^ 1 .
Amts- und Nnzrigeblatk für den Bezirk Calw. 72. Jahrgang.
Erscheint Dienstags, Donnerstags und SamStagS. Die Eirirückungsgeb'ühr beträgt im Bezirk und in nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, weiter entfernt 12 Psg.
Samstag, den 2. Januar 1897,
Vierteljährlicher AbonnementSpreiS in der Stadt Mk. 1. IS ins HanS gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Buirk. Nutzer Btzirk Mk. 1. 35.
Amtliche NeL«m«1machLSßsv.
Bekanntmachung.
Laut Mitteilung des Gr. Bezirksamts Pforz- cheim vom 28. d. M. ist die Abhaltung von Schweine- rnärkten in Pforzheim wegen Ausbreitung der Maul- imd Klauenseuche daselbst verboten worden.
Calw, den 30. Dezember 1896.
K. Oberamt.
Gottert, Amtm.
In Neujahr 1897.
Wieder ist ein Jahr dahin, wieder stehen wir mm Ziele und wieder blicken wir zurück auf den Weg, ben wir zurückgelegt haben. Wohl ist ein Jahr eine kurze Spanne Z-it im großen Laufe der Ewigkeit und doch, wie viel kann es bringen im Leben des Einzelnen und im Leben der Völker, wie viel Freude und wie viel Leid bedeutet auch das vrrfllossens, von dem. mir heute Abschied nehmen wollen. Wohl keiner -wird es ganz ohne Wehmut ziehen lassen; es ist ein Jahr seines Lebens, welches mit ihm dahin geht.
Wem eö recht viel Schönes und Gutes gebracht hat, der wird mit freudigen Tank da-auf zurückblicken und wünschen, daß das kommende nicht weniger gesegnet sein wöge; wer aber Leid und Unglück erfahren hat, der braucht deshalb nicht verzagt zu sein, sondern tm Vertrauen auf Gottes Güte wird er hoffnungsvoll dem neuen Jahre entgcgensehen, das gut machen wird, was das vergangene versäumt hat; wie auf den Regen der Sonnenschein, so folgt ja gewiß auch auf das Leid dis Freude. Die Hoffnung ist es ja, die uns auch das schwerste Leid, unter dem wir fast zu erliegen drohen, ertragen läßt. Was wäre ein Menschenleben ohne Hoffnung?
Die Hoffnung ist des Lebens Poesie,
WaS mau erreicht, ersetzt die Hoffnung nie.
Für unser Volk war das vergangene Jahr im Allgemeinen ein wohlgesegnetes. 'Don schweren Heimsuchungen, wie sie andere Völker betroffen haben, ist es verschont geblieben und in friedlicher Thätigkeit konnte eS weiter arbeiten an seiner inneren Entwicklung. Gerade das vergangene Jahr gab öfter Gelegenheit, zurückzuschauen auf das, was unser Volk einst war und was es jetzt geworden ist. Am Beginn des Jahres konnten wir ja die letzten Gedenktage an die große gewaltige Zeit feiern, die wir vor 25 Jahren erlebt haben, als die deutsche Nation sich wie ein Mann erhob, um im blutigen Ringen den übermütigen Erbfeind zu Boden zu werfen. Mit berechtigtem Stolze, mit heißem Dank an den Allmächtigen, haben wir dieser Zeit gedacht, in der es uns vergönnt war, so Herrliches zu vollbringen. Groß und gewaltig steht nun das deutsche Reich da im Rate der Völker, beherrscht vpn einem jungen thatkräftigen Kaiser, der nur das Beste seines Volkes im Auge hat, das sicherste Bollwerk des Friedens.
Im Innern unseres Vaterlandes ist leider nicht alles so, wie es sein sollte. Trotz aller Fürsorge, die der Staat den wirtschaftlich Schwachem entzege,,- bringt, ergreift die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen immer weitere Kreise der Gesellschaft, immer tiefer dringt das Gift in die Massen des Volkes ein, verbreitet von Menschen, die ihre Arbeitsscheu zu sog. Agitatoren werden ließ.
Daß vieles bei uns — so gut wie in der ganzen civilifierten Welt — anders sein könnte, und auch anders werden muß, darüber sind sich alle Verständigen, die es gut mit dem Volks meinen, einig, die besten der Nation, der Kaiser an der Spitze, sind eifrig darauf bedacht, Mittel und Wege zu finden, wie die Härten und Ungerechtigkeiten, die der heutigen Gesellschaftsordnung anhaften, beseitigt werden können, wie man die Unzufriedenheit so weit wie möglich aus der Welt befördern und ein glückliches zufriedenes Volk schaffen kann. Das ist wahrlich ein hohes Ziel
und des Schweißes der Edlen wert. Jener Verhetzung der Massen aber, die man verlockt durch Vorspiegelung glänzender Zukunftsbilder, an deren Erfüllung man selbst nicht glaubt, sollten alle Gutgesinnten mit aller Kraft entgegentreten, aller Hader der Parteien sollte schwinden und alle Nationaldenkenden sich zusammenschaaren zur Bekämpfung des gemeinsamen internationalen Feindes.
