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jener Politik, welche schon vor fünf Jahren in der Masson'schen Schrift über „die Gränzen Frankreichs" psrgezeichner ward. Frankreich strebt nach der Führerschaft sämmtlicher roma- nischer Staaten und für diesen Zweck nach der Oberherrschaft über das Mittelmeer. Um das Eine wie daS Andere zu erreichen, will eS die Oestrei'cher auö Italien und die Deutschen vom l nken Rbnuufer verdrängen. Die fünf nächsten Wochen werden wahrscheinlich wenig ereign,streich sey» ; aber sie werden zu dem Ausgange dec Kämpfe, die nach Verlauf derselben aufs Neue entbrennen werden, den Grund legen.
(D. A. Z.)
Ausland.
F r a n k r e i cd.
Paris, 12. Juli. Aus Valeggio 11. Juli ist die Nachricht eiiigeiroffen, daß zur Herstellung des Frittens felgende Grundplincipien unterzeichnet worden sryen: Es wird eine italieni- sche Konföderation errichtet, deren Ehrenpräsidium der Papst erhält. Der Kaiser von Oest- reich tritt seine Rechte an die Lombardei dem Kaiser der Franzosen ab, welcher sie dem Könige von Sardinien übergibt. Der Kaiser vonOest- reich behält Venctien, welches einen integriren- den Theil der iialrcmschen Konfveeration bildet. Allgemeine Amnestie.
Paris, 14. Juli. Eine Depesche aus Turin meldet, daß Graf Cavour seine Entlassung genommen und der König sie bewilligt hat Graf Arese beauftragt, ein Eabinet zu bilden.
(A.Z.j
Miszellen.
Die Pfarrers - Tochter.
(Erzählung von Franz v. El ling.)
(Fortsezung.)
Als Pauline sich der Laube näherte, wo ihr Vater die warmen Stunden deS Nachmittags zubrachte, um die kranke Brust an der linden Lust zu labe», hörte sie Stimmen, und vermutbete Besuch; daher beschleunigte sie ihre Schritte. Plözlich, als sie unter den Eingang der Laube trat, stand sie einem Herr» gegenüber, dessen Anblick sie ungemein erschreckte. Pauline bebte zusammen und das Arznieffäschchen drohte ihrer Hand zu entfallen; sie mußte sich an den Pfosten lehnen, und daS Wort deS Grußes erstarb ihr auf den Lippen.
„Ah, ich habe sie erschreckt mein, Fräulein?" Hub der fremde Herr an und stand verbindlich von der Bank auf; es war ein sehr elegant gekleideter Mann von ungefähr sechszig Jahren, mit einem feinen, aristokratischen Gesicht, dem sogar das Doppelkinn nichts von dem Ebenmaß seiner Formen genommen hatte, mit dunkelu, stolzen Augen, deren Zwinkern sogar etwa» Fauncnhasies hatte, und jenem Zuge .am den Mund, den wir die Sybaritenfalte nennen möchten, denn er deutete auf das Borhandenseyn von Leidenschaften hin, welche noch die stürmische Jugend und gcsezterrn Mannesjahre überlebt hatten. In der straffen und doch nicht aller Ammith baren Haltung, io den graziösen Bewe
gungen der feinen Hand und bem leutseligen Lächeln erkannte man den gewiegten Aristokraten, und in seiner Physiognomie trat ein gewisser Stolz, jedoch ohne Härte, zu Tage.
— „Verzeihung, Errellenz.... ich war nicht
darauf vorbereitet.Sie hier zu finden!-- stam
melte Pauline.
«Nun ia ich bin ziemlich inkognito hier!« rersezte der alle Edelmann. „Der gute Pfarrer konnte ja dießmal nicht zu mir kommen! da mußt' ich ihn denn aufsuchen. Aber Sie wissen, Fräulein, ich bin nicht gern hier gesehen, und darum kam ich durch die Hinicr- thüre des Gartens, vom Wäldchen her. wo mein Reitknecht mit den Pferden wartet. — LI, bis»! und wie geht eS Ihnen, meine Liebe? Nock immer im Zustand, des gesegneten Inn zsernstaudeS? Warum teiraihen Sie nicht, Pauline? Soll ich Ihnen einen braven Mann verschaffen? Sie sind blaß und hager geworden in den drei Jahren, seit ich Sie nicht mehr sah . . . .«
— --Ercclleiiz sind sehr gütig, dieß zu bemerken!« stammelte Pauline. «Aber ich befinde mich gottlob, wohl, und das Bischen Bläffe mag von der lieber» raschung hcirühren. . . .«
«Ta-ta-tal Sir haben eine unglückliche Liebe Mademoiselle! ich leie daS in Ihren ZügenI Und meiner Treu', ich erinnere mich: Sie waren ja verlobt mit dem jungen Ingenieur, der die Brücke über den Fluß dort unten baute und rin Freund Ihres verstorbenen Bruders war! Ist dieses Vrrhältniß ausgegangen und warum?"
--Lassen wir dieß, Errellenz!" bat der Pfarrer mit einem so schmerzlichen Ernste» daß der alte Edelmann betroffen aufblickrr; --eS knüpfen sich an dieses Vcr- häliniß Eiin» rungen, welche wir gerade im je,äse» Augenblicke nicht berühren sollten . . .«
— „O, das dedaure ich! Vergebung Mademoiselle i hätte ich ahnen können, daß ich Ihnen damit wehe thu e — Ihnen, der ich so hoch zu Dank verpflichtet bin, — srycn Sie überzeugt, daß ich diese wunde Stelle nie berührt hätte. — Und das ist also der kleine Hugo? Komm' her, mein Junge, und blicke mich an!"
Der Knabe gehorchte ohne Scheu und Ziererei, gab dem alten Herrn treuherzig die Hand und blickte ihm beinahe zürnend in die Augen.
„Warum schaufl Du mich denn so finster an Du kleiner Bursche?" fragte die Erc-llenz.
— „Weil Du Paulinen so erschreckt hast, Alter!"
«Pfui, Hugo! welche Sprache!« rief Pauline
tadelnd. Küsse sogleich dem Herrn die Hand!"
— „Ich mag nicht, er hat Dir weh grthan!« ver- sezte der Knabe, seine Hand zurückziehend, und maß ihn noch finsterer.
Der alte Herr lächelte und schlug ein Schnippchen. »Laßt ihn, laßt ihn!« sagte er zu dem Pfarrer und Pavlinrn. «Der Knabe gefällt mir; er ist vom echten Holze: keck und offen. ES knd ganz ihre Augen, und den Mund da, den troztgen, hat er von mir. Ich habe zwar keinen Grund, auf den kleinen Kuckuck da sonderlich stolz zu sepn, aber auf Ehre er gefällt mir, und ich werde ihn den Kummer nicht entgelten taffen, den er mir verursacht hat. Komm' her, mein Kind, ich habe Dir etwas SüßeS mitgebracht,«' fuhr er fort