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Beilage zum Enzthälee Reo. L.
Mittwoch den 14. Januar 1852.
Die Alpenrose.
(Fortsczung.)
»Das Alles war vorbei mit des Jünglings unglücklicher Liebe. Selten nur noch blies er ein Abendlied, wenn die Sonne vor seinen Blicken versank, und kaum öfter hörte man mehr den klagenden Ton seines Reigens in der stillen Nacht. — Sie denken sich kaum, welchen Eindruck dies auf die Bewohner unseres Dorfes machte. Allen schien es, als müßten sie einer süßen Angewöhnung entbehren. Ich selbst gestehe gern, daß ich in dieser Zeit selten die Töne von der Alme herab hören konnte, ohne ergriffen zu werden, wie beim Geläute der Sterbeglocke.
»EsM natürlich, daß mir die Ursache seines Kummers so wenig entgangen war, als den übrigen Dorfbewohnern, und daß ich deshalb einmal mit meinem alten Freunde zu sprechen wünschte. Die beste Veranlassung hiezu bot mir ein schöner Sommerabend, an welchem ich mit dem Alten im Garten an seinem Hause saß.^Mali jagte mit den kleinen Kindern ihrer altern Schwester muthwillig herum. Die kindliche Unbefangenheit des Mädchens bewies mir deutlich genug, daß nicht Stolz es sey, was sie abgehalten habe von den Verbindungen, zu denen sic bisher selbst durch ihren Vater aufgefordert worden war, sondern daß sie blos einer Abneigung folgte, die sie sich wohl selber nicht zu deuten wußte. — Ich war mit Klaus in einem gleichgültigen Gespräche begriffen, als mit einemmal von einer etwas entfernten Höhe herab ein vielstimmiges Lied ertönte. Mali, eben mit den Kindern nahe bei uns, blieb stehen und horchte. „Frievli's Stimme ist nicht dabei!" sagte sie in einem Tone, in den sich etwas Bitteres mischte. Nach einer Weile entfernte sie sich mit den Kleinen weniger munter als bisher. Sinnend sah ihr der Vater nach, und ich suchte nun das Gespräch auf Friedli und seine unverkennbare Liebe zu Mali zu lenken. Still, ja fast traurig sah der Alte zur Erde, und sagte dann: „„Wohl Hab ich es längst bemerkt, und es hat mir schon manche trübe Stunde gemacht, aber es ist da nicht zu helfen. Friedli ist zwar hübsch und brav, und ich mag den Burschen wohl leiden, aber mein Ecdagr kann er nicht werden, das sehen Sie wohl selbst ein."" — Ich konnte dagegen wenig erwiedern. — „„Dies ist auch die lllr- sachc, fuhr er fort, warum ich seit einiger Zeit mehr als je wünsche, Mali möge einem tüchtigen Manne die Hand reichen. Ich hoffe, der arme Friedli wird dann wieder ruhiger werden, wenn er das Mädchen entweder hier nicht mehr sieht, oder sie als die Frau eines andern weiß."" — Ich wiegte bedenklich das Haupt hin und her, und fragte dann, wie seine Tochter gegen Friedli gesinnt sey. „„Daß sie ihm gut ist, antwortete er, dav^n bin ich überzeugt, aber eben so davon, daß sie an,ein Verhältniß mit demselben nicht denkt. Sic sprichst unbefangen von ihm, und ich möchte um Alles in der Welt nicht, daß sie aus diesem Zustande der Unbefangenheit etwa dadurch hcransgc- rifsen würde, daß man mit ihr über Friedli's Liebe
spräche. Darum, lieber Herr Pfarrer, reden auch Sie nie ein Wort mit dem Mädchen darüber. Ich denke, es soll sich Alles wieder machen.""
„Ich ehrte den Kummer des guten alten ManneS, und brach daher das Gespräch ab. Ich glaubte wohl, baß er seine Tochter genau kenne, dennoch schien eS mir, als sey ihm eine Bemerkung hinsichtlich ihrer Gesinnung entgangen, oder als wolle er sie geflissentlich nicht berühren. Mich hatten Wort und Sinne deS Mädchens, als sie das: Friedli's Stimme ist nicht dabei! sprach, etwas tiefer in ihr Herz blicken lassen, von dessen Beschaffenheit sie sich wohl selbst nicht Rechenschaft zu geben vermochte.
»In jener Zeit'bewarb sich der Sohn eines reichen Müllers aus dieser Gegend um die Gunst des Vaters und nm Herz und Hand der Tochter. Klaus war nichts weniger als abgeneigt, ihm eine günstige Antwort zu geben, verlangte jedoch von dem Bewerber, daß er sich zuvor des Mädchens Zuneigung erworben haben müsse, da er sein Kind auf keine Weise zu dem wichtigsten Schritt im Leben zwingen wollte.
»Mali ließ sich die Bewerbungen deö Jünglings gefallen, zeigte aber nirgend Entschiedenheit, noch weniger ließ sie sich nur im Entferntesten durch jene Eile bestimmen, mit welcher der Freier und sogar ihr Vater die Sache betrieb. Eine alte Dienerin des Hauses, die das schöne Kind überaus liebte, hatte mit ihr einmal scherzend über ihre baldige Verheiratung gesprochen und am Ende mitleidig hinzugefügt: »Wie wird sich aber der arme Friedli grämen!» Mali war dadurch nachdenklich geworden. Es that ihr wohl, daß der wackerste Bursche des Dorfes sie liebe, und unwillkürlich stellte sie jezt zuweilen Vergleichungen zwischen ihm und den bisherigen Freiern an, die meist zu seinem Vorteile auSfallcn mochten. Manchmal rief sie sich ihre Kindheitsbekanntschaft mit dem armen Hirten zurück, und nicht ungerne verweilte sie in jener Zeit. Sie dachte an Fried li's schüchternes Benehmen, erinnerte sich so mancher Aeußerungen, die ihre Freun- dimtcu und sogar ältere Leute in ihrer Gegenwart hingeworfen hatten; sie fragte sich nach der Ursache seines Trübsinnes, und fand mit geheimer Freude die Reden der alten Magd bestätigt. Zuerst fühlte sie Mitleid mit dem Burschen, und nahm sich oft vor beim nächsten Begegnen recht freundlich gegen ihn zu ftyn. Zulezt fing sie sogar an, ein zufälliges Zusammentreffen mit ihm zu wünschen. Aber Friedli mied längst jede Gelegenheit, dem stolzen Mädchen, für das er sie hielt, zu begegnen.
»So war der Sonntag nach Jakobi herbeigekommen. Es ist unser Kirchweihtag. Bald nach dem Gottesdienste war die ganze Bevölkerung auf der großen Thalwiese versammelt zu den Spielen, welche bei uns an diesem Feste noch üblich sind. Mali erschien in Begleitung ihres Vaters, ihrer Geschwister und des Bewerbers, gegen den sie übrigens nicht sehr freundlich ihat. — Friedli konnte bei dem Feste so wenig fehlen, als irgend ein anderer Jüngling, doch war er finster,