^ 27.
Amts- und NnzrigeblaLL für den Bezirk Calw.
72. IahrMß.
Srschrint DiinitagS, D»nn er»tagS uni, S-witaaS. Die Einrückungigebühr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung s Psg. die Zeile, weiter entsernt ir Pjg.
Donnerstag» den 4. März 1897.
Vierteljährlicher LbonnementSpreir in der Stadt Mk. 1. LG in» Hau« gebracht, Mt. 1, 15 durch die Post bezogen i« Bezirk» Äußer Bezirk Mk. 1 . SS.
Amtliche Nekanvtmachnnge«.
Bekanntmachung.
Die unter'm 3. Dezember vor. I. ergangene und unter'm 1. Februar d. I. bis auf Weiteres noch aufrecht erhaltene Anordnung, daß Rindvieh- und Schweinetransporte, welche von Händlern aus den Bezirken Leonbsrg, Neuenbürg, Nagold, Herrenberg, Böblingen, Horb und Freudenstadt sowie aus Baden in den Bezirk Calw eingeführt werden, auf die Dauer von 7 Tagen unter polizeiliche Beobachtung zu stellen seien, ist heute wieder zurückgenommen worden, was hiemit bekannt gemacht wird.
Calw, den 3. März 1897.
K. Oberamt.
Gottert, Amtm.
Tagesneuigkeiten.
Calw, 3. März. Der CarneoalS-Umzug der hies. Höheren Handelsschule welcher gestern nachmittag stattfand, war in seinem Arrangement eine wirkliche Musterleistung. Schon am Vorabend waren in verschiedenen Stadtteilen Posten ausgestellt worden, welche den Einzug des Prinzen melden sollten. Von Zeit zu Zeit wurden dieselben abgelöst oder revidiert, wodurch das Interesse unter Alt und Jung in der Einwohnerschaft sich bald zu regen begann. Leider hatte der schon vormittags eingetretene Regen die Straßen für solche Zwecke recht ungeeignet gemacht, wodurch der Humor unter den jungen Leuten einigermaßen Einbuße erlitt. Punkt 2 Uhr wurde Prinz Earneval mit seiner hohen Gemahlin von den beiden Herren „Geh. Kommerzienräten Lamey" mit dem Musikkorps vom Bahnhof abgeholt und in prächtig geschmücktem Galawagen in die Stadt und zur Handelsschule begleitet. Von dort aus entwickelte sich auch alsbald der Zug. Voraus jagten in buntesten Coftümen 8 Harlekins, welche in möglichst spektakulöser Weise Platz schufen. Ihnen folgte die bis dato noch unbekannte
Standarte der Handelsschule und das Musikkorps in der kleidsamen Tracht der Garde Friedrichs des Großen. Der Tambourmajor, welcher das Corps mit Geschicklichkeit und Schneid anführte, war ein Handelsschüler. Und nun kam in hochaufgebautem, wahrhaft pompös ausgestattetem Wagen das Creme der Gesellschaft, Se. mit Narrethei behaftete Hoheit der Prinz Carneval selbst mit hoher Gemahlin und dem ganzen sogen. Hofstaat. In ihrem Gefolge befand sich König Gambrinus mit Genossen, welche dem Gerstensaft recht wirksam zusprachen. Hinter dieser farbenprächtigen Gruppe marschierten Landsknechte, geführt von einem Oberst. Die nächste Abteilung bildete den Kaufmannszug. Wieder angeführt von 8 Harlekins, folgte der Handelswagen mit dem Gott . Merkur und 5 weiblichen Gestalten (selbstredend lauter Handelsschüler), welche die 5 Erdteile darstellten. Diese Darstellung durfte als eine der besten und gediegensten bezeichnet werden. Auf dem nächsten Wagen war eine Gruppe „der Tauschhandel* plaziert, versinnbildlicht durch Vertreter aller Nationen. Es folgten der Geldwechslerwagen, ein Frachtwagen mit der Aufschrift „Bon Augsburg nach Venedig*, ein Schiffswagen mit „Columbus*, dem Entdecker Amerikas. Das Schiff war mit Matrosen stark besetzt und an der Seite des Wagens schritten Indianer. Di« Calwer Handels« compagn'e selig, war ebenfalls im Zuge vertreten, 6 Mann in der damaligen Tracht begleiteten einen etwas dürftig belasteten Frachtwagen. Der„Thurn- und Taxis'sche Postwagen* war zwar nur eine gelb angestrichene Kutsche, zeigte uns aber sicherlich das älteste Vthikel, das in dieser Art noch existiert. Nun folgte der Galawagen der „Geheimen Commerzienräte, Gebrüder Lamey". Beide Chef's grüßten unablässig in ceremonieller Weise. Der nächste Wagen enthielt das 2 Quadratmeter große Hauptbuch der Firma. Der Comptoirwagen führte das zahlreiche Personal, das an den Pulten beschäftigt war, aber unter den Stößen des Wagens Leibschmerzen zu empfinden schien. Die „Reclame*, ohne
