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-^Hagel so große Not in manchen Gemeinden der Ober- ümter Nagold und Calw entstand und weiter in Betracht zieht, daß die Bedingungen, unter welchen mit der Norddeutschen Allgemeinen Hagelversicherung Verträge abgeschlossen werden können, besonders günstige sind, so muß man es als ein großes Versäumnis an- sehen, wenn der Landmann bei uns es unterläßt, seine Getreidefelder zu versichern, umsomehr, da ja die Versicherungsprämien äußerst nieder angerechnet, werden. X
— Im Landesgewerbemuseum erschien gestern vormittag Seine Majestät der König in Begleitung des Flügeladjutanten Major Biber und besichtigte unter Führung des Kommerzienrats Hummel und später des Präs. Dr. v. Gaupp einzelne Gruppen der kunstgewerblichen Ausstellung. Ihre Majestät die Königin besuchte in Begleitung der Palastdame Gräfin Uxkull und des Kammerherrn Frhrn. v. Raßler die Gartenbauausstellung und das Gewerbedorf. — Die Prinz W eima r'schen Herrschaften machten unter Führung des Geh. Hofrats Dr. v. Jobst in der Ausstellung einen längeren Rundgang. — Abends war der Stadtgarten sehr belebt, obgleich daS Kellerfest der Ingenieure große Massen im Bierkeller festhielt. Nach eingctretener Dunkelheit erstrahlte die elektrische Beleuchtung, die zauberhafte Effekte hervorbringt. Reizend ist namentlich, wie die Konturen des Elek- trizitätshaufes sich in dem daran liegenden See spiegeln. Der Scheinwerfer, der unablässig in Bewegung war, wirkt besonders schön, wenn sein Licht auf das Blätterdach der in den Abendhimmel cmporragenden Bäume fällt. Die Ausstellung hatte gestern außer einer großen Zahl neuer Abonnements 2000 ^ Tageseinnahme.
Stuttgart, 8. Juni. Nächsten Donnerstag früh '/,8 Uhr trifft Se. Kgl. Hoheit der Großherzog von Baden hier ein und wird gleichzeitig mit Sr. Maj. dem Körnig der feierlichen Eröffnung der deutschen landwirtschaftlichen Ausstellung in Cannstatt beiwohnen. Am gleichen Abend werden die hervorragendsten Mitglieder des deutschen landwirtschaftlichen Vereins von Sr. Maj. zu einem Feste ausider Wilhelms eingeladen.
Stuttgart, 8. Juni. Strafkammer. Wegen gefährlicher Körperverletzung wurde heute der 23jähr. ledige Küfer Gottlieb Bubeck von Uhlbach O.A. Cannstatt vorgeführt. In der Nacht vom 27. auf 38. Febr. d. Js. verfolgte derselbe den 32jährigen verheirateten Zimmermeifter Bogner daselbst, mit dem er etwas betrunken in einer Wirtschaft Streit angefangen hatte, heimwärts und schlug ihn mit seinem Küferhammer derart auf den Kopf, daß er bewußtlos zusammenbrach. Er mißhandelte diesen auch noch solange er auf dem Boden lag, Bogner kam aber bald zu sich und setzte sich mit einer Sägenfeile zur Wehre, die er bei sich trug und verletzte denselben auch damit. Bogner konnte fortarbeiten, obgleich er nach ärztlichem Gutachten eine nicht unbedenkliche innerliche Kopfverletzung erlitt. Bubeck erhielt eine Strafe von 10 Man. Gefängnis.
