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Verhältnissen aus, wobei er den Bund der Landwirte in Eimmozheim als ein Unding bezeichnete, indem hier kaum zehn Landwirte Getreide verkaufen könnten (!?) und durch die Bestrebungen des Bundes der Landwirte blos das Mehl u. s. w. verteuert werde; wenn den norddeutschen Junkern ihre Frucht nicht teuer genug sei, sollen sie dieselbe ihrem Vieh füttern, da komme noch etwas heraus. Ueberhaupt seien die Interessen und Verhältnisse der norddeutschen Landwirte mit den unsripen nicht zu vergleichen. Was ferner die Steuern betreffe, so müsse Handel, Gewerbe und Industrie ebenfalls große Summen aufbringcn, nicht blos die Landwirtschaft. Die Einfuhr von Zi beben zur Mostbereitung, (welche Vorredner kurz gestreift hatte) halte er für eine große Wohlthat, indem man sich dadurch einen guten, billigen Haustrunk verschaffen könne. — Als nun Vorredner mit großer Sachkenntnis und Gewandtheit fragliche Punkte widerlegte, wurde demselben der Vorwurf gemacht, er habe es darauf abgesehen durch gewisse Schlagwoite die Lacher auf seine Seite zu bringen, ihm als geübten Wanderredner, welcher seine Diäten cinstccke, falle dies natürlich nicht schwer. Hr. Körner wies diesen Vorwurf mit Entrüstung zurück mit dem Bemerken, daß solches ihm noch in keiner Versammlung, selbst von Sozialdemokraten nicht, geboten worden sei und derartige Behauptungen erst zu beweisen wären. — Es ist nicht daran zu zweifeln, daß noch viele Landwirte in Simmozheim ihre Interessen wahrzunehmen wissen und nach und nach der dort schon bestehenden Ortsgruppe des Bundes beitreten werden, eingedenk des Sprichworts: „Einigkeit macht stark"!
Gültlingen, 3. Febr. Durch das plötzlich eingetretene Tauwetter entstand gestern hier Hochwasser. Ein großer Teil des Orts war unpassierbar. Ueber Nacht stürzte, durch einen Erdrutsch veranlaßt, das Wohngebäude der A. M. Kümmerte ein. Dis in bedeutenden Schaden gekommene arme Frau wird allgemein bedauert.
Weilderstadt. Auf Betreiben des Stadtschultheißen Beycrle bildete sich hier eins Genossenschaft zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Es soll ganz in der Nähe des Bahnhofs ein großes Gebäude erstellt werden, das einesteils als Getreidelagerhaus, andernteils als Hopfenpräparieranstalt dienen soll.
— Die „Solitude" geht am 1. Mürz c. in den Betrieb des Herrn Kirchner, Brauereibesitzeis in Eltingen b.i Leonberg, über. Derselbe hat die Staatsdomäne auf mehrere Jahre in Pacht. Bei dem anerkannten Stoff und der Tüchtigkeit des Herrn Kirchner dürfte der Besuch, zumal die für die Kurgäste eingerichteten Appartements gründlich renoviert worden sind, stetig wachsen.
Waiblingen, I. Febr. Der Sohn des Gerbers Wal; von hier, der in Ludwigsburg in Garnison war, kam an Kaisers Geburtstag mit „wildem Urlaub" hierher und trieb sich bis zum Samstag hier herum. Auf Requisition wurde er verhaftet und nach Ludwigsburg transportiert. Dort angekommen entsprang er seinem Begleiter, kam wieder hierher und wurde gestern Früh im elterlichen Hause erhängt aufgefunden.
Göppingen, 4. Febr. Wie das „Göpp.
Wbl." hört, ergab die Sektion des am Sonntag früh tot aufgefundenen jungen Münz, daß Münz offenbar im Zustande hochgradiger Betrunkenheit in bewußtlosem Zustande sich erbrechen mußte nnd an dem Erbrochenen erstickt ist. Damit fallen alle in der Stadt umlaufenden abenteuerlichen Gerüchte in sich zusammen, wenn freilich noch unaufgeklärt bleibt, wie der Tote auf das Eis der Fils, wo er gefunden wurde, gelangt ist.
Ulm, 4. Febr. Am letzten Wochenmarkt verübte ein Bauer aus dem Bayrischen auf dem hiesigen Strohmarkt einen frechen Betrug, indem er beim Abwägen seines verkauften Strohs auf der städtischen Wage 12 Säckchen Cement mitwägen ließ, die unter dem Stroh versteckt waren. Vor der Ablieferung des Strohs an den Käufer hotte er den Cement in ein Gasthaus hineinpraktiziert.
Mergentheim, 3. Febr. Zu der Korrespondenz von Mergentheim ist noch nachzutragen, daß der Musketier, der sich zu entleiben versuchte August Bentz heißt und aus Heilbronn gebürtig ist. Furcht vor Strafe, welche denselben wegen eines begangenen kleinen Diebstahls getroffen hätte, war die Ursache zu der That.
