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«Tut, bitten Sie ihn, noch eine Weile zu warten, dann will ich ihm Bescheid geben!" sagte der Minister. George ging, und Herr von Waizendorf vertiefte sich in den Inhalt des Schreibens. Pauline meldete dem Kirchenpatrone den Tod ihres Vaters und legte einen eigenhändigen Brief des Pastors bei, welchen derselbe noch kurz vor seinem Tode geschrieben und ihr mit der Bestimmung übergeben hatte, daS Schreiben nach sei­nem Ablehen nnverweilt an den Minister einz»senden. Der Anblick dieses Schreibens gemahnte Herrn v. Wal­zendorf alsbald an den Auftritt bei seinem lezten Be­suche in Vornan, den wir oben erzählt haben, und mit einem sonderbare» Gemisch von fiebcrischer Hast und geheimer Befangenheit erbrach er dasselbe. Plärrer Röster erzählte darin in Kürze, was für Gründe die Auflösung deS Verlöbnisses seiner Tochter mit dem Ingenieur Robert Grund herbeigeführt haben» und welches Opfer Paulinen dem Knaben gebracht. Er bat deßhalb seinen Gönner mit all' der Dringlichkeit welche sich ein Vater angesichts seines sichern Todes erlauben dürfe, Se. Ercellcnz möge sich doch PaultnenS annehmen und ihr den Knaben belassen, den sie so thcuer erkauft habe, und schließlich ersuchte er noch seinen Patron geziemend, dem seitherigen Verweser der­selben, dem Candidat Heinrich Hcnger, die Pfarrstclle zu übertragen, da er derselben in allen Stücken wür­dig seye.

Herr von Walzendorf ging mit hastigen Schritten im Zimmer auf nieder, und sein Gesicht zeigte eine tiefe Bewegung, in seinen Wimpern glänzte es feucht wie von Thräncn.

»Ein seltenes, merkwürdiges Wesen, diese Pauline!" murmelte er. »Nur eine LandpfarrerS-Tochtcr, und solche Seelengröße, solche Treue gegen ihr Wort. Meiner Treu' ich mache mir nun einen Vorwurf daraus; daß ich de» Pastor nöthigte, den Knaben auszunehmen, ich hätte daran denken sollen, daß er eine Tochter hatte, die nichts besaß als ihren guten Namen, ihre Tugend! Und das Alles hat sie dem Kinde geopfert, daS so viel, viel Kummer in die Welt gebracht hat! Paulinen Hai der Knabe einen Verlobten, dem Pastor das Leben ge­kostet, und ich muß mich schämen, aus reiner Selbst­sucht dieses Unglück zweier Menschen verschuldet zu haben! Fürwahr, das drückt mich seit jenem Abend M Pfarrgarten unbewußt, und nun wird cs mich noch mehr drücken. Und sie, ist sie solche Opfer werth, das eitle, herrische, verblendete Geschöpf, das nicht werth ist, diesem Landmädchen die Schuhricmen aufzu­lösen? Und sic ist mein Kind, mein einziges Lind, daS ich verachten muß und doch nicht verleugnen kann, weil ich meiner Standes- und Familrenehre schuldig bin, jeden Affront zu vermeiden .... Ja, beim ewi­gen Gott, diese wackellose Ehre ist dießmal thcuer erkauft, erkauft mit dem LebenSglück von zwei wackeren Menschen!

Seine Stimme, zum Flüstern herabgesunken, er­starb in einer krampfhaften Bewegung, welche seine Brust heben und senken machte. Er trat an das Fene- ster und blickte in den klaren, blauen Frühlingshimmel hinauf, als ob er dort, wohin sein Auge nie gedrun- gen, sich Trost und Kraft suchen wollte; allein der

Trost, der dort zu finden ist, winkt nur Denen, deren Herz dort eine Hrimath hat, und seine Stirne sank nach einer Weile auf die Kiffen des Fenstersimses her­ab, und der stolze, feine zuversichrlich» Mann, welcher der Welt so sehr iwponirte, war aus eine Weile ganz gebrochen und geknickt.

(Fortsezung folgt.)

Beamtenunterschleife in den Der. Staate».

In der Armeeverwaltung der Vereinigten Staaten ist Betrug und Vergeudung in ausgedehntestem Maße an der Tagesordnung. So wurden für die Jndianer- krtege in den Territorien Oregon und Washington, unbedeutende Feindseligkeiten, die kaum in der Geschichie verzeichnet werden, mehr als sechs Mill. Dollars an Kriegslasten zur Zahlung aus der Nationalfchazkammer vorgelegt. Die in diesen Rechnungen gemachten An- fäze sind fabelhaft.

Ein ganz gewöhnlicher Taglöhncr ist mit 4 Dollars per Lag, der Clerk mit 10 Doll-, Pferde zu 300-450 Doll., daS Miethgeld für ein Pferd per Tag mit 45 Doll., die Miethe von Holzhütten zur Aufnahme von Soldaten zu 100-200 Doll, für den Monat und ein einziger Courierritt gar zur Ueberbringung einer Bot­schaft von Deer Creck nach Port Oxford, ein Tagesritt mit 800 Doll, angesczt. Wr Hufschmiede ist dieser Krieg ein» Goldgrube gewesen. Der Preis für rin Hufeisen ist unverändert zu 3 Doll, und der ganze Be­schlag eines Pferdes zu 12 Doll, angcrechnet. Da wird es freilich erklärlich, daß ewige Ebbe im StaatSschaz der Union ist, da der dritte Theii der enorme» Sum­men, welche jährlich verausgabt werden, als gestohle­nes und unterschlagenes Gut in die Taschen der hohen und höchsten Beamten, sowie der niederen Sp tzbuben fließen.

Dergleichen Criminalanschuldigungen werden in unabhängigen Blättern durch die ganze Union publi» ent, machen aber in Amerika gar keinen Eindruck, die Betrüger lachen darüber und Niemand fragt darnach. Die Amerikaner wollen nur unter allen Umständen ihre Geschäfte machen und lassen das Gouvernement die seinigen machen. Leben und leben lassen!

Einem militärärztlichen, vom 1. Juli a«S Verona datirten Schreiben der »Wiener medicinischen Wochen­schrift" entnehmen wir folgende Stelle: »Heute ist der sechste Tag nach der Schlacht am Mine io, und noch immer saust und braust es in meinem Kopfe, als ob eine ganze Armee darin manövrirte. Die Men­schen sanken zu wilden Thicren herab, die sich gegen­seitig zu zerfleische» bemühten. Es istdieß leider keine Phrase, und was den französischen Feuilletonisten als Eingebung ihrer lebhaften Phantasie zugeschriebrn wurde, als sie die TurcoS gleich wilden Kazen springen, bei­ßen und zerfleischen ließen, ist völlige Wahrheit, denn in den Reihen unserer Blcssirten finden wir nicht wenige mit Bißwunden gleich jenen von Bulldogs, liegen- Diese Bißwunden sind meistens an den Oberarmen, nrit- untcr auch am Halse." Auch von anderer Seite hören wir diese Angaben bestätigen. (.Wien. Z.

Redaktion, Druck und Verlag der Me eh'sche» Buchdrnckerei in Ncueubür,.