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Amts- und AnzeigKblcM für den Bezirk Lalw.
71. Jahrgang.
Erscheint DienStaqS, Donnerstags und Samstag». Die EtnrülkungSgebühr betrögt im Bezirk und in nächstem Uw" MSbung s Dlg. die Zeile, sonst lS Pfg.
Donnerstag, den 1. Oktober 1896.
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Tagesneuigkeiten.
* Calw. Gutem Vernehmen nach soll auf die hiesige Dekanatsstelle Hr. Stadtpfarrer Roos Äwn Ludwigsburg ernannt worden sein.
* Calw. Auf dem Bahnhof wurden gestern Most äpsei verkauft, der Ztr. zu 5 ^ 80 -H.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Majestät der König haben am 24. September d. Js. allergnävigst geruht, den Betricbsin- spektor, tit. Finanzrat Held in Calw seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand zu versetzen und demselben Lei diesem Anlaß das Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone zu verleihen.
Stuttgart, 24. Sept. Strafkammer. Unter der Anklage des Diebstahls und der Hehlerei wurden heute sieben junge Burschen im Alter von 18—25 Jahren vorgeführt, nämlich: Otto Elser, Sattler von hier, Georg Mörk, Metzger von Gechingen, OA. Calw, Eugen Gerster, Schlosser .von hier, Max Weiß, Schlesier von hier, Georg .Zorn, Schlosser von Ulm, Josef Birn, Schlosser von Mergentheim, Josef Grimm, Wagner von Büttelbronn, sämtliche mehr oder weniger vorbestraft. -Elser, Mörk und Weiß sind diebstahlsrückfällig. Die Angeklagten Elser und Mörk sowie ein Dritter, der Mächtige Metzger Thurm von Geislingen, brachen in der Nacht vom I2./I3. Juni bei dem KIciderhändler D., Eberhardsstr. 2 hier, ein und stahlen 10—12 Mannsanzüge im Wert von 250 in die sie sich teilten. Eifer verkaufte sofort in einer Wirt- -schaft zu Cannstatt drei dieser Anzüge an die An« geklagten Zorn, Grimm und Birn um 1'/- bis . 2'/2 letztere waren deshalb der Hehlerei an- Leklagt. Geister stahl einer Flaschenbierhändlerin
in der Kernerstraße 64 ^ und in Gemeinschaft mit Mörk und Weiß auch 150 Cigarren aus deren Bude. Ferner stahlen Gerst und Weiß in der Nacht vom 2./3. Juni in einem Hause der Augustenstraße hier Arbeiten, eine Arbeitsbluse, einen Kalibrrmaßstab, einen Taschenspiegel und zwei Messer und machten auch den Versuch, die Kontorthüre mit einem Eissn- stift zu öffnen. Birn war auch angeklagt, nach seiner Festnahme zu Weilimdorf sich eines falschen Namens und eines falschen Zeugnisses bedient zu haben. Mörk stand, wie bekannt, einige Zeit in Untersuchung wegen des Totschlags an dem Gärtnerburschen Müller in der Neckarstraße, bis der wirkliche Thäter verhaftet wurde. Fast sämtliche gestohlenen Anzüge wurden polizeilich beschlagnahmt. Wegen ihres gemeingefährlichen Treibens wurden folgende Strafen erkannt: Elser 2 Jahre, Mörk 2 Jahre 7 Tage Zuchthaus nebst je Sjährigem Ehrenverluste, Gerster 8 Monate Gefängnis, Weiß 1 Jahr Zuchthaus neben ujährigem Ehrenverlust, Zorn 3 Wochen Gefängnis, Bim 3 Monate Gefängnis nebst 4 Wochen Haft und 3jährigem Ehrenverlust, Grimm 3 Wochen Gefängnis.
Vaihingen a. F., 26. Sept. Gestern früh gegen '/-6 Uhr ist ein offenbar dem Arbeiterstand angehöriger Mann, der mit dem Zug Nr. 270 nach Stuttgart fahren wollte, dessen Identität bis jetzt aber noch nicht festgestellt werden konnte, vermutlich infolge unvorsichtigen Uebergehens von einem Wagen zum andern zwischen den beiden Wagen hindurchgefallen. Er scheint sich mit den Händen noch einige Zeit festgehalten zu haben, wurde 600 m weit geschleift und blieb dann gräßlich verstümmelt tot zwischen dem Geleise liegen.
Rottenburg, 26. Sept. Auf der Stadtwage wurden bis heute ca. 180 Ballen abgewogen. Die Preise bewegten sich je nach Qualität von 60,
65, 70, 78 und 80 ^ pro Ztr. nebst schönem Leih» kauf.
Rottweil, 24. Sept. Die Brüder Johann und Matthias Wilhelm von Jrslingen, welche de» Forellen des Geh. Kommerzienrats Duttenhofer i» den Fischweihern bei Thalhausen des öfteren Besuche machten, wurden vom Schöffengerichte je zu 3 Monat Gefängnis verurteilt.
Heilbronn, 26. Sept. Gestern nacht find die auf dem Bahnhof angebrachten Automaten erbrochen und zwei ihres Inhalts beraubt worden.
