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60 Schülern, namentlich im Rechnen, Brief- schreiben rc. Unterrich: ercheilt wird und die demnach derzeit im Ganzen 338 Zöglinge zählt; endlich in den praktischen Unterricht für die einzelnen Gewerbe, die in 18Clafsen zerfällt und dermalen im Ganzen 781 Zöglinge auf- tveist. Den vorbereitenden Unterricht für Schreiner, Glaser und verwandte Gewerbe besuchen 52 Schüler, unter denen 34 vom Lande sind, den höheren Unterricht für dieses Fach 40 Zöglinge, worunter 4 Gehülfen; de» Unterricht für Schlosser, Büchsenmacher, Mechaniker rc. wird Ln 2 Classen mit je 36 und 44 Schülern, worunter 2 Gehülfen, gegeben; im Bauzeichnen werden 42 Steinhauer und Zimmerleute unterrichtet, der erst seit einigen Monaten bestehende geometrische Zeichnenunterricht und die Elemente der darstellenden Geometrie werden von 48 Schülern besucht, unter denen 2 Gehülfen sind; geometrisches Freihandzeichnen für Bauhandwerker lernen 60, geometrisches Freihandzeichnen für Fachzeichnen gleichfalls 60 Schüler; in der Vor. schule für Wagner, Sattler und verwandte Gewerbe befinden sich 36, in der höheren Schule für diese Handwerker 30 Zöglinge, artistischen Unterricht genießen in 2 Classen je 49 und 33, Modellierunterricht 39 Schüler, das gewöhnliche Freihandzeichnen endlich wird in 5 Classen mit je 36, 45, 35 und 60 Schülern getrieben. Als eine erfreuliche Erscheinung darf es angesehen werden, daß diese für alle Gewerbe so zweckmäßig eingerichtete Fortbildungsschule, die, wenigsten- in Deutschland, von keiner anderen über« troffen wird, von Jahr zu Jahr mehr besucht wird.
F r a rr k r e i cd.
Der Allgem. Zeitung wird aus Paris geschrieben : Se. Maj. der König von Württemberg ließ gleich nach seiner Ankunft in Lyon den Pastor Meyer holen, bei dem er sich mit lebhafter Sorgfalt um die Zustände der deutschen Protestanten in Lyon erkundigte.
Miszellen.
Ein amerikanischer Sonntag.
(AuS: »Lebende Bilder aus Amerika von Theodor Griesinger. Stuttgart, Verl. v. W,lh. Nitzschke 1858.")
(Fortsczung.)
Wenn der Amerikaner am Sonntag auisteht, so ist eS sein Erstes, daß er nach dem Wetter sieht: ob er trockenen Fußes in die Kirche gehen könne. Aber es mag regnen oder schneien. Nichts hält i n ab, sein Äethaus zu besuchen. Er hat vielleicht dir ganze Woche auf Nichts gesonnen, als wie er seine Nebenmenschen übervortheile er ist vielleicht auf Wegen gegangen, die der Ungläubigste mit Abscheu vermeidet; — Sonntags nimmt er sein Gebetbuch unter den Arm und wandert zur Kirche; und wie er, so die Frau, so die Kinder. — Wo sonst avf Erden trifft man solche Frömmigkeit? Aber — geh' einmal hinein in die Kirche und betrachte dir diese Frommen. Sich' die Mao» chen an in ihrem Pu;- und Flitterstaat, wie sic seit- wärts schielen nach den iungen Herrn dort drüben; sichst du das heimliche Nicken, das Blinzeln mit den Augen, das Fingeraufheken und Zcich.«geben? S eh die Frauen an in ihrer Hoffarth uns ihre» Neifrö cn.
