S47
gestern früh die auswärtigen Vereine durch Deputationen am Bahnhof empfangen und mit Musik durch die Stadt geleitet. Der Versuch einer Kreisturnfahrt ist über alles Erwarten glänzend gelungen, und wird, wie bei der Preisverteilung erwähnt wird, eine derartige Bergfahrt öfters wiederholt werden. Als Ort des nächsten Kreisturnfcstes wurde Ravensburg gewählt. Die Ergebnisse im Einzelwettturnen waren:
1. Preis: A. Mayer, Stuttgart, Johs. Kucher,
Gmünd, 40 Punkte.
2. „ Josef Wiesenfarth, Ulm, K. Wondradschek,
Cannstatt, 38,5 P.
3. „ Ludwig Schüler, Ulm, Josef Wieland,
Kuchen — Fabrik 37,5 P.
4. „ Alexander Keim, Gmünd, 37 P.
5. „ Wilh. Werner, Stuttgart, Karl Küpferle,
Cannstatt, H. Engler, Betzingen, 36,5 P.
6. „ Gottl. Steinbach, Nürtingen, 36 P.
7. „ Hermann Klug, Heilbronn, Joh Neipp,
Trossingen, 35,5 P.
8. „ Ernst Maier, Ulm, Wilh. Buck, Stutt
gart, Vinzenz Singer, Schramberg, Hermann Speißer, Cannstatt, 35 P.
9. „ Anton Mitsch, Gmünd, Adolf Weber,
Stuttgart, 34,5 P.
1V. „ Otto Knapp, Ehingen, 34 P.
11. „ C. Baumhauer, Gmünd, I. Spohn,
Ulm, 33,5 P.
12. „ Jakob Goll, Göppingen, Carl Haug,
Kuchen, 33 P.
13. „ David Strohm, Rottenburg, Wilh. Erne,
Ulm, Rud. Häuser, Gmünd, Georg Wolfs, Stuttgart, Fritz Schweickhardt, Mergelstetten, 32,5 P.
14. „ Eugen Schneider, Heubach, Oswald Hilde
brand, Gmünd, Georg Franz, Hsil- bronn, 33 P.
15. „ Joh. Baldenhofer, Freudenstadt, Andreas
Hohner, Trossingen, 31,5 P.
16. „ Aug. Wied, Münster, Herm. Leutner,
Geislingen, Eug. Krauter, Berg, Eug. Winkler, Cannstatt, Rob. Leibfried, . Sindelfingen, 31 P.
17. „ Carl Fausel, Cannstatt, Aug. Meßner,
Gmünd, Carl Boßert, Stuttgart, Ad. Fuchs, Stuttgart, Wilh. Hermann, Stuttgart, Heinrich Kiel, Stuttgart, Max Beyl, Akadem. Arminia Tübingen, 30,5 P.
18. „ Heinr. Binder, Altenstädt, 30 P.
19. „ Aug. Rapp, Holzheim, Georg Lehner,
Cannstatt, Carl Haußmann, Eßlingen, Eug. Oppenländer, Stuttgart, 29,5 P.
20. „ Erhard Jauch, Schwenningen, Carl Bohner,
Eßlingen, Friedr. Zerweck, Cannstatt, Ehr. Fauch, Kirchheim, 29 P.
Ergebnis der Wettspiele. Tauziehen:
T.-B. Urach siegte gegen T.-V. Cannstatt. T.-G. Urach siegte gegen T.-G. Tübingen.
Faustball:
T.-G. Stuttgart siegte gegen T.-V. Eßlingen.
T.-G. Göppingen siegte gegen T.-V. Ulm. Fußball:
T.-V. Cannstatt siegte gegen T.-B. Ulm. Ergebnis des Ringens von Wettturnern:
1. Wilh. Buck, T.-B. Stuttgart (Kranz mit Diplom),
2. Friedr. Zerweck, T.-B. Cannstatt (Diplom),
1. Carl Maier, T.-B. Ulm,
2. Fritz Olckus, T.-B. Ulm.
Ergebnis des Ringens von Nichtwettturnern :
1. Kranz mit Diplom: Herm. Häcker, M.--T.-V.
Stuttgart,
2. Diplom: Carl Henne, T.-B. Cannstatt. Anerkennung für Muster - Spiel - Vorführungen.
Schleuderball: Arminia, Tübingen.
Faustball: „ „
Kreis Jagdball : T.-B. Stuttgart.
Schleuderball: T.-G. Rottenburg.
Schlagball: T.-G. Tübingen.
