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licherweise war das Gewitter nicht von Schloßen be­gleitet.

Reutlingen, 20. Juni. Heute vormittag gegen 9 Uhr zog ein schweres Gewitter über die Stadt, wobei der Blitz zweimal einschlug. Der eine Strahl fuhr zwischen den beiden Chortürmen der Marienkirche nieder; ein auf dem Dach des Mittel­schiffs in der Nähe der neuen Blitzableitung beschäftig­ter Lehrling wurde zu Boden geworfen, ohne bleiben­den Schaden zu nehmen. Ein zweiter Blitzstrahl fuhr in einen Neubau in der verlängerten Krämer­straße und durchschlug einige Decken. Auch hier hatte «in Maursrlehrling die Wucht des Schlages an seinem Leibe zu verspüren, kam aber sonst mit dem Schrecken davon.

Rottweil, 35. Juni. Der gestrige Johanni­markt war befahren mit 1067 Tieren; da viele Händ­ler am Platze waren, war der Handel ziemlich gut. Die Preise blieben sich gegen früher so ziemlich gleich. Bezahlt wurden für Mastochfen 8001000 für Zugochsen 800900 ^ pro Paar, für trächtige Kühe 100300 für ältere Kühe 150200 für

Rinder 100125 für Farren '/-1jährige 220 bis 400 Die Heuernte ist nun im Gange

und liefert ein vorzügliches Ergebnis.

Rottweil, 26. Juni. Gestern abend 7Uhr wurde Sturm geläutet und die Feuerwehr alarmiert; es hatte sich eine Partie bengalisches Feuer im Labo­ratorium der oberen Apotheke von Otto Sauter­me ist er entzündet, welches für die am nächsten Sonn­tag abzuhaltende italienische Nacht des Männergefang» Vereins zubereitet wurde. Die rasch herbeigeeilte Feuerwehr verhinderte jedoch größeren Schaden.

Roltweil, 27. Juni. In der Nähe von Dormettingen werden gegenwärtig alemanische Grabhügel auSgegraben. In einem Hügel fand man Ueberreste eines Leichnams auf ca 2 Meter langen, eichenen Dielen. Dabei waren verschiedene irdene Erfasse, ein noch gut erhaltenes eigenartiges Geflecht aus Birkenrinde und zwei seltene breite Arm­spangen aus sogenanntem Bergharz. In einem ande­ren größeren Hügel konnte bis jetzt außer einigen Knochen und einer römischen Münze aus doppeltem Goldblech noch nichts gefunden werden. Die Aus­grabungen sollen fortgesetzt werden.

Sulzbach a. Murr, 37. Juni. Mitten in der Heuernte überraschte uns vorgestern mittag '/,2 Uhr «in Gewitter, das wolkenbruchartigen Regen im Ge­folge hatte. Mit großer Besorgnis und Unruhe sah man der kommenden Nacht entgegen, indem der Regen anhielt und bis gegen 3 Uhr morgens Hochwasser brachte, das beträchtlichen Schaden durch Fortschwem­men von Futter im Wiesenthal und am Ufer der Murr anrichtete. Einzelne Bürger berechnen ihren Schaden bis zu 300 zudem riß das Wasser einem Gerber 300 Stück Häute mit fort.

Gaildorf, 35. Juni. Bei dem heutigen Gewitter wurde die 17jährige Tochter des Söldners Jäger von Bröckingen bei der Heimkehr vom Felde, in der Nähe der Schönberger Brücke, unter welcher sie Schutz suchen wollte, vom Blitze tötlich getroffen.

Ravensburg, 26. Juni. In besorgniser­regender Weise treten Heuer auch in Oberschwaben die Gewitter auf. Weniger ist es der Hagel, der Schaden verursacht, als vielmehr die großen Wasser­mengen, welche niederfallen und Verwüstungen in Straßen, Gärten und Abhängen anrichten. Solche Gewitter gingen in den letzten Tagen zwei nieder über das Schufsenthal. Dazu kommt noch der Uebcl- stand, daß die Heuernte sehr verzögert wird. Auf den Obstbäumen nimmt der Raupenfraß bedenklich überhand und stimmt die Hoffnungen auf ein gutes Ertragsjahr bedeutend herab.

Ravensburg, 26. Juni. In eine unan­genehme Lage wurde die Stadt durch einen Techniker Namens Brokhaus versetzt, dem die Beaufsichti­gung der neuen Gasleitung übertragen war. Bei einer Revision wurde festgestellt, daß die im Bau begriffene Leitung an einer großen Anzahl von Stellen undicht und die ganze Ausführung höchst mangelhaft gemacht ist. Brokhaus soll deshalb aus dem Dienst entlassen werden. Die Leitung wird zu einem großen Teil wieder aufgegraben und neu hergestellt werden müssen.

