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Lehre anbetrifft, ist eS ganz was anders: wenn ich dreitausend Maschen auf eine Tabelle hinzeichne und es den Kindern vorsage, würden sie wohl die Reden ins Gedächtniß fassen aber die Finger würden keine einzige Masche Hervorbringen. Ich muß mich ganz be­sonders den Kindern widmen, sie auf den Schooß neh­men und kurz die Maschen selber machen, so lauge, bis es ihnen verständlich ist. Wenn ich eine vermög- liche Frau wäre oder von diesem Gehalt leben könnte, wollte ich gerne etwas für das Wohl der Kinder thun. so ich aber mein Brod mit meiner Hände Arbeit ver­dienen muß, möchte ich bitten, die Sachverständigen darüber urtheilen zu lassen.

2) Was das Mitbringen der Kinder im Schürz- chen und Körbchen betrifft, welches ihnen zum Vesper dient, finde ich mich durchaus nicht beleidigt; das kann man alle Tage sehen, daß die Kinder die Körbchen mit Himbeeren, Heidelbeeren, Stachelbeeren, Johannis­beeren, Kirschen und dergl. öffentlich in die Schule tragen; ich Pflanze solche Sachen in meinem Garten, habe daher nicht nothwendig, etwas davon zu ver­suchen.

3) Bon den unter 40 bis 50 einigen Personen, welche mir aus Freundschaft oder Erkenntlichkeit ein Christgc- schenk zuschicken, werden diejenigen, welche nichts thun können oder wollen, auch nichts dagegen einzuwenden haben. Ich bitte also diejenigen Herren oder Frauen, welche ihre Kinder zurückgesezt finden, eine öffentliche Klage über mich zu führen.

Industrie-Lehrerin Martin.

Neuenbürg.

(EingesendetI

In Nro. 59 des Enzthälers haben mehrere Bürger Wünsche, mit Borwürfen begleitet, bezüglich auf die erledigte Stelle einer Lehrerin an der Industrieschule in Anregung gebracht. Ob überhaupt ihre Ansicht rich­tig ist, darf wohl sehr in Frage gestellt werden, denn wenn cineJndustrielehrerin die Kinder vorerstdie Maschen machen lehren soll, was nur bei einem um das andere und nicht bei allen zumal möglich ist, wie kann sie da bei einer Zahl von etwa 30 Zöglingen zu einem von ihr erwarteten Fortschritt kommen? Das Meichniß mit dem Provisor hinkt, wenn man der Jndustrieleh- rerin das Maschenmachenlehren, den allerersten Anfangs­grund, der dem Kinde in der allerzartestcn Jugend spielend von den Müttern bcigebracht wird, zumuthen will, so müßte man von dem Provisor erwarten, daß er die Kinder nicht bloS lesen, sondern zuvor auch reden lehren solle; dergleichen erste Anfänge der mensch­lichen Bildung gehören nicht in die Industrie- und Volksschulen, sondern in die Äleinkinderschulen. Den Vorwurf betreffend, so gründet sich dieser nur auf an­geblich gehörte Klagen und zeigt, daß es verschiedene Klassen von Menschen gibt, »ermögliche und unver- mögliche, freigebige und unfreigebige, zufriedene und unzufriedene, geschickte und ungeschickte, wie es auch troz alles Strebens dagegen bleiben wird, so lange die Welt steht. Soll es einer armen, schlechtgestellten Zndustrielchrerin verübelt und attsogleich mißdeutet.

soll sie wegcn^des Wenigen beneidet werden, wenn gute Herzen ihre Leistungen mit zufriedenen Augen an- sehen und ihr hie und da, weil' sie es können, eine kleine Erkenntlichkeit spenden? was ja in diesem Dienst- verhältniß ganz und gar nicht verboten ist. Die Haupt­sache aber ist, daß die gemachten Vorwürfe aus Anlaß der durch Todesfall eben jezt erledigten Lehrerinstelle gemacht, lehr unzart sind, um so mehr, als bekanntlich gerade diese gestorbene Lehrerin die Schüler nicht im Stricken, sondern nur im Nähen und Spinnen zu unter­richtenhatte. Den Einsender dieses berührt die Sache im Ganzen gar nicht, aber er hat den Schmerz der Mutter der Gestorbenen über die unzarten Vorwürfe gesehen und dies bewog ihn zu dieser Entgegnung.

Den 28. Juli 1848.

Ein Bürger,

den auf Verlangen zu nennen der Herausgeber dieses Blattes ermächtigt isi.

K r o n i k.

Deutschland.

Viele Mitglieder der Linken der National­versammlung werden nächsten Sonntag den 30. d. Heidelberg mit ihrem Besuche erfreuen. Die Abgeordneten von Frankfurt werden um 9 Uhr Njorgens daselbst eintreffen.

Württemberg.

Gefärbte Trauben gibt es bereits in Stutt­gart, Besigheim; Gräfenhausen OA. Neuenbürg, und im Oberamt Cannstatt.

Preußen.

DerKrakehler," eines der Berliner Wiz- blätter, äußert sich folgendermaßen: Das Mi­nisterium thut sehr gut, daß es sich einen R o senkranz anschafft, denn einen Lorbeer­kranz würde es doch nicht bekommen.

Ausland.

Frankreich.

Nach demCourrier fran§ais" liegen in Italien die Gewerbe rn solchem Grade darnie­der, daß man genöthigt ist, ansehnliche Bestel­lungen für Lieferung von Stiefeln, Hemden und Uniformen für die Truppen in England und Frankreich zu machen. Die Mehrzahl der Ge­sellen in Italien ist für den Kriegsdienst ange­worben, vielfach förmlich gepreßt worden.

Rußland.

Weggeworfenes Geld. Als die Nach­richt nach Petersburg gelangte, Graf Ficquel- mont sey Minister des Aeußern geworden, schenkte der Kaiser der Gemahlin des Grafen, die mehr oder weniger die Diplomatie ihres Ehemanns besorgt, ein Bergwerk von 7 Millionen Rubel an Werth. Die kluge Jntriguantin hatte nichts Eiligeres zu thun, als dieses Geschenk sofort wieder zu verkaufen. Jezt stellt sichs heraus, daß die russische Eva richtig gerechnet. Graf Ficquel- mont ist abgesezt, der Kaiser hat das Geld ver­geblich weggeworfen, die Gräfin aber ein gutes Geschäftchen dabei gemacht. Wahrscheinlich war das Bündniß, das Oestreich mit Rußland in jenen Tagen geknüpft, das Resultat dieses säu­bern Handels.

Redigirt, gedruckt und verlegt von C. Me eh in Neuenbürg.