Mainz, 1. Febr. Vor der Strafkammer des Landgerichts stand heute der Zahnarzt Dr. Eugen Bernhardt unter der Anklage, durch Fahrlässigkeit den Tod seines zweijähiigen Söhnchens Alfred herbeigeführt zu haben. Erhalte in seinem Atelier eine Morphiumlösung offen stehen lassen, die das Kind getrunken hat. Der Staatsanwalt beantragte 2 Monate Gefängnis, weil der Angeklagte in grober Weise seine Pflicht vernachlässigt und den Tod des Kindes verschuldet habe. Das Urteil lautete, der „Frkf. Ztg." zulolge, auf 1 Monat Gefängnis.
— JnRorschach belustigten sich am Mittwoch einige in der Schifflistickerei „Feldmühle" onge- stellte Mädchen auf der Vorbindungsbrücke über dem Maschinenbaus mit Schneeballwerfen. Dabei kam die Frida Wetzler von Rorschach auf ein Glasdach zu stehen, brach durch und fiel mit dem Kopse so unglücklich auf den Steinboden des Maschinenhauses, daß sie sofort tot blieb.
KtrmWrs.
Der Serpollet-Wagen. In den letzten Tagen fand auf verschiedenen Strecken der württem- bergischen Staatsbahnen Probefahrten mit sogenannten „Serpollct-Wagen" statt, welche höchst günstige Resultate ergeben haben. Der Frkf. Ztg. wird üder solch eins Probefahrt von einem Teilnehmer geschrieben: Das Serpollet-System scheint geeignet, den bisher stiefmütterlich bedachten Nahverkehr zu heben. Bewährt es sich, wie nach den gemachten Proben angenommen werden darf, so werden ganz bedeutende wirlschanliche Vorteile erzielt werden. Bemerkt sei hier, daß die Serpollelwagen allerdings in Frankreich benutzt werden und sich als geeignet und leistungsfähig bewiesen haben, daß sie aber dort nur auf Straßenbahnlinien Verwendung finden. Dagegen geht Württemberg mit der Neuheit vor, diese Wagen auf den gewöhnlichen Eisenbahnlinien nach Bedarf zur Einführung zu bringen. Vom 10. Februar wird die Strecke Reutlingen-Tübingen-
Rottenburg (selbstverständlich unter Belassung der bisherigen Zugsverbindungen) mit demSerpollet- wagen ständig und fahrplanmäßig befahren werden. Der Wagen, dem nach Bedürfnis ein oder zwei gewöhnliche Personenwagen angehängt werden können, ist nach Angaben der württembergischen Generaldirektion angefertigt und zeichnet sich durch seinen freundlichen gelben und blauen Anstrich vor den düster blickenden gewöhnlichen Waggons aus. Das Innere — es ist nur eine Klasse vorgesehen — ist einfach, aber nett und die großen Seitenfenster machen den Raum nicht nur hell und luftig, sondern statten ihn auch mit den Eigenschaften eines Aussichtswagens aus. Den vordern Wagenteil nimmt — gänzlich abgeschlossen von dem Passagicrraum - die außerordentlich wenig Platz beanspruchende Maschine ein. Die Geschwindigkeit, mit der der Serpollelwagen (samt der ihm etwa anzuhängenden 1—2 Waggons) fährt, kommt der Personenzugsgeschwmdigkeit gleich: wir fuhren 40 Kilometer pro Stunde und 35 Kilometer bei entsprechender Steigung. Dagegen ist nach bisherizen Proben und Berechnungen anzunehmen — und das ist die Hauptsache — daß die Betriebskosten ganz erheblich niedriger sind, als es beim Lokomotivbetrieb der Fall ist und nur etwa ein Fünftel des leztein betragen. Wenn die sonstigen Voraussetzungen zutreffen, insbesondere wenn das System Serpollet sich technisch völlig bewährt, so ist in der Zukunft die Möglichkeit einer bedeutenden Verbilligung des Verkehrs gegeben, die gerade den vernachlässigsten Gegenden und auch den weniger bemittelten Kreisen der Bevölkerung zugute kommen wird. Gegen eine planmäßige Ausdehnung des Nahverkehrs wurde bisher die Höhe der Kosten geltend gemacht; dieses Haupthindernis würde, wenn alle Hoffnungen sich erfüllen, dann als beseitigt zu betrachten sein. Eine starke Fahrpreisermäßigung könnte stattfinden, die Zahl der Haltestellen sich erhöhen, dis Fahrgelegenheit vermehrt werden. Es ist notorisch, daß namentlich der ländlichen Bevölkerung der wirtschaftliche Nutzen der Eisenbahn heule, wo es an einem genügenden Nahverkehr fehlt, nur in geringem Maße zufließt.
Gottesdienste
am 5. Sonntag nach Epiph, 7. Februar.
Vom Turm: 204. Predigtlied: 211, „Fahre fort rc,"
9'/- Uhr: Vorm.-Predigt, Herr Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr: Abcnd- predigt, Herr Stadtpfarrer Schmid.
