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beleben, weisen wir auf ein in der Schlußinstanz vor einiger Zeit vom hiesigen Oberlandesgericht er­gangenes Urteil hin. Nach demselben wurde ein Radfahrer, Namens G, der in der Pragstraße zu Cannstatt einen Mann überfahren hatte, wobei dieser solche Verletzungen davontrug, daß er starb, zum lebenslänglichen Unterhalt der Hinterbliebenen des Verunglückten verurteilt. (Schw. B )

Der 32 Jahre alte Maurer Christian Schneider aus Kohlberg, OA. Nürtingen, hat am 4. Februar d. IS. seinem Schwager, dem Fabrik­arbeiter Jakob Maier in Betzingen, einen Brief ge­schrieben, in welchem er diesenaufs Duell auf Säbel oder auf Schuß* herausforderte und ihm ankündigte, daß er ihn am 13. Februarim Landauer* an seiner Wohnung abholen wolle auf Leben oder Tod. Der Schwager begehrte jedoch nicht, von diesem Vorschläge Gebrauch zu machen und zeigte die Sache an, worauf der Herausforderer in Untersuchung gezogen wurde. Er bestätigte in derselben, daß es ihm Ernst mit der Herausforderung sei und daß er den festen Willen habe, sich mit seinem Schwager zu duellieren, weil dieser sich in seine Familienangelegenheiten einmische. Daß die Herausforderung zum Zweikampf mit rötlichen Waffen strafbar sei, wisse er. Wegen des ihm hienach zur Last fallenden Vergehens im Sinne deS Z 201 des Strafgesetzbuchs wurde Schneider in der Sitzung der K. Strafkammer Tübingen vom 31. März d. I. zu der Festungshaftstrafe von 14 Tagen verurteilt.

Von der Tauber, 31. März. (Erben gesucht.) In unserer Gegend macht dis Klein'sche Erbschaft viel von sich reden. Vor einiger Zeit starb in WeikerSheim eine in den achtziger Jahren stehende Frau NamenS Margaret Klein. Dieselbe hat den größten Teil ihres Lebens in Amerika zugebracht und ein sehr bedeutendes Vermögen hinterlaffen. Trotz aller Nachforschungen sind aber keine Erben aufzu­finden, nur Verwandte fünften und sechsten Grades stehen in Frage, die aber fast nicht aufzufinden sind. Jetzt wird nach solchen Namens Geisendörfer gesucht, die Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits sein sollen. Die Verteilung soll schon im Juli statt­finden. Natürlich ist es, daß in den Kirchenbüchern der Gegend überall nachgeforscht wird. Wer das reiche Erbe davontragen wird, darauf ist man allseits gespannt.

Emmendingen, 30. März. In Theningen wurde gestern nachmittag ein schreckliches Ver­brechen verübt, durch welches zwei Familien in großes Elend gestürzt wurden. Zwei dortige Ein­wohner, die mit einander verschwägert sind, gerieten, wie man hört, wegen Erbschaftsangelegenheiten in Streit, wobei der eine dem andern in der ZorneS- aufwallung mit einer Haue derart auf den Kopf schlug, daß der Getroffene sofort niederstürzte und nach wenigen Augenblicken tot war. Der Thäter, von Angst und Reue ergriffen, flüchtete sich sofort

zu Verwandten nach Gundelfingen, wo er auf er­stattete Anzeige durch di« Gendarmerie sestgenommen und in Untersuchungshaft hierher gebracht wurde.

Ravensburg, 30. März. Seit einiger Zeit befindet sich hier ein allgemeines Warenhaus, ein Bazar im großen Stil, der den übrigen Geschäften starken Eintrag thut. Demselben ist nun die Miete gekündigt worden und eine Anzahl von Häuserbesitzern hat sich verpflichtet, an die Firma nicht zu vermieten. Bereits haben zwei Hausbesitzer sehr schöne Angebote abgewiesen. Man ist gespannt wie die Sache endigen wird.

Konstanz, 30. März. Heute nacht brannte hier bei heftigem Sturm die große BrauereiBuck", Eigentum de« Hermann Scheitle, beinahe vollständig nieder. Der Gesamtschaden beträgt über 100000 Der Eigentümer ist versichert. Sieben Brauburschen konnten sich mit knapper Not durch das Fenster über ein Dach retten, auch kamen 5 Dienstmädchen mit Mühe mit dem nackten Leben davon. Die Ent- stehungsursache des Feuers ist unbekannt. Fast sämt­liches Mobilar, das Brauerei-Inventar sowie für 6000 ^ Malz und für 3000 ^ Hopfen blieben in den Flammen. Die Nachbargebäude standen in großer Gefahr. Innerhalb 14 Tagen ist dies der dritte Brand hier.

Der Reichskanzler Fürst zu Hohen­lohe feierte am 29. März im engsten Familienkreis in Berlin seinen 79. Geburtstag.

