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Länder Lyons kostbare Stoffe führend, mühsam durch das drängende Gewühl sich Bahn brachen, glänzende Karossen mit reichen Banquicrs oder hohen Staats- Beamten einherbraufien, kurz, wo sich früher die ganze südliche Lebendigkeit einer so reichen Handelsstadt zeigte, da sah man jezt nur einzelne eilig einhergehende Leute, Furcht und Besorgniß der zu erwartenden Dinge in den bleichen Gesichtern. Geschloffen waren die zahl­reichen, großen Fabriken, Lyons Lebensadern, statt der emsigen Geschäftigkeit Hunderter von Arbeitern, und dem Getreide der schnaubenden Dampfmaschinen, welches früher die weiten, ungeheuren Säle anfüllte, gingen nun die ängstlich besorgten Bcsizer derselben einsam in ihnen herum und trafen Anstalten, die werthvollen Vor- räthe und Maschinen, so gut Zeit und Raum cs erlaubte, vor kommender Zerstörung zu sichern, wenige alte und treue Arbeiter des Hauses halfen nur dabei, der größere, und namentlich der jüngere Theil derselben, war fern.

Nur in den Schenken und nicdern Wirthshäusern, wie auf den freien Mätzen vor denselben, größtentheils ziemlich nahe an einander gelegen, hauste eine Menge, deren Getöse und Gelärme stark vor der üdr gen Stille in der Stadt abwich. Zahlreiche Haufen arbeitsloser Fabrikarbeiter, untermischt mit Lastträgern, Schiffcr- knechtcn und ähnlichen Menschen aus der Hefe des Volks, größtentheils schon stark von Wein und wildem Geschrei berauscht, oder wenigstens noch im Begriff cs zu thun, wie die zahlreichen Flaschen und Weinfäßer in ihren Händen zeigten, standen dichtgedrängt um einzelne Tische und Bänke, von denen Mitglieder der revolutionären Gesellschaften, meistens junge Studenten oder Journali­sten, donnernde Reden gegen König, Monarchie, Ver­fassung, kurz gegen die ganze bestehende Ordnung in Frankreich hielten, und je heftiger und pöbelhafter der Redner wurde, je kräftiger er zum Aufstande und Auf­ruhr anseuerte, desto wilderen Beifall jauchzte ihm die betrunkene Masse zu. Aufrührerische Lieder der frechsten Art wurden im gräulichen Chor gebrüllt, den Tod für die Befreiung des Vaterlandes von Tyrannenherrschaft zu sterben, von kaum vor Trunkenheit auf den Füßen noch Stehenden mit lallender Zunge geschworen; Flinten, Piken, Waffen jeder nur möglichen Art eiligst von allen Seiten in Masse herbeigeschleppt und unter die gierig darnach greifenden Menschen vertheilt, der Aufstand, der in Lyon bald toben sollte, aufs Kräftigste vorbereitet.

Aber auch die bewaffnete Macht rüstete sich zum blutigen Kampfe gegen den fanatischen Haufen. Die Gewehre vor sich in Pyramiden ausgestellt, lagerten vor den öffent­lichen Gebäuden und auf den Hauptpläzen größere und kleinere Posten von Infanterie, zum Schuz und Ver-

theidigung derselben aufgefahren waren an einigen Punk­ten scharfgeladene Gcschüze, die Kanoniere mit bren­nenden Lunten, stumm und ernst daneben auf- und nieder­schreitend, Hufschläge von Kavallerie-Patrouillen schall­ten laut auf den stillen Gaffen und lockten wohl hier und da einen schönen Mädchenkopf an die dicht verhangenen Fenster, flüchtig die stattlichen Reiter zu schauen. Ver­sammelt waren die übrigen Truppen in ihren Kasernen, emsige Geschäftigkeit herrschte in denselben. Adjutanten und Ordonnanzen brachten und nahmen Befehle, Kugel­patronen wurden in schneller Ordnung vertheilt, scharfe Steine in die Flintenhähne geschroben, fluchende Ka­valleristen sattelten sorgsam die wiehernden Pferde, Ka­noniere schirrten die Gespanne an die Geschüze: Volk wie Truppen waren bereit zum Bürgerkampfe!

Ein junger Mann, in dem ungefähren Alter von 28 bis 30 Jahren, ging eilig durch eine der Hauptstraßen Lyons; sah scheu umher, ob er auch bemerkt würde, und schlüpfte dann rasch in ein ziemlich anständiges Haus derselben. Gekleidet war er in der vollen Uniform eines ESca« dronchefs von einem Dragoner-Regimente. Vortheilhast zeigte das enge, grüne Kollet die schlanke und toch kräf­tige Figur, und der blizendeZHelm mit herunterhängen­dem Roßschweife saß gar keck auf dem lockigen Haupte-

Jst Deine Gebieterin allein zu Hause und kann ich ungestört sie sprechen, schöne Georgette?" fragteer hastig eine nwdliche Kammerzofe, die sein Kommen auf die Hausflur gelockt hatte, indem er den Schweiß des eili­gen Ganges von seinem Gesichte abtrocknete und den schweren Helm vom Kopfe nahm, die schwarzen Locken in Eile zu ordnen.

Ja, Herr Vicomte," sprach diese schalkhaft lächelnd, oben in ihrem Boudoir weilt mein Fräulein, schon den ganzen Tag in träumender Einsamkeit ihren Gedanken nachhängeno und Ihr Kommen wird sicherlich dazu dienen, sie aufzuheitern. Von Herrn Durand haben Sie auch keine Störung zu besorgen, denn schon seit frühem Morgen ist er außer dem Hause und wird schwerlich vor spät in der Nacht, dasselbe wieder betreten, denn eilig und auf viele verwickelte Geschäfte deutend warsein Wesen heute früh."

Dank Dir, liebes Mädchen, für Deine Nachricht, hier dicß zum Lohne dafür," und eine Börse fiel in ihre niedliche Hand, und während sie erröthend dafür dankte, stürmte der Vicomte schon die Treppe hinaufzu der Theu­ern.

In einem zierlich geschmückten Kabinet, dessen ganze Einrichtung von dem geläuterten Geschmacke und der edlen Weiblichkeit seiner Besizerin zeugte, saß in trüben Ge­danken versunken Leonie Durand. Bleich vor Schmerz und Kummer waren die feinen, wunderlieblichen Züge