236

Kronik.

Deutschland.

Württemberg-

Neuenbürg, 26. Juli. Sicherem Ver­nehmen nach werden Seine Majestät unser König heute in Wildbad eintreffen. Se. K. Hoheit der Großfürst Michael von Rußland aber in Begleitung Ihrer Braut der Prinzessin ^äcilie von Baden, G. H., von Wilvbad nach Karlsruhe reisen und dabei unsere Stad« berühren. Vorgestern Morgen reisie» der französische Gesandte Graf Morny, und Abends Prinz Wilhelm von Gaden hier durch.

. Stuttgart, 17. Juli. Sicherem Ver­nehmen nach werden in nächster Zeit die Vor­arbeiten zu einer Bahn von Plochingen bis Reutlingen in Anspruch genommen. Demnach wird nicht blos die Frage über die Erbauung der Bahn überhaupt, sondern auch die Erbau­ung aus Staatskosten als entschieden angenom­men werden dürfen.

Der Schnelläufer Darm aus Ulm hat den Weg von hier nach Wildbad und von dort hie- her in der unglaublich kurzen Zeit von lO Stunden zurückgelegt. Um 8 Uhr Morgens ging er ab und traf 6 Uhr Abends, wenige Miauten vor dem Schlage, wieder hier ein.

Neue Kartoffeln werden bei uns schon seit nahezu drei Wochen zu Markte gebracht. Sowenig man bei den ersten, ebensowenig siebt man bei den spätern eine Spur von Krankheit. Vielmehr sind sie ausgebildet und durchweg von gleich­mäßiger und sehr respektabler Giöße. Wenn die Krankheit irgendwo zum Vorschein kommt, so ist es stets in unfern schweren und fetten und nassen Stöckach Aeckern; bis jezt ist noch keine Spur zu entdecken.

Preußen.

Magdeburg, 19. Juli. Seit zwei Tagen hat Hr. v. Rochow auf hiesiger Eitadelle die Strafe angetreten, zu der er wegen des Duells mit Hrn. v. Hinckeldey verunheilt ist und die, wie man sagt, auf fünfjährige Haft lautet.

Ausland.

Frankreich.

Paris, 22. Juli. Die Berichte aus Spa­nien lauten mehr und mehr beruhigend. Man erwartet hier allgemein, daß die Äufstandsvki- suche, welche etwa noch auf einem oder dem an­dern Punkte dieses Königreiches unternommen werden dürften, bald unterdrückt seyn würden.

Miszellen.

Verbrechen und Kinderliebe.

(Fortsezung.)

Aber mit dem Tode dieses Mädchens änderte sich keine Stellung im Hause. Es war. als wenn des Schnei­ders Frau eiferchsutig auf den Burschen wäre,dem die

Tochter so viele Liebe und Anhänglichkeit erwiesen hatte. Sie behandelte ihn fortan hart, sie schalt ihn oft, als helfe er ihr nicht fleißig genug, da doch >'ezt der Meister ihn mehr in die Werksteine, wo er mit zwei Gesesellen arbeitete, zog. um iti» das Handwerk zu lehren. Uno was taS Schlimmste war, sie hielt den kräftigen Burschen in schmaler Kost, er litt nicht selten Hunger. Zwar wagte er es noch nicht selber zu nehmen, was die Frau ihm vorenrhiell, aber solche Gedanken kamen koch schon in ihm auf. '»ach keinen Begriffen von Recht und Unrecht hielt er es aber für verbrecherisch, seinen Brovherrn zu bestehlen, dagegen schien cs weniger sträflich. Änderen eS wegznnchmen Und das lhat er. Er halte, wenn er Sonniagü wohl einmal auskam, Umgang mit andern Handwerkslehrbinschen gefunden. Die pflegten immer Geld zu haben. Das war Anton unerklärlich. Er fragte endlich den Einen »uv erfuhr, das behalte er vom Trink- gelde zurück, was er erhalte, wenn er seines Me sterS fertige Arbeiten an die Kunden austragc. Anton hatte so auch schon manches Geldstück erhallen, er mußte eS aber stets an die Gesellen abliefern; diesen zog es der Meister am Wochcnlohn ab. Von jezt an behielt er, wo cs anging, eine Kleinigkeit für sich. Dafür kaufte er sich Brod, natürlich heimlich, aber so litt er doch nicht Hunger. Dan» dehtell er wohl noch ein wenig übrig, das verspielte er mit den Kameraden in einer schlechten Kneipe, ver- thai's auch wobt in Branntwein von dem er jedoch nie ein Freund war; er gedachte steiS seines unglücklichen Vaters. Ein Trunkenbold war chm im höchsten Grave züivieder.

