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äußere Abzeichen tragt, durch welche sich die der Staatsordnung feindliche Partei bemerklich macht rc., wird nach dem Geseze über die Ver­gehen gegen die öffentliche Sicherheit und Ord­nung bestraft. (FI)

Karlsruhe, 10- August. Der hiesige Schneidermeister Werzinger, der als der erste deutsche Luftschiffcr vorgestern Abend in einem selbstgefertigten Ballon seine Probefahrt machte, bethätigte hierbei eine Ausdauer und eine Kühnheit, welche seinem bisher wenig be­achteten und vielfach belächelten Streben nun auf einmal die allgemeine Theilnahme selbst in den höchsten Schichten der hiesigen Gesellschaft erworben hat. Außer Stande, das erforderliche Quantum Seidenzeug aufzubringen, fertigte er seinen Ballon mit außerordentlicher Mühe und Künstlichkeit aus einem Baumwollstoff, den er, um ihn luftdicht zu machen, mehrmals mst einem gekochten Leinölfirniß bestrich und mit Kautschuk überzog; nachdem endlich alle Hin­dernisse gehoben schienen, fehlte es zur bestimm­ten Stunde an dem erforderlichen Gasquantum. Der unternehmende Geist wollte sich aber durch nichts mehr abhalten lassen, das lange vorbe­reitete Probestück zu erstehen, stieg mit dem un­vollständig gefüllten Ballon bei der ungünstigsten Witterung auf und bestand wohlbehalten das gefährliche Probestück. Der anwesende Luft­schiffer Green äußerte sich kopfschüttelnd über das Wagniß einer ersten Fahrt unter so un­günstigen Auspicien. Man sagt übrigens und eS ist eben nicht unglaublich, er habe Hrn. Werzinger vor der Auffahrt eine namhafte Summe für vollständiges Aufgeben des Unter­nehmens geboten. (F.J.)

Bayern.

Ludwigshafen, 7. August. Zum Auf­bau zweier Kirchen in unserer Stadt, einer katholischen und einer protestantischen, hat der König, weil es der Stadtgemeinde an den- rhigcn Mitteln gebricht, eine Hauskollekte im ganzen Königreich Bayern bewilligt. (F.J) Oestreich.

Wien, 8. August. Es ist ein kaiserl. tent erschienen wodurch das Landwehrinstitut aufgehoben, und dafür eine Armeereserve mit zweijähriger Verpflichtung ausgedienter Soldaten eingeführt wird. (T-D.d.All.Z.)

Ausland.

Frankreich.

Durch Dekrete des Präsidenten ist vielen ausgewiesenen Deputirten die Rückkehr nach Frankreich gestattet. Außer diesen sind im Gan­zen noch 69 ehmalige Repräsentanten verbannt. Man glaubt, am 15. August werde eine ausge­dehnte Amnestie erfolgen.

Die Heirathsangelegenheiten des Präsidenten sind immer noch nicht geordnet. Es scheint in dem Plane gewisser Mächte zu liegen, dem Haupte

der Napolconiden keine ebenbürtige Gemahlin zukommen zu lassen.

Die Krankheit des Weinstocks, welche sich besonders im südlichen Frankreich außerordentlich rasch verbreitet, erregt ernste Besorgnisse unter de» Weinbauern.

Großbritannien.

Im Hauptpostamt in London beabsichtigt man zur schleunigeren Beförderung der Morgenposten und Briefabgaben einen Nachtdienst einzuführen.

Türke y.

In Konstantinopel wüthete am Abend deS 28. Juli eine unermeßliche Feuersbrunst, welche bis nach Mitternacht fortdauerte.

Miszellen.

Im Markt St. Veit in Pongau trug sich wie die »Salzburger Zeitung» berichtet kürzlich fol­gender komischer Vorfall zu: In der Nähe des Ortes fanden die Bewohner ein Gerippe, welches sie für das Skelett eines verunglückten Menschen hielten. Sie überbrachten dasselbe in die Leichenkammcr auf dem Friedhofe, zündeten der Sitte gemäß Lichter an und wachten die Nacht hindurch an den aufgcfundenen Ge­beinen. Nach geschehener Anzeige bei der Gemeinde­vorstehung ersuchte man den Pfarrer, das Gerippe einsegnen und beerdigen zu lassen. Dieser forderte jedoch eine genaue Untersuchung des Skeletts durch den Gerichrsarzt. Mit gespanntem Interesse harrte man des Resultates der Besichtigung, als der Herr Bezirksphysikus erklärte, die Gebeine seyen das Ge­rippe eines Ziegenbockes.

Vor einigen Wochen wurden (wie die Aug All.Z. erzählt) die Size, Pulte rc. aus den Räumen des weiland deutschen Parlaments öffentlich versteigert. Die Rednerbühne erkaufte die katholische Gemeinde Bürgel am Main, ließ sich daraus eine Kanzel zurecht­zimmern, und eingeweiht wurde diese von einer

Jesustenmiffion.

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Die »VolkSbötin« stellt folgende Frage, die sie sogleich beantwortet: »Warum hat sich bei der Ver­steigerung der deutschen Flotte kein Oestreicher und kein Preuße eingefunden? Antwort: Weil die Oestreicher nichts bieten wollen, und die Preußen nicht zu sch lagen.«

Ein Fräulein Emilie Luther, protestantische Leh- rerin in Dortmund, nicht bloße Namensverwandte, sondern wirklicher Nachkomme von dem Reformator, hat sich mit dem vormaligen katholischen Priester I. de Geest aus Mecheln verheirathet.

In einer preußischen Stadt ist eine Dame wegen Meineids in Untersuchung genommen worden, weil sie bei den beschwornen Fragen aus Eitelkeit ihr Alter um 12 Jahre zu niedrig angegeben hatte. Die Justiz ist ungalant.

Redaktion, Druck und Verlag der M e eh'scheu Buchdruckerei in Neuenbürg.