Ulm, 30. Juni. Der Kanonier Hahn beim Feldartillerieregiment Nr. 13 hatte vom Griesheimer Schießplatz ein nicht explodiertes Schrapnelgeschoß mitgenommen und wollte dasselbe gestern in der Kaserne entladen, dabei explodierte das Geschoß und verletzte den Kanonier schwer; er wurde in jämmerlichem Zustand ins Lazaret gebracht, von wo man jedoch heute hört, daß er voraussichtlich mit dem Leben davonkommen werde. Hahn ist von Wäldenbronn OA. Eßlingen gebürtig.
Pforzheim, 30. Juni. Der Karlsruher Brauerbewegung wegen, die ohne Zweifel zum Ausstande der dortigen Brauereiarbeiter führt, wollen die hiesigen Sozialdemokraten das hier zum Ausschank kommende Karlsruher Bier boykottieren, ev. soll auch hier die Arbeit in den Brauereien niedergelegt werden. In einer heute stattfindenden Versammlung, zu welcher das Bier konsumierende Publikum eingeladen ist, wird ein definitiver Beschluß gefaßt werden. — Der Ankuppler Walz von Stein ist gestern von dem Wildbader Zug auf dem hiesigen Bahnhof überfahren worden. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. — Ein 20jähr. Koch aus Mühlhausen i. Thür, hat sich in der Nacht vom Sonntag auf Montag auf offener Straße erschossen.
Berlin, 27. Juni. Li Hung Tschang besuchte gestern abend die Technische Hochschule in Charlottenburg, um in dem vortigen elektrotechnischen Laboratorium eine Aufnahme seines Schädels durch Röntgenstrahlen vornehmen zu kaffen. Die Aufnahme erfolgte durch den Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Slaby. Die Exposition währte 20 Minuten und ergab ein außerordentlich scharfes und in allen Teilen deutliches Bild des höchst interessant geformten Schädels. Die Veranlassung zu dieser Aufnahme war der Schuß, den der Vizekönig als Friedensunterhändler in Schi- monoseki von einem fanatischen Japaner unterhalb des linken Auges erhalten hat. Trotz sorgfältigster
Untersuchung der Wunde von seiten der Aerzte mittelst Sonden war die Kugel nicht zu finden gewesen. Auf dem entwickelten Negativbild waren dagegen deutlich der Schußkanal und die etwas heruntergesunkene Kugel zu erkennen. Während die Platte entwickelt wurde, zeigte Geheimerat Slaby die Wirbelsäule, die Rippen und das pulsierende Herz eines lebenden Menschen. Zur Aufnahme dienten Röhren, deren Konstruktion aus längerem Studium hervorgegangen ist und von den bisher bekannt gewordenen wesentlich abweicht.
Berlin, SO. Juni. In der heutigen Sitzung des Reichstags bemerkt Dr. Sigl bei der Beratung das bürgerl. Gesetzbuch betr.: „das Gesetz zeige, daß unsere Zeit kein Talent habe zum Gesetzmachen", hierauf entgegnete Abg. Gröber: „Die umfassenden Studien des Dr. jur. Sigl seien dem Hause ja unverkürzt zuteil geworden, nachdem er heute zum ersten Male während der ganzen Lesung des Gesetzes hier erscheine. Seine praktischen Erfahrungen im Eherecht (stürmische Heiterkeit) wären uns vielleicht von Nutzen gewesen. Als alter Praktiker hätte er vieles bessern können, jedenfalls habe er keinen Grund sich als Vertreter des kanonischen Rechts aufzuspielen. Gegen die Zivilehe haben wir hier am Platze gekämpft, aber eine Zivilehe ist uns immer noch lieber als eine „Zuvielehe". (Minutenlange Heiterkeit.) Es sprechen noch Vielhaben und Bachem, sowie Dr. Sigl. Die Rede Gröbers scheint den Abg. Haußmann an die Hasen erinnert zu haben, deren Gewohnheit in „Zuvielehe" zu leben, wie es scheint, noch gnädigst belasten werden soll; Haußmann ersucht, die Ersatzpflicht für durch Hasen herbeigeführten Schaden wieder einzufügen. Der Antrag wird jedoch mit 168 gegen. 85 Stimmen abgelehnt.
Mutmaßliches Wetter. Während der neue Hochdruck aus dem atlantischen Ozean, der mit 770 mm bereits ganz Frankreich, Großbritannien und Holland bedeckt, den Rest des letzten Luftwirbels über Südskandinavien rasch zur Auflösung bringt, hat sich über Taunus, Spessart und Odenwald ein größerer Gewitterwirbel gebildet, der in ganz Süddeutschland teils schon am Mittwoch, teils noch am Donnerstag Störungen Hervorrufen wird. Im übrigen ist schon für Donnerstag Wiederaufheiterung, für Freitag trockenes und größtenteils heiteres Wetter zu erwarten.
Kandrv. Kezirks-Uerein Calw.