sieh', wie sie mit ihren Nachbarinnen flüstern, wie sie den Mund schief ziehen und die Nase rümpfe», welchen Coup sie am Montag loslaffcn »ollen? — Und können sic sich mit was Anderem beschäftigen? Hör' doch auf den Prediger, von was spricht er? Etwa von der Süßigkeit des himmlischen Manna? Nein, von dem irdischen Manna, von der Knauserigkeit »nd Zähigkeit seiner verehrten Zuhörer und Kirchcnmitgliedrr, die in Hülle und Fülle leben und ihn, den Seelsorger, wenn nicht darben lasten, doch wenigstens nicht so bezahlen, wie er es zu verdienen glaubt Unter zehn Mal ist neun Male dieß das Thema seiner Prrrigt. Merkst du nun, n o das Ding hinauslauft? Zn Amerika baut der Staat oder die Regierung weder eine Kirche, noch besoldet sic einen Pfarrer. Die Congregationen baue» die Kirchen und die Gemeinden bezahlen den Pfarrer. Wie nun, wenn die Gemeinde saumselig wirb im Kir- chendrsuch? Es ist dem Pfarrer nicht um Zuhörer zu thun, sondern um Besucher; denn der Gang in die Kirche kostet Entree, so gut als in's Theater, außer du hättest drr um theureS Gelb einen eigenen Kirchenstuhr gekauft und — dieses Geld gehört wiederum dem Geistlichen. — Die Pfarrer in Amerika müssen sich ihrer Haut wehren, wie jeder andere Geschäftsmann; sie müssen der Concurrenz begegnen und Kundschaft gewinnen, wie jeder Kaufmann, und ihre eigene Schuld ik's wenn ihr Einkommen sich nichl steigert. Siehst du nun, w irum Himmel und Hölle in Bewegung gcsezt werden, um die Leute zum Kirchenbesuch zu nöthi,en? — Und er ist da, dieser Kirchenbesuch. wie nirgends sonst in der ganzen Welt; er gehört zum guten Ton. er ist althergebrachte Sitte, und wehe dem, der sich gegen Sitte und guten Ton verfehlt; lieber eine kleine Fälschung begehen, als Sonntags die Kirche verfehlen!
Was sollten sie aber auch thun am heiligen Sonntag, die Herren Amerikaner, wenn sic die Kirchen nicht hätten? Die Langeweile müßte sie ja umbringcn ?
»Sechs Tage sollst du arbeiten, und am siebten sollst du ruhen." Das haben vernünftige Menschen so verstanden. daß der Sonntag der Tag der Erholung für Körper und Geist fepn solle. Die Amerikaner aber legen rS so aus, daß der Sonntag mit der Ruhe des Grabes begangen werde. Und sie haben G e- seze gemacht, die diese Auslegung erzwingen sollen.
Am Sonntag fahrt kein Bahnzng, die aller- nothwendigstrn für , erufSreisende abgerechnet! kein Omnibus geht, kein Dampfschiff, wen» es anders zu vermeiden ist. Die Kaufläden find alle geschlossen unv dir W irtHs - ä»se r dürfen bei hoher Strafe nicht offen haben. Grabesstille soll herrschen, so lautet das Gesez, «nd nicht einmal Milch oder Brod, ober Cig arren kannst du kaufen, außer m t Umgehung des Gesezrs. Von einem Theater, von einer Kegelbahn, von lustigen Ausflügen, — Gott bewahre dich vor solchen Träumen l Set froh, daß eS dir erlaubt ist, im Winter Feuer in den Oien zu machen und eine warme Suvve zu kochen; denn die „blauen" Geseze Coonerticuts verboten ivgar jeden Spaziergang, außer den in die Kirche, sie verboien das Kochen am Sonntag, man sollte es den Tag vorher versehen, ja sie verboten, daß der Mann seine Frau küßte!!!— Sie mochte» halb verrückt sepn, die Menschen, rir solche Geseze machten, aber die jezigen Sonntagsgese;e, sind ne nicht noch verrückt genug ? Gehe hin in eine Stadt der Neuenglandstaatcn, nach RhodeiSland, nach Massachusetts, nach Connecticut u. s. w-, ja gehe in eine Stadt Pensplvanirns und NrwjerseyS, gehe überall bin, außer nach Newpork «nd Cincinnati und Sanetlouis, überall findest du alle Bclustigungsorte geschlossen, alle WirthShäuscr geschlossen, alle Theater ge sch los« s e n, alle Läden geschlossen, alle BcrbindungSmit- tel aufgehoben, alle Straßen leer, die ganze Stadt—Ein Grab! Und vollends auf dem Lande? Der Bauer reitet zehn Meilen weit in die Kirche, dan» reitet er wieder nach Hause und — ichläft, das ist ftise Erholung. (Schluß folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdrucker« i» Reurnbürß.