Mittwoch, 19. Februar.
10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.
Arettag, 12. Febr., monatl. Bußtag.
10 Uhr: Predigt im Vereinshaus, Herr Dekan
Roos.
Karrdwirtschaftl. Kezirksverem.
Zur Bekämpfung des so ungemein schädlichen Apfelblütenstechers oder Kaiwurms sollten Ende dieses Monats die Raupen leimringe wieder erneuert werden. Bestellungen auf Leim und Papier wollen daher in Bälde bei Hrn. Oberamtsbaumwart Müller hier gemacht werden. Das Pfund Leim wird auf 30 zu stehen kommen.
Calw, 5. Februar 1897.
Der Vereins-Vorstand:
Voelter, Obcramtmann.
„Das eben frag? auch ich mich ! Das ist es, was mich quält und peinigt, was mich zur Verzweiflung, zum Wahnsinn treibt!" schrie Hildegard. „Hat Gotthold, der für mich der Inbegriff alles Edlen, Wahren, Vortrefflichen war, ein falsches Spiel mit Adelheid oder mit mir oder mit uns beiden getrieben? Und ist es die Lüge, an der wir alle zu Grunde gehen?"
„Das — das glaube ich nicht van ihm," erwiderte die alte Frau zuerst schwankend, dann aber fest; „erzähle, Kind, wie alles gekommen ist."
„Adelheid und ich waren, wie Sie wissen, in Lausanne in Pension," begann Hildegard. „Sie kam vor zwei Jahren, ich ein Jahr später zurück, und ich war, seitdem Gotthold in Lettenhofeu, nur einmal in den Ferien zu Hause gewesen. Ich brauche Ihnen nicht zu schildern, was er uns allen war, und mir wurde er bald mehr — der volle, der einzige Inhalt meines Lebens; ich sah, ich dachte, ich fühlte nur durch ihn."
„Und er?" fragte die Mutter.
„Er war der liebenswürdige Freund, Ratgeber und Helfer, die Vorsehung für alle, und lange konnte ich nichts bemerken, was mich darauf hätte schließen lassen können, daß ich ihm mehr sei; im Gegenteil, es wollte mich bcdünken, daß er mir auswich und sich weit inehr mir Adelheid beschäftigte, die allerdings auch eine, ich möchte beinahe sagen gebieterische Weise hatte, seine Gesellschaft für sich in Anspruch zu nehmen, seine Dienste zu fordern.
„Während meine Schwester in Berlin war, näherten wir uns einander mehr und mehr; Gotthold mochte lange schon in meinem Herzen gelesen haben; aber kein Wort verriet mir, daß er meine Gefühle teile; er bewachte, glaube ich, jeden seiner Blicke, und dennoch, dennoch zweifelte ich nicht daran, daß er mich liebe. O, es war eine schöne, eine stille, eine selige Zeit!"
Ein glückliches Lächeln erhellte noch in der Erinnerung ihr bleiches, von. Thränen überströmtes Gesicht.
„Sie erreichte ihr Ende, als Adelheid um Weihnachten heimkehrte," fuhr Hildegard fort. „Sie war Braut, sie erschien glücklich, strahlend, übermütig, und doch hatten wir, namentlich Gotthold und ich, viel von ihren Launen zu leiden. Zuweilen behandelte sie ihn mit einem Hochmut, der mich empörte und ihr manchen Verweis von den Eltern zuzog, dann wieder nahm sie ihn für sich in Beschlag, als ob er lediglich zu ihrer Verfügung in Lettenhofen sei, und sie schien es förmlich darauf anzulegen, daß er nie mit mir allein zusammen sein, durfte; ja, er durfte nicht einmal meinen Gesang begleiten. Eben dieser Zwang bewirkte aber, was Gotthold in seiner Ehrenhaftigkeit zu vermeiden gesucht hatte. Wir gestanden einander unsere Liebe."
„Wann war das?" fragte Frau Bodmer.
„Wenige Tage vor dem unglücklichen Ereignis. Adelheid war mit den Eltern nach Falkenhorst gefahren, ich saß mit Gotthold am Klavier, wir sangen das Mendelsohn'sche Lied „Der Frühling kommt mit Brausen," und mit Brausen kam es auch über uns. Wir gestanden uns unsere Liebe, wir gelobten uns Treue für das Leben."
„Meine Tochter, meine liebe, liebe Tochter !" schluchzte Frau Bodmer, das junge Mädchen an das Herz drückend. „Aber Deine Eltern, dachtet Ihr auch an sie?"
„Wir dachten an sie und verhehlten uns nicht, daß wir Kämpfe zu bestehen haben würden," erwiderte Hildegard, aber wie bauten auf die Liebe und Achtung, deren Gotthold sich bei ihnen erfreute. Er bat mich nur um Stillschweigen bis nach Adelheids Hochzeit, am Tage darauf wollte er sich meinen Eltern entdecken..
(Fortsetzung folgt.)