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Italien.

Die Comödie, welche mit dem Vollswillen in Nizza gespielt ward, ist, gelinde gesagt, ein Schandfleck unserer Zeit. Pietri rück»e, um nur einige Züge zu erwähnen, am Tage vor der Abstimmung Ln Nizza mit einem Schweif von nicht weniger als siebcnzig französischen Agenten ein, die sich nun mit demfranzösischen Aus» schusse", der zum Theil aus den in Nizza an­sässigen Franzosen, zum Theil aus gewonnenen Nizzarden bestand und unter Leitung deS fran­zösischen ConsulS operirt. in Verbindung. Das Landvolk wurde gewonnen wie weiland bei der Kaiserwahl. (K. Z )

Miszellen.

Europäischer Eircus.

Europäische Production der höheren poli­tischen Akrodatie, Volker-Dressur und P ri ncipien-R eit e r ei.

Erste Abtheilung.

1) Große französische Voltige: das Hin- «egsezen über die breitesten Verträge und höchsten Rechtsbcgriffe. 2) Der dressirte Hengst Socialis­mus, vorgeiührt vom Herrn Direktor Louis. Ergeht auf dessen Commando und frißt aus derHavd. 3) Di« wiide Stute Revolution, mit Erlaubniß des Herrn Direktors Louis zehn Minuten ohne Zaum und Zügel, geritten von Stgnor Garibaldi. 4) Das muntere Viergespann, bestehend aus den Gäulen Piemont und Toscana und den aller! ebsten Poops Parma und Modena. 5) Die beiden Clowns Waleski und Russell werden die Ehre haben, in den Zwischenpausen das Publicum durch komische Fragen, Depeschen - Wersen, sich selbst in das Gesicht Schlagen, und andere der­gleichen Schwänke zu unterhalten.

Zweite Abthcilung.

1) Der Indianer Palmerston, der weltbe­rühmte Kautschukmann, wird seiner bisher für unmög­lich gehaltenen Wendungen und Verdrehungen wegen allgemeine Bewunderung erregen und zulezt stch immer wieder auf die Beine bringen. 2) Die Stute B r i t- tania, dressirt und vorgefnhrt vom Herrn Direetor Louis. Sie läßt stch von demselben Alles gefallen und kniet auf Verlangen vor ihm nieder. Das Ausschlagen bat ste stch beinahe ganz abgewöbnt, höchstens versucht sie es gegen einen kleinen Buben. 3) Der deutsche und italienische Bundestag, eine höchst komische Scene. 4) Die Cavalcade des Herrn Gortschakoff, «in großes Curiosum. DerKünstler wird in Begleitung mehrerer hinkender Vergleiche und lahmer Schlußfolge­rungen auf dem deutschen Bundesrecht herumrciten und die Runde durch die Zeitungen machen. 5) Die schöne Wienerin Camarilla in ihren unvergleichlichen Rück- wärtS-Boltigcn. 8) Der berühmte Groteske-Rei­ter Cavour mit seinen außerordentlichen Sprüngen aus dem Cabinet in das Privatleben und wieder zu­rück, wobei er in der Luft während der Wendung 50 Mil­lionen Schulden macht.

Schluß.

Die Jagd von Fontainebleau und Eu: "wenn der Papst nicht kommt, müssen wir uns so un­terhalten", große Quadrille im Costüme Louis XIV.

(Ver. Staaten-Ztg. in Philadelphias

(Eine originelle Feier.) Die aus den 19- April d. I. als dem 3S0jährigen TodeSrag deS Reformators Philipp Melanchthon angeordnete Schul­feier wurde in einem Ort des Schwarzwaldes schon 8 Tage zuvor und zwar in der Weise begangen, daß die Schule ganz eingestellt, also Inder That von Lehrer

und Schülerngefeiert" wurde. Aus Befragen gaben LeZere dahin Auskunft: »man geht heut' nicht i» die Schule, weil das Melanchthonsfest ist." Was würde der große Lehrmeister Deutschlands zu einer derartigen Auffassung sagen?