Z Reutlingen, 6. Juni. Die gesamte schwäbische Turnerschaft (XI. deutscher Turnkreis) rüstet sich gegenwärtig zu einem Feste eigener Art. An Stelle des Kreisturnfestes, das alle 3 Jahre Schwabens turnende Söhne zur Arbeit im Fest-
gewande vereint, soll am 28. Juni eine Turnfahrt des ganzen Kreises auf eine der schönsten Höhen der schwäbischen Alb, auf die weithin bekannte und gerühmte Wann bei Pfullingen stattsinden. Am Vorabend werden die Lokalvereine Bankette abhalten und die Veranstaltungen und turnerischen Aufführungen bei diesem Anlaß, nicht minder die Gastlichkeit von Reutlingen und Umgebung, werden Zeugnis ablegen von der Freude Schwabens Turner am Fuße der Alb begrüßen zu dürfen und den alten guten Ruf der „Feststadt" Reutlingen bewähren. Neben den überall bereits bekannten volkstümlichen Wettübungen und Spielen wird sich ein Volksfest auf der Wanne abspielcn, welches bei günstigem Wetter großartig zu werden verspricht. Interessant auch für weiteres Publikum wird es sein, daß der Ortsausschuß die festlich beleuchtete Nebclhöhle von 2—6 Uhr nachmittags ausschließlich in Beschlag gelegt und daß jedermann auch Nichtturner, welche das Festband L 30 iZ kaufen, freien Zutritt zur Höhle und zum Tanzplatz hat. Auch der Eintrittspreis in die Olgahöhle in Honau ist für die Festbesucher von 40 H auf 20 ^ herabgesetzt. So steht zu hoffen daß nicht nur die Turner, daß auch Testfahrer weiterer Kreise an den sagenberühmten Orten der Nebelhöhle und des Lichtensteins sich zahlreich zusammenfinden werden. Möge es ein recht schwäbisches Verbrüderungsfest werden, ein Fest der Arbeit und der Freude.
Backnang, 8. Juni. In Oberschönthal wurde heute der fahnenflüchtige Soldat Iamus vom 4. Jn- fanteriereg. festgenommen. Derselbe hatte sich den Pförchkarren des Orts zum Nachtquartier auserkoren und verließ denselben gerade, als Anwalt Trefz mit seiner täglichen Extrapost der Oberamtsstadt zueilte. Nach Feststellung seiner Personalien nahm der „Vatcrlandsverteidiger auf Reisen" die „höfliche" Einladung zum Aufsitzen an und wurde hier ohne alle Störung an die Behörden eingeliefert.
Murrhardt, 8. Juni. Gestern Nachmittag verunglückte hier beim Fasten eines Bienenschwarmes ein Mann aus Hinterbüchelberg, indem er etwa 10 m hoch von einem Baum herabfiel, wobei er sich einen Beckenbruch zuzog.
Ulm, 8. Juni. In letzter Nacht widerfuhr dem Schnellzug, der nachts 10°° von Stuttgart nach Ulm fährt und am Freitag in Uhingen einen Zusammenstoß hatte, schon wieder ein Mißgeschick, indem ihm V, Stunde vor Geislingen an der Maschine eine Röhre platzte, so daß der Zug auf freiem Felde stehen blieb und trotz aller Anstrengungen nicht mehr vom Fleck kam. Die Maschine gab dann Notsignal nach Geislingen, von wo schließlich eine Hilfsmaschine kam und den Zug weiter führte. Die Aufregung der Reisenden war anfangs keine geringe. Die Ankunft in Ulm erfolgte statt um 12°° erst um 2'°.
Köngen, 8. Juni. Gestern nachmittag wollte ein seit vier Wochen hier befindlicher Lehrling I. Hirsch sich im Mühlkanal mit einem Bads erfrischen. Da er jedoch noch nicht platzkundig war, geriet er bei dem trüben Wasser in eine Untiefe, wo er versank. Obwohl ein in der Nähe wohnender Wirt auf seine Hilferufe ins Wasser sprang, konnte der junge Mann nicht mehr gerettet werden. Der Leichnam konnte erst nach einer halben Stunde aufgefunden werden.
Statt der erwarteten Antwort brach sie in lautes Schluchzen aus, so daß Frau v. Norden genötigt war, ihrem Manne die neue Hiobspost mittzutecken.
„Tausend Thal«, sagst du und in acht Tagen k DaS kann Wussow unmöglich verlangen. Und wenn ich das Geld hätte, ich würde eS nicht hergeben, «S hieße, meine übrigen Kinder bestehlen/
Erbarme dich, Popa. sonst bin ich meineidig und auf Meineid steht Zuchthaus."