Das Beste, was das vergangene Jahr uns gebracht hat, war der Friede von außen, dessen wir uns nun 25 Jahre lang erfreuen konnten, und, so Gott will, auch das nächste Vierteljahrhundert erfreuen werden. Wenn wir den Segen desselben aber recht erkennen wollen, dann müssen wir vor allen Dingen auch im Innern den Frieden haben, ohne den eine gedeihliche Entwickelung nicht möglich ist. Leider können wir da nicht ebenso mutig in die Zukunft schauen. Im Gegenteil, wir dürfen, wenn wir ehrlich sein wollen, uns nicht verhehlen, daß uns noch schwere Kämpfe im Innern bevorstehen. Aber wir dürfen deshalb doch hoffen, daß der gesunde Sinn des Volkes mit der Zeit erkennen wird, wo man es wirklich gut mit ihm meint. Möge auch das kommende Jahr in dieser Richtung gedeihlich wirken! Das ist eS, was unserem Volke als Neujahrswunsch darzubringen ist.
Tagesneiriglreiten.
Calw. Der Gasthof z. Waldhorn in Hirsau ist von dem seitherigen Besitzer, Hrn. Bles» sing, an Hrn. Lau aus Graben, Amt Karlsruhe,' um die Summe von 33000 verkauft worden. Der Käufer zieht am 1. Februar auf.
-r. Gechingen. Die von Gechingen nach Deufringen geplante Straße ist trotz der Bemühungen des Herrn Oberamtmanns und der Gemeinde Gechingen immer noch in Frage gestellt. Die Gemeinde Deufringen sieht mehr auf die Kosten, die ihr erwachsen
Jeuirteton.
I r r t 8 m e r.
Erzählung von F. Arnefeldt.
(Fortsetzung.)
Um jede weitere Erörterung abzuschnciden, glitt sie geräuschlos aus dem Zimmer. Der Fremde drückte hinter ihr die Thür ins Schloß und überzeugte sich auch, daß die nach dem Korridor führende Thür fest zugcmacht sei. Der Doktor sah ihm jetzt mit dem Ausdruck grenzenloser Verwunderung zu.
„Werden sie mir jetzt endlich erklären, wer Sie sind, und was Sie zu diesen: mehr als sonderbaren Auftreten veranlaßt?" fragte er.
„Sollten Sie wirklich gar keine Ahnung davon haben?" versetzte der Fremde, indem etwas gleich einen: Lächeln um seine schmalen Lippen huschte. „Gar nicht übel. Sie haben sich gut in der Gewalt, Herr vr. Bodmer."
Gotthold trat ein paar Schritte zurück. „Sollte ich es mit einem Wahnsinnigen zu thun haben?"
„Immer besser," spöttelte der Mann; „doch machen wir der Sache ein Ende," fuhr er fort, indem er den Ueberrock aufknöpfte und die darunter befindliche Uniform sehen lieh; „ich bin der Kriminal-Kommiffarius Fedring und habe den Auftrag, Sie zu verhaften."
vr. Bodmer prallte zurück. „Mich verhaften!" wiederholte er. „Das muß ein Irrtum sein."
„Sie haben bereits zugestanden, daß Sie der vr. Gotthold Bodmer, bisher
Hauslehrer bei dem Baron von Letten auf Lettenhofcn bei Nauen sind," erwiderte der Polizeikommissar.
„Ich leugne das nicht."
„Sie haben sich heut morgen heimlich von dort entfernt," fuhr der Beamte, ohne auf die Zwischenbemerkung zu achten, fort.
„Halten Sie mich für einen Knecht, der aus den: Dienst gelaufen ist, und den man von Polizei wegen zurückbringt?" versetzte Bodmer wegwerfend.
„Spielen wir nicht länger Verstecken, Herr Doktor!" sagte der Kommissar jetzt mit einem wahrhaft furchtbaren Ernst. „Sic wissen recht gut, weswegen ich Sie verhafte. Um Ihrer armen Mutter willen möchte ich die Sache gern möglichst geräuschlos abmachen; folgen Sic mir gutwillig, sonst — ich habe meine Leute vor der Thür."
„Ich gehe nicht von der Stelle, bis Sie mir gesagt haben, wessen man mich beschuldigt," erklärte Gotthold, die Arme übereinandcrschlagend mit trotziger Miene.
„Zwingen Sic mich doch nicht Gewalt anzuwenden!"
„Thun Sie, was Sic nicht lassen können."
„Um Ihrer Mutter willen, nehmen Sic Vernunft an!"
„Sie bringe:: mich um meine Vernunft. Sagen Sie mir, weshalb man mich verhaftet."
Der Kommissär trat dicht an ihn heran. „Weil man Fräulein Adelheid von Letren heute morgen tot in ihrem Bett gefunden hat."
vr. Bodmer knikte zusammen.
„Man hat das Gift entdeckt —"
vr. Bodmer schrie heftig aus. „Also dennoch!" murmelte er.