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Miszellen
Die gefahrvolle Probe.
(Fortsezung.)
Da ich durch seine Maske hindurch wahrnahm, daß seine Wangen glüheten, und seine Augen mit Blut unterlaufen waren, so machte ich von der mir crtheiltcn Erlaubniß so nachdrücklich und so rücksichtslos Gebrauch, daß ich ihn schnell hinter einander dreimal mit der Spize meines Rappiers berührte.
„Bravo!" schrie er. „Jezt bin ich an der Reihe. Ha! getroffen! getroffen!"
Er hatte mich berührt. Ich versezte ihm nunmehr in schneller Aufeinanderfolge vier Stöße und erhielt blos einen dagegen.
„Hurrah!" rief er aus, höchst erfreut und mit dem Fuße stampfend. „Rodna, haben Sie cS gesehen? zwei gegen seine sieben."
/,Zwei gegen zehn, Ihre Hoheit!" wiederholte ich, hart auf ihn eindringend. „Acht—Neun — Zehn! Jezt sind wir quitt."
„Gut! gut!" sprach Constantinbeifällig, „sehrgut! allein das ist noch nicht Alles. Der Degen reicht nicht aus, taugt nicht für den Reiter, bedarf des Säbels. Getrauen Sie sich wohl, es zu Fuße mit einem berittenen Lancier aufzunehmen? einen Lanzenstoß zu pari- ren? He?
„Ich denke wohl, Ihre Hoheit."
„So, denken! nicht gewiß sein —he? —
„Verzeihen Ihre Hoheit, ich zweifle nicht daran."
„Lubenski! Lubenski!" rief jezt abermals der Großfürst mit lauter Stimme.
Der Offizier erschien.
„Eine Lanze und ein Pferd! ein Pferd! eine Lanze! Sacre! Schnell! schnell!
„Aber Ihre Hoheit—," unterbrach ich ihn. Ha!" von» avor xeur (Sie fürchten sich)?"
„Ich fürchte mich nicht, aber als Gegner Ihrer Hoheit fühle ich ein gleich großes Widerstreben, Sieger oder Besiegter zu sein."
„Nichts als Unsinn und Schmeichelei! Die erste Probe war ein Meisterstück. Nun zur zweiten!"
In diesem Augenblick erschien der Offizier vor den Fenstern, ein Pferd führend und eine Lanze in der Hand.
„Wohlan denn!" rief Constantin aus, als er aus dem Zimmer eilte und mir ein Zeichen, ihm zu folgen, machte. „Geben Sie ihm einen guten Säbel, Lubenski; und jezt, Herr Fechtmeister, sehen Sie sich vor ich Sie nicht wie einen Frosch anspieße."
Dies sagend schwang sich Constantin auf sein Pferd, welches von ächt tatarischer Abstammung war, mit nem Schweif, der den Boden fegte, und einer Mähne,
wie die eines Löwen. Mit merkwürdiger Geschicklichkeit ließ er das Pferd die schwierigsten Touren machen und führte dabei zugleich verschiedene Paraden mit der Lanze aus.
„Fertig?" rief er mir gleich darauf zu, sich gegen mich wendend.
"Fertig, Ihre Hoheit," war meine Antwort.
Er gab se.nem Pferde die Sporen und galoppirte nach dem andern Ende der Allee.
„Gewiß ist dies Alles nur ein Scherz?" sagte ich zu General Rodna."
„Keineswegs!" erwiederte dieser, weder Ihr Leben, oder gewinnen
„Sie verlieren ent- die gewünschte An
stellung. Bertheidigen Sie sich, als wären Sie auf dem Schlachtfeld."
Ich sah jezt wohl, daß die Sache eine ernstere Wendung nahm, als ich erwartet hatte. Hätte ich kein Bedenken getragen, Streich mit Streich zu erwiedern, so würde ich nicht das geringste Unbehagen gefühlt haben, aber in die Nothwendigkeit versezt, mich eines scharf geschliffenen Säbels mit Vorsicht und Mäßigung zu bedienen, während ich den Lanzenstößcn eines rücksichtslosen Gegners ausgesezt war, hatte ich guten Grund, das Schlimmste von der bevorstehenden Partie für mich zu befürchten. Es war jedoch zu spät, zurückzutreten. Ich rief alle meine Kaltblütigkeit und Geschicklichkeit zu Hülfe und bereitete mich zum Empfange des Großfürsten vor, der bereits das Ende der Allee erreicht hatte und sein Pferd wendete. Troz dem, was mir Rodna eben gesagt hatte, hoffte ich noch immer, daß Constantin bloS scherze, allein als ich ihn die Lanze einlegen und sein Pferd zum Galopp anspornen sah, merkte ich wohl, daß ich mein Leben zu vertheidigen hätte. Das Pferd brauste in vollem Galopp daher, und der Großfürst hatte sich aus den Rücken desselben nicdergeschmiegt, so daß ihn die gewaltige Mähne fast ganz verbarg und man nur den obern Theil seines Kopfes zwischen den Ohren des Thieres hervorragen sah. Als er mich erreichte, stieß er mir gerade nach der Brust, allein ich parirte seinen Stoß aus, und sprang zugleich auf die Seite, so daß Roß und Reiter, durch ihren eignen Ungestüm fortgerissen, an mir vorbeischossen, ohne mir eine Verlezung zuzufügen. Als Constantin sah, daß er sein Ziel verfehlt, brachte er sein Pferd Plözlich mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit zum Stehen und rief mir zu: „Sehr gut! sehr gut! wch einmal so!" Und ohne mir Zeit zu einem Ein- oder einer Bemerkung zu geben, ritt er wieder Ende der Allee zurück, nahm den nöthigen An- und als er mich abermals gefragt, wiederholte er seinen Angriff mit noch größerem Ungestüm als zu-
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