Tettnang, 36. Juni. Heute morgen er­eignete sich auf dem Bahnhof dahier ein gräßlicher Unglücksfall. Der verheiratete, schon ältere, bei den Herren Gebrüder Locher hier seit langem schon beschäftigte Arbeiter Köhler sollte mit einem andern einen Eisenbahnwagen mit Langholz abladen. In Begriff, eine Seitenstütze zu lösen, riet er dem andern noch, unter den Wagen zu kriechen, damit er vor den herabrollenden Stämmen gesichert sei, und im nächsten Augenblick wurde er selbst von den Stämmen erfaßt und zu Boden gedrückt, so daß er auf der Stelle tot blieb.

Pforzheim, 26. Juni. Ein furchtbares Un­wetter, von einem sintflutartigen Regen begleitet, ent­lud sich gestern Nachmittag über unsere Stadt. Mit tosender Gewalt stürzten von den umgebenden Höhen die Wassermassen in die Straßen, die in kurzer Zeit fußhoch überschwemmt waren. Der Verkehr war eine Zeit lang vollständig gehemmt und es mußten Notstege errichtet werden. In vielen niedergelegenen Geschäftslokalen sah man sich zur Einstellung der Arbeit gezwungen. Auch der Bahnhof stand samt dem Schienengeleise teilweise unter Wasser. Steine, Erde und Schlamm lagern in Menge in den Straßen. Felder und Gärten, besonders an den Abhängen, sind grauenvoll verwüstet. Der Schaden ist ohne Zweifel ein sehr bedeutender.

Konstanz, 24. Juni. Gestern wurde hier eine abgefeimte Schwindlerin, die Fabrikarbeiterin Emilie Würth, verhaftet. Dieselbe ließ in den letzten 3 Monaten bei verschiedenen hiesigen Bier­brauern unter falschen Vorspiegelungen ganze Fässer Bier auf Pump holen und veranstaltete w/ zweifel­haften Personen in ihrer Wohnung Ärmliche Zech­gelage. Bei ihrer Verhaftung fand Inan bei ihr 5 leere Bierfässer.

Blankenburg a. H., 26. Juni. Die Be­

hörden haben die zur Anzeige gebrachte Aeußerung des in der Nähe des Kyffhäusers angetroffenen und wegen Verdachts der Majestätsbeleidigung und des Hochverrats verhafteten Sattlergesellen Hohn­häuser:Das Kyffhäuserdenkmal solle die Ein­weihung nicht erleben" nicht auf die leichte Schulter genommen. Wie dem Berliner Tageblatt ein Teil« nehmer an der Festlichkeit mitteilt, war nämlich rings um den Berg herum eine dreifache, geschlossene Posten­kette von Infanterie gezogen und auf allen. zum Kyffhäuser führenden Wegen hatten in Abständen von ungefähr 100 Metern zwanzig bis dreißig Mann starke Kavallerieabteilungen Aufstellung erhalten. Wenn man in der letzten Zeit vor der Denkmals Einweihung unvermutet an eine Höhle oder Schlucht des Berges kam, lugten Einem wie Berggnome daraus Pioniere entgegen, nach dem alten Sitz Barbarossas werden sie kaum gesucht haben, viel eher nach etwa gelegten Minen.

Elberfeld, 23. Juni. Eine wässerige Ge­schichte! Bei dem Großfeuer, welches am Freitage abend in einem Holzschuppen der Farbenfabriken aus- brach, ist es zu einem Streit zwischen der Fabrikfeuer­wehr und der städtischen Wehr gekommen. Die Fabrik­wehr begoß die städtische Wehr, die an der Kiesberger­straße Aufstellung genommen hatte, aus ihren Strahl­rohren mit Wasser. Auf die Frage eines Führers der städtischen Wehrwas dieser Unfug zu bedeuten habegab die Fabrikwehr die Antwort: die städtische Feuerwehr habe in den Farbenfabriken nichts zu suchen, die Hauswehr könne mit dem Brande allein fertig werden. Trotz dieser unqualifizierbaren Abweisung setzte die städt. Feuerwehr die Löscharbeiten fort. Als sie aber von der Fabrikwehr aufs neue mit Wasser überschüttet wurde, griffen die erbitterten Mannschaften der städtischen Wehr auch zum Strahl­rohr, und so begossen sich die Wehren wechselseitig derart, daß die städtische Wehr schließlich ihre Arbeiten einstellte und abzog. Die städtische freiw. Feuerwehr will bei einem Brande in den Farbenfabriken künftig nicht mehr in Thätigkeit treten.

Friedrichsruh, 26. Juni. Ueber den gestrigen Besuch des Vizekönigs Li HungTschang in Friedrichsruh wird gemeldet, daß Fürst B i s - marck seinen Gast in Uniform begrüßte und seiner Freude Ausdruck gab, den größten und bedeutendstem Staatsmann China's kennen zu lernen, worauf Li Hung Tschang erwiderte, leider habe er seinem Vater­land nicht mit so großem Erfolg dienen dürfen, wie Fürst Bismarck. Dieser entgegnete, sie hätten doch beide ihren Herrn geholfen, ein großes Land zu regieren. Li-Hung-Tschang sagte dann weiter, er habe nur seinem eigenen Vaterland genützt, Fürst Bismark aber habe der ganzen Welt Gutes gethan. Fürst Bismarck erklärte weiter, er habe während seiner Amtsthätigkeit immer den Wunsch gehabt einer Annäherung mit China, aber die Hindernisse, welche nicht in ihm lagen, waren zu groß.

