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Gelächter.) Hr Coquerel bemerkt/ man sollte über solche Petitionen gar keinen Bericht erstatten. (Beifall.) Die Petition wird von der National- Versammlung mit Verachtung zurückgewiesen.
Aus dem Elsaß/ 8. Juli. (Fr.J.) Das Dekret der Nationalversammlung/ welches die Beschränkung der Arbeitsstunden in den Fabriken und Werkstättten wieder aufhebt/ tritt nun unverzüglich in Wirksamkeit. Auch beginnt man in den Strafhäusern, wo die provisorische Regierung die Arbeit untersagt hatte, wieder die früheren Beschäftigungen. Die Erfahrung hat eben gelehrt, daß unmittelbar nach der Verkündung der Republik sehr viele unzweckmäßige Verordnungen erlassen wurden, und daß man sich nun nicht scheut, diese wieder aufzuheben, findet allgemeine Anerkennnug. Der größere Theil des Alpenheeres hat sich im Laufe dieser Woche in Lyon koncenlrirt. Aus Belfort sind vor einigen Tagen starke Pulversendungen für die Armee im südlichen Frankreich abgegangen. Man ist im höchsten Grade gespannt darauf, welches Verfahren die Regierung in der nächsten Zeit, den italienischen Angelegenheiten gegenüber, einschlagen wird. Von ihm hängt vielleicht die Erhaltung des Weltfriedens im Allgemeinen ab. — Gestern fanden in den meisten Gemeinden Trauergottesdienste für die Opfer, welche in Paris der Ordnung und der Freiheit ihr Leben gewidmet, statt.
Es heißt, der Conseilpräsident Cavaignac wolle den Bclagerungsstand von Paris erst nach Beendigung des Prozesses sammtlicher bei dem Jnniaufstande compromittirten Individuen aufheben; Paris würde sich also noch länger als 3 Monate im Belagerungsstande befinden. Noch täglich finden zahlreiche Haussuchungen und Verhaftungen statt.
Rußland.
Petersburg. Die Cholera wüthet hier bereits sehr arg; von 1500 Kranken starben 1000 kaum zwei Stunden nach dem Anfall.
Miszellen.
Erzherzog Johann.
(Schluß.)
Der Gedanke der Volksbewaffnung wornach fest der Ruf des Verlangens durch ganz Deutschland tönt, lebte bereits zu Anfang dieses Jahrhunderts in ihm und er verwirklichte denselben in jenen Alpenländern, in denen er frühzeitig mit besonderer Liebe weilte, weil er darin kerngesundes Volk fand, wie das Volk in ihm seinen Freund, seines Gleichen erkannte. Immer wieder zog ihn das Herz von den Schlachtfeldern in die Alvcnthäler, den Schmerz und die Entrüstung, daß fremde Fehler seine kühnsten Pläne vereitelten, suchte er dann in den Armen der Wissenschaft und des Volkes zu vergessen. Inmitten eines Negierungsspstems wie das Metternich'sche, während dessen er mn seines Freisinns, um seines Scharfblicks, um seiner Volksbeliebtheit willen am Kaiserhofe nicht erscheinen konnte, nicht erscheinen wollte, in einer Zeit, da der begünstigte und allgewaltige Jesuitismus die Staatskunst beherrschte, die Presse fesselte, die Schulen zu Anstalten der Verdummung mißbrauchte, — waltete
Erzherzog Johann in seinem schönen Steiermark als achter Mann des Volks, mit großartigem Sinn und unermüdlichem Fleiß die Bodenkultur, die Kenntnisse der Geschichte, den Anbau aller Wissenschaften, welche den Menschen wahrhaft zum Menschen machen, fördernd. Volksaufklärung und Humanität ausbreitend, wo und wie er es irgend vermochte. Wie er sich die Gattin nicht aus einem Fürstenhause geholt, sondern aus dem Volk, — so war er auch in keinem Fürftcn- schloß zu finden, sondern in seinem einfachen Brandhof oder in jeder Hütte, wo er rathcn und