(Schwere Noth.) Der höchste Gerichtshof des weiland deutschen Reiches war das Ncichskammcrge« richt in Wetzlar und Niemand konnte ihm nachfagrn, daß es eine Rechtssache übereile. Einmal aber kam ein Erpresser gesprengt mit einem großen Brief. ES galt ein Arrestgesuch wider einen deutschen Fürsten und es war Gefahr im Verzug Die nächste Sizung deS hohen Gerichts war nächste Woche. Lassen wir da- Actenstück circuliren, sagte der Präsident, jeder Rath mag seine Abstimmung darunter schreiben; der Jüngste fängt an. So geichah's. Dem jüngsten Rath aber war gerade etwas widerfahren, vielmehr seiner Frau, die in heftigen Kindeswehen lag. Er nahm das Acten- stück, schrieb ein paar Worte drunter und gab's weiter. Fünfckg Räthe schrieben ihr Votum drunter und wun­derbar schnell kam das Aktenstück durch den Boten an den Präsidenten zurück. Der öffnete das Papier, laS und schüttelte den Kopf. Ist denn der Böse los? fragte er. Er laS noch einmal oben: »Da meine Frau augen­blicklich in Kinvesnölhen liegt, so bin ich leider ver­hindert, die Sache gründlich durchzusehen und meine Stimme abzugebcn.« So halte der jüngste Rath ge­schrieben. Und drunter hatten alle andere 49 Räthe Mann für Mann geschrieben: »Wie mein Herr Vor­gänger." Das ganze Kammcrgericht des heiligen römi­schen Reiches deutscher Ration in Kindesnöthen? Ach min! Die Herren hatten sich nur nicht die Mühe genommen, nachzusehen, wie ihr Herr Vorgänger ab- geftimmt hatte!

Die Erhaltung der Kartoffeln.

Bekanntlich enthält jeder größere Haufen Kartof­feln, je nachdem fie eingebracht werden, mehr oder weniger Feuchtigkeit, welche bei Kartoffeln naßfaul und dadurch meist unbrauchbar macht. Dieser Uebel- stand wird dadurch leicht beseitigt, daß man die Kar­toffeln ebnet und mit einer K" hohen Schichte Stroh bedeckt. Nach 8 bis 8 Tagen ist das Stroh ganz naß ; man nimmt cs ad unv bedeckt die Kartoffeln mit einer trockenen frischen Lage Stroh und erneuert dieß so lange, bis diese Strvhdedecknng ganz trocken bleibt. Um die Kartoffeln im Frühjahr, wo sie gewöhnlich zu keimen beginnen und dadurch einen seiienartigeu Ge­schmack annehmen, schmackhaft zu erhalten, schueidet man vor dem Kochen von einer jeden ein Stückchen ab. Der unangenehme Saft und Geschmack der Kar­toffel dringt dann beim Kochen an dieser Stelle heraus, an welcher sich währcns des Kochens eine hornartige Haut bildet; die Kartoffel selbst bleibt schmackbaft und mehlig. Das abgeschnittene Stückchen wird als Vieh- sutter oder später als Samen benüzt.

Um die bei jeder Mahlzeit übrig bleibenden Kar­toffeln auch für die Folge uuzbar zu machen, werde« dieselben geschält und mit etwas Wasser in Brei ver­wandelt, welchem auf t Pfd. Kartoffeln V» Pid- Mehl zugesezt wird. Aus dieser Masse wird ein steifer Teig bereitet, derselbe zu dünnen Kuchen ausgetrieben und in Streifen zerschnitten, welche auf Paßier auf dem Ofen getrocknet werden. Dieser vorzügliche Nahrungs­stoff läßt stch jahrelang aufbewahrcn und gibt mit Milch, Fleischbrühe, Wein oder Bier gekocht eine wohlschme­ckende Suppe, in Salzwaffrr gekocht und mit Butter und Käke angerichtet, ein dem italienischen Macaroni nicht nachstehendes Gericht. Auch kann man diese ge- trockneten Bandnudeln mahlen lassen und erhält daraus ein gelbliches, zu dem feinsten Gebäcks geeignetes Mehl.

(Nach ArtuS Vierteljahrschrift für tcchn.

Cbemie rc. I. 4.)

(Mit einer Beilage.)

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.