„Ich war noch nicht so glücklich," versezte Mylady, „allein ich brauche auch nicht erst zu wissen, wer sie ist, sondern möchte nur wissen, ob Sie keinen Korb zu fürchten haben, falls Sie sic heirathen wollten?"
„Ich glaube kaum," versezte Paddy mit einem tiefen Seufzer; „indeß hätte ich es längst schon versucht, wenn ich nicht so arm wäre."
„So zeigen Sie wohl große Lust, reich zu werden?" fragte Lady L... „Was denken Sie wohl, wenn ich Ihnen den Vorschlag mache, etwa mich selbst zu heirathen?"
«Ei Du gerechter Himmel!" rief der Barbier, „Mylady geruhen ein Späßchen mit mir zu treiben; wie könnte ich nur hoffen...."
«Es ist mein voller Ernst," fuhr Lady L...fort; „wenn Sie mich heirathen wollen, Mr. Paddy, so brauchen Sie nur hier ja zu sagen, und schon morgen werden Sie mein Gatte und bekommen 1000 Pfund noch obendrein."
Paddy wußte sich vor Freuden nicht zu fassen und glaubte kaum seinen Augen und Ohren trauen zu dürfen. Lady L...jedoch schien ganz im Ernste zu reden, und sezte nach einer Weile noch hinzu:
„Ich knüpfe aber noch Bedingungen daran, mein bester Mr. Paddy; nach dem ersten Tage unserer Heirath müssen wir uns trennen und Sie dürfen mich weder Wiedersehen noch als Ihre Gattin reklamiren."
„Das ist eine sehr unangenehme Bedingung!;" erwiderte Paddy, der bereits einen ganz unbesonnenen Blick auf Mylady geworfen hatte.
„Denken Sie nur an Katharina O'Reilly; mit dem Eelde, das Sie von mir erhalten, können Sie ja leicht Ihr Schäzchen heirathen, ohne sich vor Vielweiberei zu fürchten, denn ich werde nie Einsprache dagegen erheben. Nur müssen Sie stets im Auge behalten, daß Sie mir mit einem Eide geloben müssen, mich von übermorgen an nie wieder Ihre Gattin zu nennen und nie gegen irgend Wen ein Wort von unserer Heirath verlauten zu lassen. Wollen Sie so, so erhalten Sie hier 10 Pfund, um sich eine Heirathserlaubniß zu verschaffen, und das Uebrige soll alsdann meine Sorge seyn." —
Paddy that mit Erfolg die nöthigen Schritte, und fand sich pünktlich am andern Morgen bei seiner Braut ein, woselbst schon zwei Herren gegenwärtig waren.
„Haben Sie Ihren Erlaubnißschein, Mr. Philan?" fragte ihn die Lady.
Paddy bejahte und übergab das Papier seiner Braut; diese las es aufmerksam, ließ alsdann zwei ihrer Domestiken hereintreten, übergab die Urkunde einem der fremden Herren, der sic ebenfalls genau prüfte, und sagte alsdann zu ihm:
„Nun, mein Herr, da alle Vorbereitungen getroffen sind, mögen Sie ohne Verzug die Ceremonie vollziehen."
Zehn Minuten später war der Irländer Paddy Philan, der Barbier des Londoner Schuldgefängnisscs, der legitime Gatte der schönen liebenswürdigen Lady L.., Als die Trauung vollzogen war, reichte Mylady ihrem Gatten die Hand, der sie respektvoll an seine Lippen zog und einen zärtlichen Kuß darauf drückte; alsdann bat sie den Herrn, der die Ceremonie vollzogen hatte, ihr eine Urkunde über ihre Verheirathung auszustellen.
Der alte Herr vertauschte mit einem tiefen Bückling die Urkunde gegen eine Banknote von 5 Pfund, die ihm die Dame einhändigte, und entfernte sich daun sammt seinem Küster; denn wir hätten beinahe vergessen zu sagen, daß der Herr, der die Trauung vollzogen hatte, nicht mehr und nicht weniger war als ein Geistlicher der englischen Hochkirche.
Lady L... befahl hierauf einem ihrer Diener, den Schließer des Gefängnisses herbeizuholen, und redete diesen, der dem Rufe ungesäumt Folge geleistet hatte, mit den lieblichsten Schmeicheltönen folgendermaßen an:
„Ich ersuche Sie, werther Sir, mir gefälligst einen Miethwagen herbeischaffen zu lassen, da ich auf der Stelle das Gefängniß zu verlassen gedenke."
„Das müssen Sie sich aus dem Sinne schlagen, Mylady," versezte der Schließer. „Sie scheinen ganz vergessen zu haben, daß Sie mir erst 40,000 Pfund einhändigen müssen, bevor ich Sie von hier entlassen darf."
„Das ist nun nicht mehr nöthig, Sir," versezte Lady L... „ich bin nun verheirathet, und Sie mögen sich, wenn sie das Interesse meiner Gläubiger so warm vertreten wollen, fortan an meinen Gatten halten, der hier steht," sezte sie hinzu, indem sie mit einem anmu- thigen Lächeln dem guten Mr. Philan zunickte, welchen die Wendung, die die Sache jezt nahm, sehr verduzt machte. „Hier ist meine Trauungsurkunde und hier steht mein Gatte; thun Sie jezt, was Ihres Amtes ist; wenn Sie mich noch eine Minute länger aufhalten, werde ich Sie für jeden Verzug gerichtlich belangen."
Der Schließer war nicht weniger betroffen als der arme Barbier, dem beinahe das Wasser in die Augen trat. Da inzwisch n die beiden Diener der Lady die vollzogene Trauung bezeugen konnten und die Urkunde in aller Form abgekaßt war, mußte der Schließer zum bösen Spiel gute Miene machen, die Lady frei lassen und sich der Person des ehrenwerthen Herrn Paddy Philan versichern, der sich am Ende mit wahrer Schafsgeduld in das Unvermeidliche ergab und wegen einer runden Summe von 40,000 Pfund fortan im Gefängniß bleiben mußte.