Aalen, 29. Sept. In der Fettkocherei der Wichsefabrik Union, Aktiengesellschaft, früher Kraust u. Glinz, brach heute Vormittag Feuer aus, welche» bei der reichlichen Nahrung so rasch um sich griff, daß der Dachstuhl vollständig und das Gebäude selbst teilweise ab- und ausbrannte, obwohl die Feuerwehr rasch zur Stelle war. Der Material- und Gebäude- schaden ist nicht unbedeutend.
Niederstetten, 27. Sept. Elektrische Beleuchtung und Motorenbetrieb werden jetzt auch i» unsere Stadt kommen. Untemehmer ist Gz. Streitberger, Sägwerkbesitzer hier. Mit der Aufstellung des Werkes ist die Firma Theodor Orth in Münche» beauftragt. Die Preise sind zu 2'/, Pf. pro Stunde für 16 Kerzenstärke berechnet, event. auch 8, 10, 15 oder 20 in Pauschalsumme fürs ganze Jahr.
Bierstetten OA. Saulgau, 29. Sept. Der Gasthof zum Adler samt Scheuer, sowie 2 weitere Gebäude sind heute abgebrannt.
Karlsruhe, 28. Sept. Einer rohen That machte sich der 13 Jahre alte Sohn einer Witwe Hoff in der Kapellenstraße schuldig. Gestern gege« Abend spielten einige kleinere Kinder in der Kapellen-
^ 1 . IRachdnick orr-olen-i
Ser Sternkrug.
Von Adolf Streckfuß.
(Fortsetzung.)
Hausknecht und Kellner, nahmen jeder einen Koffer, Steinert selbst die Reisetasche und das eroberte Beil, welches er unter seinem Ueberzüher vor den Augen .des Dienstpersonals verbarg.
Ein freundliches, geräumiges Zimmer nahm den Reisenden orsi. Steinert bestellte sich eine Flasche Wein und etwas kalte Küche zum Nachtessen, er ordnete an. daß ihm dasselbe aus das Zimmer gebracht werde. auch solle der Kutscher des Herrn von Heiwald zu ihm geführt werden, sobald er eintnffe.
Nachdem der K.llner das Zimmer verlassen hatte, verriegelte Steinert die Thür, dann nahm er seine im Kampf eroberte Waffe, wilche er bisher sorgsam unter dem U berrock verborgen gehalten hatte, in näheren Augenschein. Es war ein gewöhnliches, kleines, altes Küchenbeil; die zahlreichen Scharten zeigten, daß eS schon v el gebraucht worden sei. Derartige Beile giebt eS wohl in jeder Hauswirtschaft, trotzdem betrachtete eS Steinert mit einem oußcrordentl-chen, hochgespannten Interesse. Seme Aufmerksamkeit wurde angezogen durch einige dunkle Flicke, welche der hölzerne Stiel in der Nähe des Eisens enthielt, sein geübtes Auge erkannte in demselben Blutflecke.
Mck einer Sorgsamkeit, welche daS alte schartige, verrostete Beil sicherlich nicht verdiente, wickelte es Steinert in ein weißleineneS Tuch und verschloß eS in demjenigen seiner Koffer, welcher seine Wäsche und seine Kleidungsstücke enthielt, dann erst entriegelt« er seine Thür.
Der Kellner brachte das Nachtessen. Steinert ließ eS sich tresfl.ch schmecken; wer ihm zugesehen hätte, würde nicht geglaubt haben, daß er vor kaum zwei Stunde» im Sternkrug schon recht ansehnliches geleistet hatte. Jedenfalls hatte das Abenteuer im Walde ihm nicht den Appetit genommen.
Er saß noch, seine Cigarre rauchend, beim Glase Wein, als der Kellner de» Kutscher de» Herrn von Heiwald meldete. Der alte Friedrich trat ins Zimmer, er blieb an der Thür stehen und drehte offenbar in großer Verlegenheit den Hut zwische« den Fingern. Steinert mußte m w llkürl ch lochen, als er dies Armesündergesicht sah.
.Nun Friedrich,' sagte er. „schon hier? Sie müssen tüchtig gelaufen sei» oder einen R chtweg eingeschlagen haben.'
„Ich bin durch's Holz gegangen,' erwiderte der Alte mürrisch.
„Sie haben sich hoffentlich beim Fallen keinen Schadengethan?' fragte Steinert spöttisch.
„Habe keine so »arte Knochen; aber Donnerwetter, haben Sie eine Kraft!*' ES lag in ditsem Ausruf ein Zeugnis der Hochachtung, welche die in der That merkwürdige Körperstärke StcinertS dem im Kampf Besiegten abnötigte.
Steinert lachte. Wenn Sic meine Kraft vorher gekannt hätten, würden Sir vielleicht höflicher geweb n sein. N cht wahr ? Sie haben sich zu Ihrem Schaden geirrt, dishalb will ich auch den ganzen Handel vergessen und mrgeben, den« Ihr» Strafe haben Sie weg. Hier sind die versprochenen drei Tbaler; fahren Sie nu» ruhig nach HauS. Herrn von Heiwald lasse ich bestens grüßen und ihm sagen, dost ich morgen selbst nach Gromberg kommen werde."
Friedrich strich daS Geld mit einer Ruhe ein, als verstehe sich dicS Geschäft ganz von selbst; er hatte aber offenbar noch etwas auf dem Herzen, denn statt,»» Steinert erwartete, zu gehen, blieb er wieder an der Thür stehen und drehte verleg« den Hut.
(Fortsetzung folgt.)