„Aber liebeS Kind, du ängstigst dich umsonst. Kein Eid halt Gültigkeit, der vicht vor Richter und Gericht geschworen ist. er kann daher auch nicht die Folgen haben, die du dir einbildest. Sei doch vernünftig."
Edith war ober von ihrer Vorstellung nicht abzubringen. Sie bat ihren Vater so leidenschaftlich, daß diesim selbst das Herz schwer wurde. Und doch konnte er ihrer Bitte nicht willfahren. Er war augenblicklich nicht in der Lage tausend Thaler, herzugebcn. Sollte er Wucherern in die Hände fallen? Nein, nur das nicht. Seine Futter- und Getreidevoriäts waren geringer denn je, eL war daher undenkbar, aus ihnen noch die Summe berauszuschlagen. Auch war cr davon überzeugt, daß Wussow unverbesserlich sei. Zahlte er jetzt, so würden in einigen Monaten wieder neue Zumutungen gestellt werden. Er beschloß, fest zu bleiben und Wussow seinem Schicksal zu überlassen.
Aber Edüh war nicht zu überzeugen. Sie bat und beschwor ihren Vater immer, daS Geld an Wussow zu senden.
Auffallend war eS. daß sie selbst gar kein Verlangen zeigte zu ihrem Manne zurückzukchren. Frau v. Norden ah> te, daß da noch andere Gründe vorliegen müßten. Durch vorsichtiges Forschen erfuhr sie zwar nicht viel, aber ihre Vermutungen kamen der Wahrheit ziemlich nahe.
Burghard machte die Reise zu Wussow und Ludwig Bom begleitete ihn. Da sah es schl mm aus. Die Geschichte war schon öffentlich bekannt geworden. Sie verlangten einen kurzen Aufsä ub von Runen. Die Klage wegen der verpfändeten Einrichtung schwebte schon bei Gericht. Ludwig Born oeranlaßte die Zurücknahme derselben und trat für die Summe «in.
Sofort angestellte Wiederbelebungsversuche waren erfolglos.
Rastatt, 8. Juni. Ein bedauerlicher Unglücks fall hat sich in dem hier garnisonirendeir Feldartillerie-Regiment Nr. 30 zugetragen. Ein Soldat handhabte ein geladenes Gewehr so unvorsichtig, daß dasselbe sich unversehens entlud und die Kugel einen Kameraden des unvorsichtigen Schützen in'K Gesicht traf. Der Verletzte hat, wie man hört, den Verlust des einen Auges zu beklagen und mußte in das Hospital gebracht werden.
München, 8. Juni. Am verflossenen Samstag Morgen wurde der Forstmeister von Wolfrats- bousen, der k. Kämmerer Theodor Frhr. v. Lupin im Revier Schwaiger-Wall erschossen aufgefunden. Nach Lage der Dinge wird allgemein angenommen, daß Frhr. v. Lupin bei einem Renkontre mit Wilderern seinen Tod gefunden hat. Der Strohhut war von Schroten durchlöchert und ein Rehposten saß in der Schläfe.
Aus Hessen. Im „Verordnungs- und An- zeigeblatt für den Kreis Heppenheim" (Nr. 55) erläßt das Großh. Kreisamt Heppenheim ein v. Grancy unterzeichnetes Ausschreiben über die Vertilgung der Maikäfer. Der Schluß lautet: „Die Gr. Bürgermeistereien der Grenzmarkungen wollen ihr Augenmerk auch auf etwa aus den nicht hessischen Gebietsteilen überfliegende Maikäfer richten und auch hierüber zu dem genannten Zeitpunkt berichten". Dazu bemerkt der „Kladderadatsch": „Sollten wirklich die badischen Maikäfer so frech sein, auf hessisches Gebiet überzutreten, so müssen sie von den Bürgermeistern dem Herrn von Grancy einzeln vorgeführt werden. Wir fürchten allerdings, daß es ihnen dann nicht gut ergeht."