welche ein Geschäft heutzutage nicht mehr groß zu werden vermag, war durch einen Möbelwagen versinnbildlicht, der mit zahllosen Plakaten beklebt war. Den Schluß bildete der Wagen mit elektrischem Licht zum „leuchtenden Vorbild der Stadtväter Calw's.* Es gab aber nichts vorzuleuchten; das tückige Straßenpflaster, das solchen Neuerungen abhold zu sein scheint, hatte die notwendigen-Ingredienzien frühzeitig verspritzt. — Die Ausstattung des Zugs war eine vortreffliche, die Costüme zumeist neu, so daß das Auge mit Wohlgefallen auf jeder einzelnen Gruppe ruhte. Es darf daher den Veranstaltern rückhaltsloses Lob ausgesprochen werden. Auch die hiesigen an der Ausstattung Mitwirkenden, die Decorateure E. Wid» maier, Gärtner Mayer» die Maler Jäger und Weil, sowie der vielbegehrte Friseur, Hr. Bayer, verdienen volle Anerkennung für ihre Bethätigung von Geschmack und Geschick. Am Abend fand Bankett im Dreiß'schen Saale statt. Hiebei entwickelte sich ein Leben und Treiben, das den „verkommensten* Hypochonder wieder zu Stimmung gebracht hätte. Eine Reihe humorvoller Reden und Toaste trugen zur Erheiterung wesentlich bei. Hr. Häußler toastete auf den Vorstand der Handelsschule und alle Mitwirkenden, Hr. Direktor Spöhrer auf das Comits, das die Veranstaltung in Händen hatte und welchem das meiste Verdienst an dem Gelingen gebühre. Einen auf die hies. Bürgerschaft ausgebrachten Toast erwiderte Hr. Kaufmann Haag von hier, indem er heroorhob, daß die Einwohnerschaft dem Emporblühen der Handelsschule mit freudigem Interesse gefolgt sei und den Wert ihrer Prosperität wohl zu ermessen vermöge. Hr. Pflügerz. Adler stellte sich als eben zugereister Handwerksbursche vor, dem die Gelegenheü, eine« Carnevalszug der Handelsschule zu sehen, sehr willkommen gewesen. Er schilderte in humorvoller poetischer Weise die ihm gewordenen Eindrücke. Um 10 Uhr verabschiedete Hr. Direktor Spöhrer die jugendliche» Teilnehmer, denen der Tag nun doch lange genug gewesen sein dürste und kündigte den Schulbeginn auf den kommenden Tag statt um 7, um 9 Uhr an.
Iseiritketorr.
I r r t ö m e r.
Erzählung von F. Arnefeldt.
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(Fortsetzung.)
„Auch Du unterlagst einem fremden Einflüsse, mein Sohn," siel der Baron ein; aber Bodo ließ diese Entschuldigung nicht gelten. „Ein Mann sollte durch keines Menschen Augen sehen, als durch die seinigen, und der Rittmeister von Warnbeck hätte mich nicht täuschen können, wenn ich nicht selbst befangen gewesen wäre. Genügt Ihnen diese Erklärung, Herr Doktor?"
„Sie genügt mir," erwiderte Bodmer, und beide reichten einander die Hände; der Druck war aber kühl, es lag doch noch manches Unausgesprochene zwischen ihnen.
Desto herzlicher war der Baron. „Ein klein wenig Schuld an dem unseligen Mißverständnis tragen aber auch Sie, lieber Bodmer," begann er wieder. „Ihre seltsaiye, unerklärliche Flucht! Was veranlaßt« Sie nur dazu?"
„Sollte nicht in den Mitteilungen, welche Adelheid dem Rittmeister gemacht, der Schlüssel dazu liegen?" bemerkte der Lieutenant.
„Fräulein Adelheid hat ihrem Verlobten noch andere Mitteilungen gemacht, als in dem Briefe enthalten sind, den man mir soeben vorgelegt hat?" fragte Bodmer, und sein ohnehin bleiches Gesicht nahm jetzt eine Farbe an, daß der Baron ihn erschrocken am Arm «.'griff und sagte: „Setzen wir uns, lieber Doktor,
ich sehe. Sie sind tief erschüttert. Wollen wir, was wir einander zu sagen haben, nicht auf eine andere Stunde verschieben?"
Gotthold war auf das Sofa gesunken und saß dort schweratmend und mit geschloffenen Augen ; der Baron hatte ihm gegenüber auf einem Stuhl Platz genommen; der Lieutenant war wieder in die Fensternische zurückgetreten.
„Kein Aufschub!" sagte nach Verlauf mehrerer Minuten sich aufrichtcnd der Doktor. „Lassen Sie es jetzt sogleich klar zwischen uns werden, Herr Baron k Was hat Ihre Tochter ihrem Verlobten geschrieben?"
„Sie könne seine Gattin nicht werden, weil sie einen andern Mann liebe, und habe sich mit ihm nur verlobt aus Verzweiflung darüber, weil dieser Mann ihre Liebe verschmähte," sagte der Baron mit müder, gebrochener Stimme.- „Und dieser Mann —"
„War ich !* gestand Bodmer, als Herr von Letten innehielt und ihn forschend anblickte, mit gesenkter Stirn. „Herr Baron, hätten Sie nicht diese traurige Thatsachen auf anderem Wege erfahren, nie würde ich sie zugegeben haben, nie hätte ich sie vor Gericht ausgesprochen. Manche Dunkelheiten, manche Widersprüche in meinen Aussagen, wie in meiner Handlungsweise, lassen sich auf diese» Umstand zurückführen."
„Sie haben gehandelt wie ein Ehrenmann," sagte der Baron, ihm warvr die Hand drückend. „Nun aber lassen Sie jede Rücksicht schwinden und spreche» Sie, nicht als ob Sie von sich, sondern von einem andern erzählten."
„Sie haben mich mit so viel Güte in Ihren Familienkreis ausgenommen, Herr Baron," begann Bodmer, „daß ich es als etwas Natürliches, Selbstverständliches hinnahm, daß auch Fräulein Adelheid nach ihrer Rückkehr aus des