der hochselige Fürst damals von England mitgebracht haben, und mir nicht um tausend Gulden feil...."
Die beiden Zuhörer waren nahe daran, in ein lautes Lachen auszuplazcn, und Zwecker sagtet „Aber mem bester Hofapotbekcr, der Herr hier fragt ja gar nicht nach Ihrer Hündin Flora, sondern nach ver botanischen Flora Vieler Gegend, — nach den merkwürdigsten Pflanzen, die man beim Botanisiren findet," sezie er hinzu, als der alte dicke Herr verwundert und verblüfft aufschaute.
„Ah so," versezte der Hofapothcker gedehnt; „ja da bin jch überfragt — Botanik verstehe ich nicht."
— „Nicht, Herr Hosapotdekcr?" fragte Randeck erstaunt; „ich dächte doch, Ihre Kunst oder Wissenschaft ..."
„Ist die Muhfik, Euer... WoblgeborenI" fiel der Hofapotdeker ein. „Jch bin kein gelernter Apotheker und habe niein Lebtage kein Recept lesen können. Die Apotheke hat immer mein Provisor besorgt; aber die Muhfik ist meine Sache und ich bin seit vierzig Jahren Direktor res Muhfikvereins von Gleisbcrg."
— „Ah! und wie kommt es denn, wenn ma» fragen darf, daß sie dennoch Hofapotdeker find?" fragte Zwecker, „Sie waren wohl früher ChirurguS oder etwas Derartiges?"
„Fehlgeschossen, lieber Herr Baumeister! Hoftrompeter war ich — Hoftrompeter beim h chkeligen Fürsten Franz, dem durchlauchtigen Großvater unseres jczigen allergnädigkcn Herrn. Anno Sechse, als daS Reich auSeinandcrgtng, war ich Hof- und Stabstrompeter, und konnte mir nichts dir nichts weggeschickt werden, wie die Soldaten un» Oiflcicrs vom hochfürstlichen Kontingent, da traf ich ein Abkommen mit der hochseligen Durchlaucht, mir die Hofapotheke zu überlassen, statt einer Pension, und so warb ich Hofavotheker und hcirathcte eine Kammerfrau der hochseltgeu Frau Fürstin, und..."
— «Die Apotheke ist wohl nun in den Händen Ihres Herrn Sohnes?» fragte Randeck.
-Halte» zu Gnaden, nein Euer Wohlgeboren meine Ehe war nicht mit Kinde:» gesegnet, und als mich vor zwölf Jahren die H>rren vom Medicinal-Collegio etwas schuhriegeln wollten, Hab' ich den Pffastcrkasten verkauft und mich zurRuhe gcsczt, und lebe nun nur der Jagd und der Muhfik».
— «Mich dünkt, daran thaten Sie ganz recht; rS sind zwei schöne Künste, denen Sie »un obliegen!" sagte Randeck heiter. »Aber e« ist spät, meine Herren, und ich bin müde. Lassen Sie uns aufbrechen. Ans Wiercrsehcn denn, morgen!«
„Gute Nacht, Herr . . Ranveck! schlafen Sir so gut Sie können, denn ich fürchte, Jl>r Quartier wird selbst Ihren bescheidensten Ansprüchen nicht genügen können, und ich ratd« Ihnen, sich morgen Abend nach meiner Abreise, lieber bei meinem wackern alten Freunde hier einzuquartieren, wo Sie ein bübscheS traulich stilles Stübchen und treffliches Bett finden. Im Mehbock' halten Sie rS auf keinen Fall zwei Nächte aus!"
Der alte Hofapothcker unterstüzte die Einladung, welche Randcck dankbar annahm, für den Fall, daß ihm di« Acnderung wünschenswcrth erschiene, und mau trennte sich.
(Fortsezung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der Mceh'schen Buchdruckerei io Neuenbürg.