— Von einem Russen wird der „Frkf. Ztg." aus Moskau geschrieben: „Der Kaiser hat befohlen, eine strenge Untersuchung über die Ursache der Katastrophe anzustellen. Wird dieselbe ehrlich geführt, s» dürste sich Herausstellen, daß Sorglosigkeit und Unredlichkeit in diesem Falle allein schuld sind. Wird doch erzählt, daß die Unruhe durch die mit der Austeilung von Geschenken Beauftragten selbst hervorgerufen worden fei, um dis Unterschlagungen zu verdecken. Die Behörden hatten offenbar keine Zeit, um sich um das arme Volk zu kümmern und eine günstigere Gelegenheit, etwas zu profitieren, kann man sich kaum denken, da die Betreffenden nur die Hand auszustrecken brauchten."
Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist zwar noch größtenteils gewitterhast bewölktes, aber nur noch zu ganz vereinzelten elektrischen Entladungen oder kurzen Gewitterregen geneigtes Wetter zu erwarten.
Karr-rr». Kezirks-Uereirr Calw.
Vom 11. bis 15. Junr 1896 findet in Stuttgart-Cannstatt die Deutsche Landwirtschafts- Ausstellung statt, deren Besuch dringend empfohlen wird. Der Vereinsausschuß hat daher beschlossen,
jedem Bereinsmitglied, welches an einem der obengenannten Tage die Ausstellung besucht.
Auf Burghards Veranlassung kam auch noch sein Vater dorthin, und nun unterhandelte man mit Wussow. Er mußte in eine Trennung von Edith willigen, alle Ansprüche an das Kind aufgeben. Unter diesen Bedingungen übernahm Herr v. Norden Wussow« Schuld.
R-ttmeister Runen hatte Urlaub genommen. Er war von der Gesellschaft verfehmt und kehrte nicht mehr zurück. Er war um seine Versetzung eingekommen.
Auch Wussow ließ sich in eine ferne Provinz und zu einem Infanterie- Regiment versetzen. Großmütig versprach Herr v. Norden auch noch fernerhin die Zulage zu zahlen, die chm zugefichert war.
Edith hotte während dieser Zeit ihrer Mutter große Sorge bereitet. Je näher der achte Tag kam, desto aufgeregter wurde sie. Die Vorstellung, daß sie meineidig und dadurch dem Zuchthaus verfallen sei, wurde zur fixen Idee bei ihr. Der Arzt, nach dem gesandt worden, erkläete, nichts thun zu können; möglichst Ruhe und Eingehen auf ihre Ideen, aber auch stete Beobachtung sei dringend geboten.
Frau v. Norden verging fast vor Angst. Die Ungewißheit, wie sich alles wenden würde, das lange Ausbleiben ihres Mannes wie auch BurghardS und Ludwigs, vor allem aber die anstrengende Pflege Ediths, die vor ollen fremden Gesichtern sich förmlich entsetzte und nur die Mutter um sich duldete, rieben ihre Kräfte beinahe auft
Burghard kehrte zurück und wollte an Hildegard schreiben; seine Mutter aber legte entschieden ihr Veto ein. Hildegard genoß zum ersten Mal ihr Leben, und dieser Genuß sollte ihr nicht durch Edith, die, wenn auch indirekt, ein so großes Leid in ihr Leben gebracht, verkümmert werden.
Ludwig Born war derselben Ansicht, aber er hatte einen anderen Ausweg gefunden. Er schrieb an Nora. Zwar stand sie ihm nicht nahe genug, um sich in Familienangelegenheiten so ohne weiteres an sie wenden zu können; denn sie hatte ihn damals bei chrer Abwesenheit, ziemlich von oben herab behandelt. Aber damals segelte sie in Großmamas Fahrwasser und heute war sie ihm vielleicht ja dankbar,' für den Fingerzeig, der sie zu Achims Familie und schließlich zu diesem selbst zurück- führte. (Forts, folgt.)