helfen konnte, in seinem lodenen Rock und mit dem Jägerhut auf dem Kopf, mit den treuen Augen und dem biederen Herzen. Dennoch hat er in seinem stillen Wirkungskreise die höchsten Fragen der Völker und Staaten nicht vergessen ; fortgeschritten ist er im Geiste mit der großen Bewegung der deutschen Nation und die Gefahren, die kommen würden, vorausgeschaut, die Mittel zur Rettung vorerwogen. Als in Wien die Stunde der Entscheidung schlug, da stand er plözlich voll jugendlicher Kraft an der Schwelle und rief dem langjährigen Feinde und Verräther des Vaterlandes das Wort der Wahrheit das Wort der Vernichtung zu. Berufen an seines kaiserlichen Oheims Stelle den verfassunggebenden Reichstag der östreichischen Völker zu eröffnen, geht er ernst- freuvig ans Werk; kaum ist jener Ruf nach Wien an ihn ergangen, so tönt die stimme vom Main an die Donau hin, — seit dem Erlöschen des deutschen Kaiserthums zum ersten Mal wieder die Stimme des deutschen Volks an den Bruder veS lezten deutschen Kaisers, Verweser zu werden eines neuen deutschen Reichs. Wahrlich: die Stimme hat den rechten Mann genannt, den Mann des Volks, den, dem die Freiheit, die Macht und rie Ehre Deutschlands kein leerer Schall ist, und der da fühlt, was es bedeuten will, am Abend eines dem Wohl des Volkes geweihten Lebens, am Stamme der deutschen Eiche als deren treuer Wächter zu stehen.
Man lies't in der Leipziger Modenztg.L Es kommt allmälig Alles an den Tag, auch wie manche Leute zur Gewalt gelangen. Viele wunderten sich, daß Cre- mieur, ein nicht sehr bedeutender Advokat, nach der Revolution in Paris Mitglied der provisorischen. Regierung geworden. Jezt erfährt man, wie es zuging. In der stürmischen Sizung der Deputirtenkammer am 24. Febr. wurden die Namen Derjenigen, welche die provisorische Regierung bilden sollten, mit Bleistift auf ein Blatt Papier geschrieben und Lamartine selbst versuchte es dreimal, die Ruhe herzustellcn und jene Namen vorzulesen; vergebens! der Präsident handhabte seine Klingel energisch, Ledru-Rollin strengte seine Lungen so sehr als möglich an, er konnte nicht durihdringen. Da erinnerte man sich, daß von allen Stimmen in der Kammer die gefürchtetste immer die des Hrn. Cremieur gewesen und daß manche Deputirte immer ein wenig Baumwolle bei sich trügen, um gesichert zu sepn, wenn etwa Cremieur auftreten sollte. »Sie sind im Stande durchzudringen," sagte also Jemand zu ihm, »lesen Sie die Namen da vor.» Cremieur zeigte sich sofort bereitwillig, stieg auf das vor ihm stehende Pult und begann. Es wurde wirklich still und er las die von Lamartine zusammengestellten Namen vor. Jeder Name wurde namentlich von den Galerien herab mit lautem Jubel begrüßt. Mit einem Male hielt Cremieur einen Augenblick inne und hielt das Papier nahe an das Gesicht, als könne er den nächstfolgenden Namen nicht recht lesen. Es war der Name Cormcnin's, aber Cremieur schob keck dafür den — seinigen unter und Mvklamirte sich somit selbst mit seiner Stentorstimme zum Minister. Man denke sich die Bestürzung Derer, welche die Liste zusammengestellt hatten. Gleichwohl war das Geschehene nicht ungeschehen zu machen. Der Name Cremieur war von den Gallerten mit so großem Beifall begrüßt worden, als die andern, und unmöglich konnte Jemand auftreten und den Borlesenden auf der Stelle Anklagen, er habe sich einer Täuschung schuldig gemacht.
Redigirt, gedruckt und verlegt von C. Me eh in Neuenbürg.