Hamburg, 1. April. Die Hamb. Nach», melden aus Friedrichsruh: Fürst Bismarck erhielt vom Kaiser einen Krückstock mit schwerem goldenem Griff und eingravirtem kaiserlichem Namens­zug. Der Geburtstag des Fürsten wird im engsten Familienkreis gefeiert.

Aus FriedrichLruh, 1. April, meldet man den M. N. Noch».: Fürst Bismarck, der in vergangener Nacht erst spät den ersehnten Schlaf gefunden hatte, erhob sich nach 12 Uhr Mittags, nahm sein gewohntes Bad und zog sich vorläufig in seine Privatgemächer zurück. Er nahm an dem Familienfrühstück nicht Teil. Sein Allgemeinbefinden ist gut, aber sein Beinleiden belästigt ihn noch sehr und er ist noch immer auf den Gebrauch des Roll­stuhles angewiesen. Nach einer Meldung der Berliner demokratischen Volkszeitung hat Fürst Bis­marck dem Oberförster Lange die von diesem be­anspruchte Pension in Berücksichtigung der treuen Dienste, die ihm Lange durch viele Jahre geleistet hat, in vollem Umfang bewilligt. Damit dürfte der Prozeß erfreulicher Weise beendet sein.

Friedrichsruh, 2. April. Fürst Bis­marck nahm gestern Abend an der Festtafel teil, wobei 22 Gedecke aufgelegt waren. Nachdem der Fürst die eingelaufenen Geschenk« in Augenschein

genommen hatte, nahm er den vom Kaiser ihm ge­schenkten Stock mit goldener Krücke sofort beim Ver­lassen des Zimmers in Gebrauch. Bei der Tafel brachte der Fürst ein Hoch auf den Kaiser aus, worauf Graf Henkel v. Donnersmark den Fürsten hochleben ließ. Der Fürst befand sich in sehr guter Stimmung.

Homburg, 1. April. Der Kronprinz und Prinz Eitel Friedrich trafen in Begleitung ihres Militärerziehers und deS OberhofpredigerS Dryander heut« vormittag hier «in und fuhren zum Schlöffe. Am Samstag findet in der Hauptkapelle des K. Schlosses, ein Gottesdienst statt, an welchem auch das gesamte Gefolge, sowie die Dienerschaft teilnehmen wird.

Von einem Eisenbahnzug abgestürzt. Von der Wagenplattform eines in voller Fahrt be­griffenen Personenzuges abgefiürzt ist auf der Ost- bahnfirecke in der Nähe von Loppow ein etwa drei­jähriger Knabe aus Berlin, der in Begleitung seiner Mutter in der Neumark wohnende Verwandte be­suchen wollte. Nachdem durch Anziehen der Kar- penterbremse der Zug zum Halten gebracht worden war, eilten der Zugführer und der Schaffner mit der zu Tode erschrockenen Mutter zur Unfallstelle zurück, wo sie das Kind völlig unversehrt auf dem Neben- grleise liegend auffanden.

Permischtes.

DemStaatSanz." wird geschrieben: Man hört so viel vom Apfelblütenstecher oder Rüffel­käfer (^ntdonomns xornorum) und seinem Zerstör« ungswerk an der Apfelblüte (seltener an der Birn- blüte), aber die Wenigsten werden den Käfer im Freien gesehen haben. Auch in Sammlungen ist er selten, dagegen leiht das K. Naturalienkabinett Kästchen aus, in denen der Käfer in allen Entwicklungsstadien vorgeführt ist Anschauungsmittel ersten Rangs. Einsender, Reallehrer in Stuttgart, hat seiner Klaffe ein solches vorgesührt und zog dann mit 12 Frei­willigen in Begleitung des Fabrikanten B. auf den Azcnberg. Ueber ausgebreiteten Leintüchern wurden Hochstämme geschüttelt umsonst; an Spalierbäumen dagegen purzelten ca. 12 Rüsselkäfer herab. Ende März sind also die ersten Käfer bereits da. Bei kaltem trockenem Wetter läßt sich der Anthonomus am besten abschütteln. Ein am 24. März mit Schwefel besprengter Apfelspalier ist bis heute von diesen Käfern frei; cs scheint das also ein Mittel zu sein, das die Käfer abhält oder vertreibt.

Nekkametetk.

