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sammlung für den Bezirk Durlach-Pforzheim- Bretten. (Wahltag 3. Juni). In der hiefür be­stimmten Vorberathung, die am Ganzen das meiste Interesse darbot, wurden von den Vorstän­den und Abgesandten der Volksvereine vorge­schlagen: Fabrikant Herrevon Pforzheim, Dr. K. Steinmez von Durlach, (Mitglied des Landesausschusses und Präsident der heutigen Versammlung ) Lehrer Dörner von Kissclbronn und Gastgeber Dittler von Wilferdingen; spä­ter kam noch Lehrer Langsdorfs in Vorschlag. Dr. Steinmez, der unstreitig der beste Red­ner dieses Tages genannt werden kann, ergieng sich in längeren Vorträgen über den Zweck der konstituirenden Versammlung in den jezlgen Ver­hältnissen und zeigte, wie nothwendig es ftp, Männer aus allen Ständen, rppnn auch keine geübten Redner, doch vor Allem entschieden frei­sinnig, entschlossen und vom Wohl des Volkes durchdrungen, zu wählen, weshalb auch ihr Au­genmerk auf einen Volksschullehrer und einen Oekonomcn, seither zu wenig vertreten, gerichtet sey. Die Verhandlungen berührten zum größten Theil zunächst die badischen Zustände, doch sind auch für weitere Kreise mehrere Anträge und Beschlüsse beachtenswertst, so das Programm, an dem die Candidaten festzuhalten versprachen und insbesondere enthält: Festhalten an den Beschlüssen der Offenburger Versammlung, der Volkssouverä- nität mit allen ihren Folgen, an dem Grund- saze des Rechts zur Abberufung der Abgeordne­ten aus der Kammer von Seiten der Mehrheit ihrer Wähler, wenn sie ihre Bahn verlassen und nicht mehr im Sinne der Lezteren handeln. Dieser Punkt, wenn sich gleich die Versammlung über alle Consequenzen desselben nicht vollständigzver- einigen konnte, war von besonderer Wichtigkeit. Ferner wurde noch bestimmt, falls ein Abgeord­neter eine Anstellung im Staatsdienst erhalten würde, er sich einer Neuwahl zu unterwerfen haben solle. Ein weiterer Vorschlag von Steinmez: zu permanenten Wahlcomite's zu Ueberwachung der Thätigkeit der Abgeordneten, so wie daß sich dieselben von Zeit zu Zeit von den Wünschen ihrer Wähler persönlich überzeu­gen sollen, wurde mit Beifall ausgenommen. Wenn Einer oder zwei Redner sich auch in ihrem Eifer etwas weiter Hinreißen ließen, was bei der Redefreiheit nicht zu vermeiden ist, so ist doch gewiß, daß der größte Theil derselben und die Versammlung selbst gleichweit entfernt blie­ben von allen kommunistischen oder ähnlichen Tendenzen. Civilisten, Bürgerwehren und Sol­daten aus der Umgegend bewegten ssich in aller Ordnung und das Ganze blieb ohne jedwede Störung. Fragt man sich über die Stimmung des Volks selbst, so muß man sich allerdings antworten, daß der Ernst dieser Zeit und das Näherrücken der Stunde der Entscheidung auf vielen Gesichtern zu lesen, eine allzuängstliche Besorgniß jedoch nicht zu erblicken ist.

Ueber die Auswanderung der Deutschen und über deutsche Colonifation.

(Fortsezung aus Nro. 38.)

Solcher Produktenreichthum und Mannig­faltigkeit müssen natürlich den innern Handels­verkehr sehr lebendig machen. Von eigentlicher Industrie, da es an Menschen fehlt, kann nicht die Rede seyn; Oekonomie und Minenbau liefern bis jetzt allein die Handelsobjekte, besonders in den südlichen Provinzen. Aber auch diese können wegen Mangel an Händen nicht mit gehöriger Energie und Umsicht betrieben werden. Die alt­spanische Kolonialpolitik hat dem Ackerbau den feudalen Charakter des Mittelalters aufgedrückt. Durch ganz Süd-Amerika finden wir Plantagen­bau mit Sklaven oder die etwas mildere Form der Majoratsherrn mit Frohndebauern. Daher man auch stets nur zwei Klassen von Menschen kannte, Herrn und Knechte, Besitzende und Arme. Die Bildung eines Mittelstandes, des freien Bauernstandes, des kleinen Grundbesitzes, des eigentlichen Mark uud der einzigen Bürgschaft des Friedens und der Beständigkeit der gewon­nenen Staatsformen, ward durch die Zusammen­ziehung des Grundeigenthums unmöglich. Wenn das Verhältniß zwischen Herrn und Bauern auch kein eigentliches Frohnverhältniß war und mehr auf freiwilliges Uebereinkommen beruhte, so war cs doch ein conventionelles Uebel, das die Re­gierung bald begriff. Sie hob daher die Majorate auf. Die Insassen (iitcjuilino« > trieb der Geist der Unabhänigkeit nach freiem Besitz. Sie zogen es vor, an den gefährlichen Grenzen gegen die Andesindier die ihnen von der Regierung an­gebotenen Ländereien frei zu bearbeiten, als das patriarchalische Brod der Sklaverei zu essen. So zerfielen die großen Güter (ttÄ«i6nck38),es bildeten sich immer mehr Dörfer, Märkte und Flecken. Es giebt indeß noch immer Güter von 30 bis 40 Quadratmeilen (Leguas) (20 auf den Grad), die die Produkte des ökonomischen Verkehrs fast ausschließlich liefern; und da Güter mit Vieh­zucht um 20 Prozent besser rentiren als Güter mit Ackerbau, so findet man auch hier wie in den Pampas von La Plata Haciendas, auf denen 12 bis 20000 Stück Rindvieh gezogen werden. Die Milch der Thiere wird fast gar nicht benützt; denn Käse und Butter werden erst in der neu­sten Zeit, aber mit großem Vortheile, Handels­gegenstände. Den eigentlichen Gewinn zieht man aus den Häuten, dem getrockneten Fleisch .und den Hörnern. Nicht weniger bedeutend ist die Zucht der Pferde und Maulesel, und im Süden, besonders auf Chiloe, die der Schweine, die sich mit den Schalthieren des Meeres mästen. Ihr Fleisch erhält durch diese Nahrung einen vor­trefflichen Geschmack, und wird sehr weit ver­führt. Die Schinken von Chiloe sind berühmt.

(Fortsezung folgt.)

Redaktion, Druck nnd Verlag der Meeh'schcn Buchdruckerei in Neuenbürg.