Magdeburg, 28.Juni. Li-Hung-Tschang besichtigte heute das Gruson-Werk und reiste um 12 Uhr nach Essen weiter.

Mamsell Reinholdt, die mit geschickten Händen die Kiss n und Decken der Herrin ordnete, lachte still vor sich hin.

Nun ja, er ist eifersüchtig auf den Herrn Lieutenant/ antwortete sie,und nicht ohne Grund, sollt' ich meinen; denn daß Herr Wulf unserer Kleinen besser ge­fällt, als der allzrit verdrießliche Herr Jobst'

Scheint es Dir auch so?* fiI die G.äfin ein.Ich habe mich bisher ge­sträubt. daran zu glauben; eS wird mir schwer, der armen Evy. die schon so viel entbehrt, diesen heiteren Verkehr zu untersagen/

Mamsell R inholdt schüttelte den Kopf.Das werden gnädige Gräfin dem Kinde nicht anthun!" rief sie im Tone der Ueberzeugung.

Ev.line seufzte.Ich muß!* sagte sie nach einer Pause. .Bedenke doch nur, welch' ein Unglück eS wäre, wenn sich die Kinder liebten, beide arm wie die Kirchen­mäuse !*

Arm, unsere Kleine?* rief Mamsell Reinholdt.Der Herr Graf muß doch für die M tgist sorgen/

Liebste Reinholdt/ sagte die Gräfin mit unverkennbarer Ungeduld, .wie oft habe ich Dir schon erklärt, daß Evy, selbst wenn ihr Vater lebte, so arm märe, wie ich eS war. Hohen-Moor ist Majorat. Allodialoermögen nicht vorhanden/

Diajorot oder nicht/ antwortete die Dienerin,für den Heuen Grafen wär's «me Sünde und Schande, das Kmd nackt und blrß aus dem Hause gehen zu lassen/ Reinholdt. R.inholdt, wie kannst Du daS meinem Veit r zutrauen?* rief die Kranke.Bedenke, wie er sich alle die Jahre gegen rmch benommen hat! Außer­dem habe ich Grund, zu glauben, daß es sein Wunsch und Wille ist, Evy mit Jobst Clomor zu verheiraten. Darum, liebste Reinholdt, versprich mir, die Kleine nicht in ihren Thorheilen zu bestärken, versprich es mir!"

Der unwillige Ton, in dem die Gräfin begonnen hatte, war nach und nach

, so klagender geworden, und ihre Augen sahen so verängstigt zu der Dienerin if. daß diese, eingedenk ihrer Aufgabe als Pflegerin, die Versicherung gab, sich rtan Evy gegenüber weder gegen Jobst noch für Wulf auSsprechen zu wollen, arm hüllte sie ihre Schutzbefohlene sorgsam ein Und legte sich endlich in dem ar>- enzendem Schlafzimmer nieder, das sie seil Evys Geburt mit ihr teilte. Es währte soch lange, ehe sie einschlief, d-nn auf die Athemzüge dis jungen Mädchens lauschend, nn sie hin und her, wie sie es trotz des gegebenen Versprechens arstellm könnte, r Herzenskind von der Ehe m t Jobst Clamor zu behüten. Zu Evy nicht« gegen, n zu sagen, hatte sie der Herrin gelobt, etwas gegen ihn zu thun, blieb ihr ie sie sophistisch meinte unverwchrt, und sie beschloß nach reiflichem Erwägen, >ulf auf die Gefahr, die seiner Liebe drohte, aufmerksam zu machen; klug und >ergisch, wie er war, würde er die rechten Milt I und Wege schon finden.

Inzwischen saß Jobst Clamor in seinem Z mm r am Schreibtisch. Er hotte rgebens zu schlafen versucht, war wieder aufgestandcn und schrieb, der wachsenden älte nicht achtend, einen Brief. Ihm gegenüber stand eine Photographie, dre sonst cht in seinem Zimmer zu sehen war. das Bild einer Frau mit einem etwa halbiahrigen >nde ouf dem Schoße. Mit groß n, schönen, ernsten Augen sah das kleine Geschöpf m Beschauer entgegen, während die F>au auf den ersten Blick mit ihrer kleinen, Izu schlarken Gestalt, ihren unregelmäßigen Zügen, ihren von schnüren Odnn halb :rhülltcn Augen ebenso reizlos wie unbedeutend erschien. Aber der näherer Betrach- lng verri ten Mund und Kmn große Energie, die Haltung deS Kopfes großes -elbstgesühl, die Augen Klugheit und scharf,s Beobachten. Dazu wußte Jobst lamor, in wie hohem Grad- ihrem Blick und Lächeln i-nes Aufleuchten «gen war, iS bezaubernder wirken kann, als >mmer gleiche Schönheit; er wußte, wie klangvoll- ire Stimme, wie melod.sch ihr Lachen, wie anmutig ihre Bewegungen waren.

(Fortsetzung folgt.)