Die wichtigste Küchenfrage betrifft das neue epochemachende Speisefett Palmin. Wohl kaum ein Leser dürfte heute noch fragen:Was ist Palmin?* Denn in den meisten Haushaltungen wird schon ein Versuch mit dem weltbekannten Mannheimer Speise­fettPalmin* gemacht worden sein; ja in vielen Fällen wirdPalmin* schon längst alle früher ge­bräuchlichen Speisefette verdrängt haben und das mit

ihr je widerfahren, sie konnte sie jetzt nicht nennen hören, ohne daß Groll und Schmerz, Verachtung gegen die Schwäche der Menschen, die ihr so viel Leid zuge­fügt hatten, in ihr aufs neue aufwallten. Nur ein Bild trat aus dem Dunkel, das ihre Seele umfing, immer leuchtender hervor, das Bild ihres verewigten, väterlichen Freundes und Wohlthäters. Je kleiner sich alle die Anderen gezeigt, auf deren Treue sie gebaut hatte, um so größer stieg seine Persönlichkeit vor ihr empor. Die Welt neidete ihr den irdischen-Besitz, mit dem er sie, gegen ihren Willen, beschenkt hatte. Das Köstlichste, was sie ihm verdankte, die Stunden, in denen sie an seinem reichen Wissen sich erquickt, an seinem geklärten Geiste sich aufgerichtet halte, in denen er ihr zum Lehrer ward für das Leben, in das sie wie ein träumendes Kind mit tausend thörichten Illusionen hineingetreten war, das ahnte ja Niemand, und hätte sie davon erzählt, wer hätte sie verstanden? Kaum ihr alter guter Vater, der sie liebte, auf seine Art liebte. Aber diesen Verkehr von Seele zu Seele, wie konnte er ihn verstehen, da er ihn selbst nie gekannt hatte?*

Die Sonne stand schon tief im Westen, als die kleine Gesellschaft das heimatliche Haus wieder betrat. Zwei Führer waren mitgenommen, das Gepäck zu tragen; denn man hatte auf dem Monte Generoso genächtigt, um den Sonnen­aufgang zu genießen. In bequemen Lodenkoflümen, Bergstöcke in den Händen, kamen sie fröhlich herein, ein Bild heiterer Jugend und Lust, von der nur ElliS ernste Erscheinung sich als etwas Fremdes abhob. Otti hing an ihres Gatten Arm, immer noch die übermütig Heitere, wenn auch etwas frauenhafter geworden. Auch Lena war ziemlich dieselbe geblieben, das kritifirende Element in der Fa­milie, das stets an Welt und Menschen auszusetzen fand, dabei aber doch bereit war, mit vollen Zügen Alles zu genießen, was sich bot.

Ellis Verhältnis zu den Schwestern hatte sich merklich geändert. Man er­kannte ihr willig eine gewisse Autorität zu, innerlich aber war man einander noch ferner gerückt. Die heiteren, lebenslustigen Naturen von Lena und Otti ver­

mochten den Ernst der älteren Schwester nicht zu begreifen, und fühlten sich oft bedrückt in ihrer Nähe.

Baron Teschen, ein angenehmer und stets gern gesehener Gast im Bo- din'schen Hause, stand zu Elli in ganz eigenartigem Verhältnis. Er hatte in Paris mit ihr in dem Atelier desselben Meisters gearbeitet und sich ihrer in der Fremde sehr warm und freundlich angenommen. Seitdem hatte sich eine Art kameradschaftlicher Freundschaft zwischen ihnen ausgebildet, die Elli jedoch stets in den von ihr vorgezeichneten Grenzen zu halten wußte. Er verehrte sie auf­richtig, machte Lena, die wie ehedem Männergesellschaft über Alles liebte, ein wenig den Hof, was die Rätin, so oft er in der Villa weilte, stets in eine ge­wisse Aufregung versetzte. Sie erwartete jedesmal, daß er sich mit einer ihrer beiden noch ledigen Töchter verloben werde, und ob sie auch schon fünf Jahre da­rauf wartete, die Hoffnung schwand noch immer nicht. Es wäre doch zu unge­recht vom Schicksal, wenn zwei so hübsche Mädchen wie Elli und Lena unverhei­ratet bleiben sollten, und noch dazu, da das Vermögen, wenn Elli bei ihrem Starrsinn blieb, ihrer Familie verloren ging. Das sollte das Mädchen doch be­denken. Aber natürlich, bei ihrem Egoismus l Ja, Elli, die Alles für ihre Familie that, die jetzt noch immer darauf bedacht war, durch ihre Arbeit, den Verkauf ihrer Bilder die Einnahmen zu vermehren; denn die Unterhaltung des Landhauses, die von Jahr sich steigernde Zulage an Chick's, der Mutter noch gleich unbeson­nene Art, das Geld auszugeben, ohne zu rechnen, stellte Anforderungen an ihre Kaffe, die die vom Präsidenten ihr hinterlassene Rente bedeutend überstiegen. Elli wurde von ihrer Mutter, und nicht von ihr allein, nein auch von den Schwestern, sobald sie der einen oder anderen einen Wunsch versagen mußte, des Egoismus angeklagt. Sie ließ das jetzt ruhiger über sich ergehen, als ehedem. Wer so viel schmerzende Wunden vom Leben davongetragen, wird gegen solch« kleine Nadelstiche gefeit.

(Fortsetzung folgt.)