Die Vereinsmitglieder werden darauf aufmerksam gemacht, daß diejenigen, welche die am 10. Juli 1896 in Calw stattfindende staatliche Bezirks- Rindviehscha« beschicken und keine Preise erhalten, aus der Vereinskässe eine Reise-Entschädigung bekommen und zwar:
für Farren pr. 1 Lm. 40 Pfg. für Kühe pr. 1 km. 20 Pfg.
Calw, den 30. Juni 1896.
Vorstand:
J.-V. L. Din gl er.
und ebensowenig, ob eS vielleicht geraten wäre, Vetter Wulf oder Tante Ev line i»S Vertrauen zu ziehen, und ob schon jetzt oder erst später'die rechte Zeit dazu ist. Mein Vater — das wirst Du nach dem Vorstehenden Dir schon selbst gesagt haben — darf von unserer Ehe erst benachrichtigt werden, wenn er weiß, daß EvyS Herz «nd Hand auch ohne meine Heirat für mich verloren wären. Sturm wird cs auch """" geben, denn mein Vater hält an allen Vorurteilen seine Kaste fest. M t welcher niederschmetternden Verachtung er mir heute sagte: »Ein Hohen-Moor wird lern Musikant l" Guter Vater, — das zu werden. ist Deines Sohnes höchster Ehrgeiz, wre der Besitz seine» Weibes sein höchstes Glück ist.
Nun aber gute Nacht, Einziggeliebte! Küsse unser Kind und sei in Gedanken an» Herz gedrückt von
3.
Deinem sehnsüchtigen getreuen I. C."
Am Morgen des nächsten Tage» trat Mamsell Reinholdt, als sie durch den Hausflur huschte, mit Wulf zusammen.
„Halt, Mamsell Holdtchen!" rief er. ihr den Weg vertretend.
„Nicht so laut, Junker," mahnte sie; „meiner Gräfin geht eS gar nicht gut."
„Nun also leise," fuhr Wulf in gedämpftem Tone fort, „aber Rede stehen wirst Du mir; ich suche schon lange vergebens nach einer Menschenseele die mir "klärt, was wieder einmal in diesem verwünschten Schlosse vorgeht: der Onkel wacht ein Gesicht wie sieben Meilen böser Weg; er will — obwohl er gestern Uidend war, daß er kaum zum Essen kommen konnte, — auf mehrere Tage nach Allrode. Jobst Clamor hat in aller Frühe bereits eine Schlittenfahrt unternommen, von welch« « noch nicht zurück ist, und Evy, die mit mir Schlittschuh laufen wollte, läßt sich nicht sehen."
Mamsell Reinhyldt schlug daL Herz; wie eine Fügung des Himmel» erschien eS ihr, daß ihr so bald Gelegenheit gegeben wurde, Wulf zu warnen, und mit der Ueberzeugung, das Rechte zu thun, antwortete sie:
.Das Schlittschuhlaufen wird die Kleine wohl vergessen; denn als ich vorhin aus dem Z mmer ging, war die Frau Gräfin eben dabei, ihr zu sagen, daß sie unfern Imker, Jobst Clamor, heiraten solle."
Wulf wechselte die Farbe.
„Jobst Clamor, — unmöglich i" rief er mit erstickter Stimme.
„Genau so hat die Kleine geantwortet, aber cS wird ihr wenig helfen," sagte Mamsell Reinholdt. „Der Herr Graf will es, — und was das beißt, wissen wir ja!"
„Nein, cS ist trotzdem unmöglich!" entgegnete Wulf. „Wenn Evy nicht will ... und Jobst Clamor . . . seit Jahr und Tag hat er sich kaum noch um Evy gekümmert."
„Die Traubm waren sauer," antwortete die Dienerin; „unsere Evy hat den Junker die letzte Zeit über sehr öde behandelt; aber wenn sie auf Befehl der Frau Gräfin wieder freundlicher gegen ihn ist, werden wir'» erleben, daß sich auch sei» Benehmen ändert. Wie ist er früher um sie herumgewesen, hat ihr zu gefallen gc- than, was er konnte und wußte, und wo Schön-Evy nicht war. gab's fitr Jobst Clamor kein Plaisir. Solche Jugendliebe, Junker Wulf, wächst aber so fest mS Herz, daß man nicht mehr davon los kann. Und wenn man auch hin und wieder meint, es wäre damit aus und vorbei, — plötzlich ist sie wieder da wie die Schwalben, wenn der Frühling kommt."
„Mag sein!" rief Wulf. „Aber was liegt daran, wenn Evy Jobst Clamors Neigung nicht erwidert? — Und du sagst ja selbst, daß sie es nicht thut, daß sie sp:öde, sogar abweisend gegen ihn ist."
(Fortsetzung folgt.)