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»Wenn ich nicht dabei wäre, wie könnte ich den Gang und die Entwicklung der Verschwörung verfolgen?" lautete die ruhige Antwort des Lezteren. Er unterdrückte «inen Seufzer der entsezlichsten Beklommenheit, aber sein Antliz glich jenem des steinernen Gastes in Mozart'S Oper.

Eine peinliche Pause von fast vier Minuten.

Die Husarenwachc vor der Thür des KabinetS ward abgelöst; der Czar winkte dem General jchweigend, sich, zu entfernen, und blieb noch in tiefem Sinnen in der Mille deS Cabinets stehen, als längst die vergolde­ten Kupfersporcn deS Generals über die Marmorireppe hinabgeklirrt hatten und dem Garten-Pavillon zustogen. wo Zstvan das seltsame Stelldichein belauscht hatte. David und Absalon!« wiederholte sich Paul I-, dann einen finstern Blick in den langen Venetianer Spiegel werfend: »bin ich denn wirklich schon so altgworden?'- dann fuhr er sich abermals über die hohe Stirne.Wir wollen es mit ihnen aufnehmen,« sagte er nun,und dies dunkle Getriebe der alten Strelitze»,Natur scll uns kein Quentchen des göttlichen Schlafes rauben. Aber wie ist mir denn? ich habe ja heute noch rin Geschäft abzuthun; richtig, mein Rendezvous darf ich nicht versäumen! ich will den Mann glücklich machen und, wie ich immer gewohnt war, die Pünkt­lichkeit der Minute auch heute nicht vergessen."

Er zog seine Taschenuhr heraus.

Dimitri, einer der beiden wachhabenden Husaren tm Vorgemache, das nach russischer Weile ein leichtes Glasfenster in der Thüre batte, beobachtete den Czar und hörte dieses Selbstgespräch, ohne daß der Ka ser «S bemerkte, mit steigender Aufmerksamkeit.

,,Hm! erst lv Uhr!« sagte der Czar verdrießlich; »scheint es doch, als ob die Zeit selbst ihre Flügel ab­gelegt hätte; wäre kein Wunder, das; schleudert doch der Sohn die natürliche Liebe zum Vater von sich! Dieses Schleichen der Zeit mahnt mich, daß ich in der Stunde zwischen I l und t2 noch andere Geschäfte ab- zuthun habe. Punkt 1> Uhr soll der alte Kauz seinen Mann an Ort und Stelle finden."

Paul sez e sich wieder mit Ungestüm an seinen Se­kretär und schrieb eine halbe Stunde lang die Ver- haftsbefehlc der wider ihn Berschwornen; er zitterte, als er den Namen Alexander zu schreiben begann.

Aber er schrieb ihn nicht aus.

Verworrenes Getöse erscholl von der Vorhalle in daS Kabinet; Säbelgcklirre ertönte im Vorzimmer; einer der wachthabenden Husaren war mit de» Ein­dringenden handgemein geworden, Flüche hallten nun dazwischen! hierauf erfolgte ein schwerer Fall und dumpfes Stöhnen; jener der beiden Husaren, welcher den Kaiser in seinem Selbstgespräche belauscht hatte- war ein Judas Jschariot gleich beim Eintritte der Berschwornen in die Vorhalle verschwunden; der andere, welcher sich zur Wehre gesczt hatte, lag zu Boden, gestreckt quer an der Tbürschmellc, als treuer Wächter seines Herrn noch die Hand an die Klinge ' geballt. Ueber seinen erstarrenden Körper stiegen beim dumpfen Klange der von dem Thurme des Michaels- Palastes schallenden Stundcnglocke, die das zweite Viertel auf t2 Uhr verkündete, die drel Männer, welche Jstvan im Garten belauscht hatte; an ihrer Spize Pahlen und Subow.

Der Leztcre trat aus den Kaiser zu. Eine Pcrga- mentrolle aus dem Pelzrocke ziehend, die Abdankungs­akte deS dem russischen Adel seit lange verhaßten Czaren, sagte er in festem, dcterminirtem Tone: »Sire! ich verhafte Sic im Namen des Kaisers Alexander."

Bleich wie der Tod vor Entsezen und Zorn, riß Kaiser Paul seinen Degen von der Wand und parirte zum Hiebe au* Subow auS; aber acht kräftige Arme entwaffnelen ihn; in verzweiflungsvoller Äugst rang er nun mit Löwenkraft, aber bald ermatteten seine Arme.

Wehren Sic sich nicht, sonst sind Sie verloren!« rief Pahlen dem Czaren zu, und in einen Winkel des Zimmers gedrängt, sandle ihm der zum Tode ge- ängstigte Monarch den lrzten bittenden und vorwurfs­volle» Blick zu. Da stürzte, durch das Ringen mit ihrem Schlachtopfcr verschoben, der Marmortisch mit dem Kandelaber zur Erde, die Lichter verloschen, und in der finsteren Stunde der Gerster ward die entsezliche That vollendet! . . .

General Benningien hatte dem Czaren seine Schärpe um den Hals geschlungen und dem schrecklichen Kampfe dadurch ein schnelles Ende gemacht.

Paul > , Czar aller Reußen, lag eine Leiche auf dem von Fußtritten zerlegte» Teppiche seines KabinetS.

In einem Zimmer unterhalb des Mordkabinets über­ließ sich sein Sohn, von dieser Stunde an Kaiser Alexander l., dem unbändigsten Schmerze, als ihm das grauenvolle Schweige» des eintrelcndcn Pahlen ver­kündete, daß seine Gesinnungsgenossen in ihrer That zu weit gegangen scyrn! . . .

(Forifezung folgt.)

(Ein warnendes Beispiel.) DaS «igenthüm- liche Geflechte aus Fischbein unv Stahlfedern, welches allmälig den ehrwürdigen, steif gestärkten Untcrrock verdrängte, und welches der Pariser VolkSwiz mit dem sehr nnehrerbietigen Namen »Hühnersteige« belegte, hat vor einigen Tagen in Paris ein blutiges Opfer gefordert. Einer Dame brach plözlich im Gehen eine dieser Federn; eine Spize derselben fuhr ihr scharf in» Bein und verursachte eine schwere Verlegung, welche sie längere Zeit ans Bett fesseln dürfte.

Guten Humor bewies ein französischer Oberst. Er mußte sich sein bei Sebastopol.zerfchosscncS Bein, weil der Brand drohte, abnehmcn lassen. Die Aerztr sägten, er verzog keine Miene und rauchte seine Cigarre; sein Bursche aber schnitt fürchterliche Gesichter und heulte. Was heulst du, Kerl? ries er; wp froh; von morgeo an hast du nur einen Stiesel zu wichsen!

Ein Meisterstück der Spizenklöppel-Kunst haben die Damen kürzlich in Brüssel bewundert, näml>ch ein Portrait der Prinzessin Charlotte in ganzer Figur, 15 Ccutimeter hoch, in Spizen anSgeführt von einer Frau Dcsmetb. Kunstvolleres in dieser Art soll Belgien noch nicht gesehen haben. Der König nahm das Kunstwerk in einer Prival-Audienz mit dem größten Antheil ent­gegen.

M«d»Ut«u. »r»S »u» «eni, »er »i r e h'sche» v«>h»ruSeret tu dleueudur».