So hatte er die Bahn der Verbrechen beschritten, und unaufhaltsam riß es ihn weiter. Natürlich konnte seine Dieberei nicht lange unenlveckt bleiben Je mehr er es anfangs thal, ohne daß eS auffiel, desto dreister wurde er im Nehmen, desto mehr nahm er von dem Tiinkgcldc für sich. Da kam es eines Tags, wo er einen Rock zu einem wohlhabenden Kunden getragen und nur ein sehr kleines Trinkgeld ykimbrachte. zwischen ihm und den beiden Gesellen zu heftigen Erörterungen. Der Mei­ster kam darüber zu, erfuhr die Ursache, chm schien es auch verdächtig, er drang in den Burschen ernst, aber doch freundlich. Dieser aber läugnete hartnäckig. Da durch­suchte der Meister seine Sachen, sein Bell, er fand ün Siros des lezteren einiges Geld versteckt, Der Diebstahl war erwiesen. Den Meister dauerte der Junge zwar, aber die Frau ergrifi mit Vergnügen die Gelegenheit, seiner loü zu werden. Er wurde entlassen, in's Zeugnis schrieb ihm der Schneider nichts von dem Verbreche» hinein, schenkte ihm sogar noch ein wenig Reisegeld. So ging der Bursche fort, sein kleines Bündel unter dem Arme, gebrandmarkt, wie er meinte, so daß Jever ihm sein Verbrechen an der Slirnc lesen konnte.

Er ging zum Thore hinaus, cs war bereits Abend. DaS nächste Dorf halte er wohl erreichen können aber er lhat cs nicht, es war u» Sommer, er brachte die Nacht auf freiem Felde zu, neben einer Schafhürde Tags darauf wanderte er weiter, gelangte in eine andere Stabt, wo er noch einen Tag müßig zehrte, wo;» seine Baalschaft ansrcichte Dan» aber fand er Unterkommen bei einem Schuster. Das war freilich nur ein dür-tigcr Mann, der sehr spärlich sein Brov erwarb niit seiner Hände Arbeit für sich seine Fra» und drei Kinder. Hier gab es magere Kost und desto mehr und Harle Arbeit. Las hielt Anton nicht lange aus, er wurde dazu noch manchmal von dem Meister mit dem Knieriemen traktirt. Dafür haßte er ihn. Eines Morgens war der Bursche verschwunden, mit ihm ein Paar neue Stiefeln die am Abend vorher fertig ge­worden, und eine alte silberne Uhr, die an der Wand gehangen. Kein Anderer konnte der Dieb sepn, als der Anton, aber sollte der Meister eS den G richten an­zeigend Las kostete Geld, und wenn er nun nicht wie­der ergriffen ward, oder wenn man ihn auch ergriff und er hatte nichts mehr, hatte alles schon verkauft: dann mußte der Kläger die GertchtSkosten bezahlen und erhielt doch nie sein gestohlenes Gut wieder, keine Entschädigung dafür! (Fortsezung folgt.)

Ntbaltta», Lrutk »ut Verla- der M e e h'sche« Buchdrucktret in Neuenbürg.