den gestürzt hätte. Sie wußte gleichgültig, auf welche Weise um seinen Plan, seine ganze Schö­pfung in Chaillp wieder an sich zu bringen. Sie ließ diesen Plan allen Aktionären verrathen, die sie in Er. fahrung bringen konnte, und hczte dieselben hiedurch gegen Grund auf. Die nächste Generalversammlung sezte ihm einen Mitdirektor zur Seite, dir zwritnächste entfernte ihn ganz von der Direktion des Etablissements. Er sah sich verdächtigt, verunglimpft. Da erwachte in ibm der Stolz, der Groll, die Leidenschaft, und brachte ihn auf einen unseligen ^Gedanken. Er wollte sich an seinen undankbaren Mit-Aktionären rä­che«, und seiner ersten Schöpfung durch eine zweite ähnliche, Konkurrenz mache». Dicht neben Chailly, auf Liegenschaften, die längst sein persönliches Eigenthum waren, erhoben sich plözlich neue Gebäude und Hoh- ösen, Walzwerke re., um ein ähnliches Unternehmen in'S Leben zu rufen, dessen Direktion nach seiner Vol- lendung an Hugo übergeben werden sollte. Die Mit- tel hiezu verschaffte sich Herr Grund durch den Notar Gaudrp, indem er diesem seine eigenen Chailly-Aktien theils deponine, theils durch einen Schcinvcrkauf abtrat. Herrn Grund'S Name und Erfahrung ver­schafften dem neuen Unternehmen Kredit bei der Börte, an den Banken; man baute Hoffnungen darauf. Allein man verkannte das Motiv des Gründers. Dieser wollte seine früheren Mitaktionäre eigentlich nur einschüchtcrn; hätten sie ihm die Direktion von Chaillp wieder an- geboten, so wäre er erbötig gewesen, die neue Schö­pfung unter günstigen Bedingungen mit der alten zu vereinigen. Viele Stimmen waren hiefür, allein ein Advokat, der Geschäftsmann Sidonicns, welcher eine große Anzahl Aktionäre vertrat, opponirte entschieden dagegen und behauptete zuversichtlich, das treulose dop­pelte Spiel des Herrn Grund werde sich eines Tages an diesem selbst am bittersten rächen. Er konine diese Behauptung dreist aussprechrn, denn er hatte die Mine gegen Grund angelegt und alle Fäden zu dessen Ver­derben in der Hand. Dieses brach plözlich wie ein Bliz aus heiterem Himmel über Herrn Grund herein, indem der Notar Gaudrp heimlich entwich, und sein großes Geschäft in einer unentwirrbaren Konfusion zu­rückließ. Der Anwalt der Frau von Waizendorf hatte früher von Gaudrp den größten Theil der Grund'schen Chailly-Aktien gekauft, und sich die Verlegenheiten des­selben, worin Gaudrp durch sein tolles Börsenspiel ge, kommen war, zu Nuz gemacht, um ihn sogar zum Ver­kauf der Depositen zu bewegen. Grund war ruinirt, ent­ehrt, anscheinend rettungslos verloren. In einem An­fall von kopfloser Entmuthigung und blinder Verzweif­lung hatte er die furchbare That gewagt, Hand an sein Leben zu legen, allein die übermäßig geladene Pistole zersprang, und der Schuß zerschmetterte nur den Un­terkiefer deS Wahnwizigen und kostete ihn den Zeigsinger. Frau Regnier und ihre Gatte aber, die einzigen Haus- genossen Grund'S nahmen sich sogleich seiner an und brachten ihn in größter Stille in Sicherheit, um ihm die Schmach der Entdeckung seiner That und die der Haft als Bankcrottirer zu ersparen. Madame Regnier hatte mit glücklichem Instinkt denjenigen Ort errathcn, wo sie ihn am sichersten glaubte; ihr Gatte aber, des­

sen Lebcnsloos von demi'cnige» seines Brodherrn fast gänzlich abhing, war nach Paris geeilt, um dort im Einvcrständmß mit Herrn Grund'S Anwalt für ihn zu wirken, und er meldete den deutschen Freunden seines Chefs fast täglich von Paris aus die Ereignisse, welche sich auf Herrn Grund's Schicksal bezogen.

Hugo und der Polizeibeamte hatten noch vor Abend den kleinen Badeort Liebenbronn erreicht. Es waren einige einzelne elegante Gebäude am Ende deS Dörfchens, in einem sehr malerischen Wiesenthale, uw- starrt von steilen, felsigen Hügeln mit stattlichen Wäl­dern, deren gewundene Wege und grüne, laubige Alleen und Hallen die Promenade der Kurgäste bildeten. Ei­nige Fragen an den OmnibuSführer hatten schon erge­ben, daß der Franzose von gestern mit seiner schönen Frau seinen Aufenthalt in Liebenbronn genommen, und die besten Zimmer im Badhause belegt hatte. Außer diesem Paare aber seye noch ein anderer Franzose da, ein jüngerer Mann, und anscheinend mit den Neuan­gekommenen bekannt ein gewisser Herr Boniface.

»Geben Sie Acht, das ist der Schreiber, von wel­chem der Brief des Herrn Regnier meldet, daß er zu- gleich mit Gaudrp verschwunden sep,« flüsterte Hugo seinem Begleiter in französischer Sprache zu. »Tau­send Franken mehr für Ihre Mühwaltung, wenn wir ihn ebenfalls fassen!»

»Wir begegnen uns auf Einem Argwohn,» sagte der Polizcimann und lächelte heimlich.

In ni-dt geringer aber gewaltsam gezügelter Auf­regung kamen di« beiden Herren in Liebcnbronn an. Gleichzeitig mit dem Postomnibus kam ein Berner- Wagen an, von welchem drei stämmige Männer abstre. gen, um im Badhause einzukehren wir Bürger oder Handwerker aus einer Provinzialstadt anzusehcn Trr Abend sank schon hernieder; die Badegäste saßen unter den Lindenbäumen vor dem Kurhausc, oder ergingen sich in den Obstbaumalleen längs deS Flüßchens. Die drei Handwerker nahmen an einem Tischchen vor dem Kurhause Plaz und ließen sich ihr Bier geben, während ihr Wagen noch wartete; allein mindestens Einer von ihnen verfolgte immer mit den Augen die Bewegun­gen Hugo's und seine« Begleiters, welche in den Sper- seiaal getrcren waren und mit dem Bavewirth plau­derten, wie Neuangekommene Gäste, die sich Zimmer bestellen. Dieser führte sodann die beiden Ankömm­linge selbst hinaus in den ersten Stock und wirs ihnen Zimmer dicht neben denen der Franzosen an. Der Po­lizeibeamte aber hatte nicht sobald sich überzeugt, daß sie hier unbelauscht seyen, als er den Rest seiner Ci­garre unhöflich genug aus dem Fenster gerade auf das Tischchen warf, woran die drei Bürger saßen. Einer derselben blickte scheinbar unwillig herauf, ein zweiter stand auf, ging in'S Haus und erschien eine Minute später unter der Thüre des Zimmers.

»Herr Brigadier, Sie verlieren den Herrn in dem Hellen Sommerrvckr, der dort in der Laube Ecarte spielt, nicht aus dem Auge; sobald er in's HauS tritt, wird er ohne Weiteres verhaftet» jedoch ohne Aufsehen zu machen. Der Gefreite soll uns dann i» einiger Entfernung so unbefangen wie möglich folgen!"

(Fortsezung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag der M e c h'sche» Buchdrucker« in Rcncubürs.