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Während sich Lomaque wieder auf seinen Plaz hinter dem Stuhle des Präsidenten zurückzog, nähcrie sich ihm Danville und finsterte ihm zu:
--Es ist hier das Gerücht verbreitet, daß Sie geheime Nachricht über den Burger und die Bürgerin DudoiS haben. Ist dieß wahr? Wissen Sie, wer sie find?"
»Ja", antwortete Lomaque; »aber ich habe höhere Befehle, diese Nachricht gerade jczt für mich zu behalten-»
Der Ungestüm, mit welchem Danville seine Frage gestellt, und die getäuschte Erwartung, die er bei der «ngcnügenden Antwort zeigte, waren der Art, um den scharf beobachtenden Lomaque zu überzeugen, daß sein Intendant über den Charakter des Mannes und der Iran Dnboi» wirklich so in Unkcnntniß war, wie er cs zu se-n geschienen. Dieß eine Gehcimniß war noch für Danville ein vollständiges, unaufgelöstes Räthscl.
„Louis Trudaine! Rose Danville!" schrie der Ausrufer und schlug abermals aus den Tisch.
Beide traten auf diese Aufforderung an das Gitter der Plattform vor. Der erste Blick aut ihre Richter, die erste Erschütterung darüber, der mitleidslosen Neugierde des Publikums gegenüber zu treten, schiene» Ros» zu überwältigen. Ihr todtvleichcs Gesicht wurde purpurrot-, dann wieder bleich, und sie verbarg dasselbe an der Schulter ihres Bruders. Wie deutlich hörte sie sein Herz schlagen! Wie füllte sich ihr Auge mit Thränen, als sie fühlte, daß er nur ihretwegen in Angst war!
„Nun!" sagte der Präsident. »Bon wem denun- »irt?»
Magloire und Picard traten vor an dem Tische. Der Erste antwortete:
»Vom Bürger-Intendanten Danville."
Diese Antwort rief eine große Bewegung und Sensation sowohl unter den Gefangenen wie auch unter dem Publikum hervor.
„Wessen angeklagt? ' fuhr der Präsident fort,
„Der Gefangene der Verschwörung gegen die Republik, die Gefangene der verbrecherischen Mitwiffcn- schaft derselben.--
„Legen Sie Ihre Beweise mit Bezug auf diese Anklage vor »
Picard und Magloire zogen nun ihre Papiere her- ! vor und lasen dieselben Specialitäten aus denselben vor, die sie früher im Bureau der geheimen Polizei dem Hauptagcnten Lomaque vorgelcsen hatten.
»Gut", sagte der Präsident, als beide geendigt hatten. „Wir haben uns jezt mit nichts Weiterem z» beschäftige«, als die Identität des Bürgers und der Bürgerin Dubois nachzuweisen, worauf Sie natürlich vorbereitet scpn werden."
»Haben Sie die Beweise gehört--, fuhr der Präsident, gegen die Angeklagten gewendet, fort, während Picard und Magloire leise Rath mit einander hielten und sehr unruhig auf den Haupt-Agenten blickten, der schweigend hinter ihnen stand. „Haben Sie die Beweise gehört, Angeklagte? Wünschen Sie darauf etwas zn sagen? Wenn dieß der Fall, so erinnere ich Sie daran, daß die Zeit dieses Tribunals kostbar ist, und daß wir eine Verschwendung derselben nicht dulden dürfen."
„Ich beanspruche die Erlaubniß, für mich und meine, Schwester sprechen zu dürfen", antwortete Trudaine. „Es ist meine Absicht, durch ein offenes Bekenntniß dem Tribunal Zeit zu sparen."
Das leise Flüstern, das noch kurz vorher unter den weiblichen Zuhörern stattfand, hörte sofort auf, als er das Wort Bekenntniß ausgesprochen hatte. Bei der großen Stille, die jezt einirat, drang der tiefe, ruhige Ton seiner Stimme bis zu den entferntesten Tbeilen der Halle, und während er selbst alle änßcrli« lichrN Zeichen unterdrückte welche seine schwaepe» Hoffnungen auf Erfolg verrathen konnten, sprach er folgende Worte:
„Ich bekenne, daß ich in dem Hause der Clcry« Straße geheime Besuche gemacht habe. Ich bekenne, daß die Personen, denen ich ging, dieselben sind, welche in den, gegen mich vorgebrachien Beweisen, auf- gcführt werden. Und ich bekenne endlich, daß der Zweck meines Verkehrs mit ihnen darant gerichtet war, ihnen die Mittel zu verschaffen, Frankreich verlassen zu können. Wenn ich aus politischen Beweggründen zum politischen Nachtbeil der bestehenden Regierung gehandelt hält», so gebe ich zu, daß ich der Verschwörung gegen die Republik schuldig wäre, mit der man mich belastet hat. Doch ich hatte keinen politischen Zweck, keine politische zNothwendigkeit drängte mich zw der Handlung, welche mich vor Ließ Tribunal gebracht hat. Die Personen, denen ich behülflich war, Frankreich zu verlassen, waren ohne allen politischen Einfluß und ohne alle politischen Verbindungen. Ich handelte nur aus Gründen der Humanität gegen ste und gegen Andere, und ich denke, das kann und darf ein guter Republikaner, ohne deßhalb einen Verrath an der Wohlfahrt seines Landes zu begehen."
»Sind Sie bereit, den Gerichtshof zunächst davon zu unterricht«», wer der Mann und die Frau DuboiS wirklich sind?" fragte der Präsident ungeduldig.
»Ich bin bereit", antwortete Trudaine. „Doch zuerst wünsche ich ein Wort in Bezug auf meine Schwester, die Mit mir als Angeklagte hier steht, zu sprechen." Seine Stimme verlor ihre Festigkeit und zum ersten Male begann die Farbe seines Gesichts zu wechseln, als Rose ihr Gesicht von seiner Schulter cthob und ihn scharf ansah. »Ich beschwöre das Tribunal, meine 1 Schwester an aller thätigen Theilnahiiie, die mir in der Anklage als Verbrechen zur Last gelegt wird, für unschuldig anzusehen--, fuhr er fort. „Da ich offen über mich selbst gesprochen habe, so habe ich einigen Anspruch darauf, daß man mir glaube, wenn ich über sie spreche, wen» ich versichere, daß sie mir weder geholfen hat, noch Helsen konnte. Bin ich zu tadeln, so verdiene ich es allein; bin ich strafbar, so will ich allein leiden."
(Zortsezung folgt.)
Der große Komet des Jahres 1556 wird gegen Ende August d. I. sichtbar scyn. Es ist einer der glänzendsten Haarsterne, von denen man weiß; bei seinem lezten Erscheinen erdehnie sich sein Schweis übcr 100 Grade, so daß, wenn sein Kern im Zemlb stand, das Ende des Schweifs sich noch außer dem Gesichtskreis befand.