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Amts- und Anzeigeblalt für den Bezirk Lalw.
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tzrschnnt Di-nilag«, Donnerstag« und Samstag«. Dl- MnrüikungigcSahr b-t-Sgt imBeztrk und in nSqster Um- «eiung s Psg. dir Zelle, sonst 12 Psg.
Samstag, den 6. Juni 1896.
Abonnementrpreir vierteljLhrllch In der Stadt SO Psg. und 20 Psg. Trägerlohn, durch die Post bezogen MI. 1 . 15 , sonst I» ganz Württemberg MI. 1 . SS.
Tagesneuigkeiten.
Calw. Der Württ. Tierschutzverein hat wiederum eine Prämierung für Pferdeknechte, «velche mindestens 15 Jahre bei einem Dienstherr» zugebracht und sich durch sorgsame und menschliche Behandlung der ihnen anvertrauten Tiere ausgezeichnet haben, ausgeschrieben. Meldungstermin bis 1. Juli 1896. Ein amtlich beglaubigtes Zeugnis des Dienstherr» ist erforderlich. Bewerber, welche bei der Prämierung im Jahre 1893 des damaligen großen Wett- eHewerbs wegen zurückgestellt wurden, bedürfen einer Erneuerung ihrer Anmeldung nicht. Man wende sich an Sekretär Seybold in Stuttgart.
Nagold, 2. Juni. Gestern abend um 7 Uhr wurde die Einwohnerschaft durch Feuerlärm erschreckt; es brannte die zum Gasthaus z. „Schiff* gehörige große Scheuer. Trotzdem die Feuerwehr sofort am Platze war und eine unermüdliche energische Thätigkeit entwickelte, konnte sie den Flammen nicht mehr Einhalt thun, sodaß das Gebäude gegen 8 Uhr vollständig ausgebrannt war, und krachend in sich zusammenstürzte. Die Nachbargebäude konnten gerettet werden. Allgemeine herzliche Teilnahme wendete sich der jungen Besitzerin zu, welch- sich vor einem Vierteljahre mit Schiffwirt Stockinger verheiratete, letzteren vor kaum 14 Tagen durch den Tod verlor und nun vor den rauchenden Trümmern ihres Besitzes steht. — Die herrlich gelegene Kuranstalt Waldeck, welche in letzter Zeit viele Aenderungen im Innern und auch außen erfahren hat, wird demnächst für Lungenkranke eröffnet. — Gestern Nachm. '/-4 Uhr ging ein Wolkenbruch über der Markung Gün- dringen nieder; derselbe richtete an Feldern und Wiesen großen Schaden an.
Stuttgart, 4. Juni. In einer auf heute Nachmittag in den Saal von Weiß einberufenen Bäckerversammlung sprach als Referent der sozialdemokrat. Reichstagsabg. Molkenbuhr über den „Maximalarbeitstag in Bäckereien vor dem deutschen Reichstag." Dem Bundesrat sei 1890 die Befugnis singeräumt worden, zum Schutzs der Arbeiter, speziell auch im Bäckergewerbe, auf Grund deS Z 120 k der Gewerbenovelle vorzugehen. Nun, da er hievon mäßigen Gebrauch machen wolle, werde ihm das Recht dazu abgestritten. Und doch sei es klar, daß er gerade beim Bäckergewerbe den Anfang machen müsse, da dieses besondere Mißstände aufweise, wie die auf Bebels Anregung 1892 erhobene Enquete zeigte. Bäckergehilfe Rösler erwidert, daß die Einführung des Maximalarbeitstages der besonderen Verhältnisse in diesem Gewerbe halber nicht angehe. Dagegen müsse auf den Schutz der Lehrlinge gedrungen werden, damit die Meister sich nicht mehr blos mit Lehrlingen durchhelfen können. Ferner solle der Reichstag die Nachtarbeit verbieten. Uebrigens könne der Arbeiter selber doch manches zur Hebung und Besserung seiner individuellen Lage thun. Diese Ausführungen wurden von 2 sozialdemokratischen Rednern eingehend kritisiert. Bäckermeister Kälberer kommt hierauf zum Wort und entgegnet Molkenbuhr u. a , daß die Einführung des Maximalarbeitstages die Schichtarbeit und weiter den Ruin des Kleinbetriebs zur Folge hätte. Bebel habe bei seiner Enqutzte in der Haupt
sache sozialdemokratische Arbeiter gefragt. Redner ist für Einführung der Tagarbeit, ebenso für den Schutz der jugendlichen Arbeiter. Bebels Behauptung, die Mehrzahl der Bäcker sei syphilitisch, müsse mit Entrüstung zurückgewiesen werden. Die Verhältnisse in Hamburg haben mit dem Bäckergewerbe nichts zu thun. Molkenbuhr führt eine Berichtigung der Bebel'schen Behauptung an. Die Einführung des Maximalarbeitstages treffe gerade den Großbetrieb, bei dem die Arbeitszeit am häufigsten über 12 Stunden ausgedehnt sei. Die amtlichen Erhebungen stellen fest, daß in fast 1°/« der Betriebe über 18 Stunden gearbeitet werde. Bei so langer Arbeitszeit müsse der Reinlichkeitssinn verloren gehen. Die Regelung der Arbeitszeit komme dem Arbeiter in jeder Beziehung zu Gute und mache die gewissenlose Ausbeutung unmöglich. Nach einer weiteren Rede des Vorsitzenden, der von der Verkürzung der Arbeitszeit nicht Verwahrlosung, sondern im Gegenteil Hebung der Arbeiter erhofft, ergreift noch Hildebrand (Soz.) das Wort: Selbst von Seiten der Meister werde der Maximalarbeitstag für durchführbar gehalten. Daß Kälberer die Tagarbeit befürwortet, sei mit Freuden zu begrüßen. Bäckermeister Bärer erklärt, daß, wenn der 12stündige Arbeitstag Gesetz werde, sich die Meister dcknit abfinden müssen und können. Ein Geselle verlangt, die Meister sollen sich zusammenthun und selber die Mißstände abschaffen. Bäckermeister Kälberer entgegnet, daß dies ohne Hilfe gesetztlicher Bestimmungen unmöglich sei. Mit der 12stündigen Arbeitsnacht können sich nur gut situirte Meister abfinden. Er empfehle eine Resolution, daß die Versammlung die Einführung des Maximalarbeitstages verlange, wenn die Nachtarbeit abgeschafft werde. Schließlich wird die Resolution ohne diese Bedingung angenommen. Nach fast 4stündiger Dauer schloß die mehrfach stürmisch bewegte Versammlung.
Bückingen (Heilbr.), 1. Juni. Gestern nachmittag hielt Frau Klara Zetkin, die bekannte Agitationsrednerin der Sozialdemokratie, einen Vortrag. Unter dem Publikum war eine größere Anzahl Frauen zu bemerken. Mit einer fabelhaften Redegewandtheit sprach Frau Zetkin 3 Stunden lang über das Thema: „Die gegenwärtige Lage und die Sozialdemokratie*. Sie sprach immer lebhafter, manchmal leidenschaftlich und ließ an der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung kein gutes Haar. Die Sozialdemokratie ist für sie die einzige gesellschaftliche Macht, die für die Befreiung des werkthätigen Volkes eintritt, alle anderen sozialen Bewegungen, wie z. B. der ev.-soziale Kongreß, in dem wohl einige edle Männer sich befinden mögen, erreichen nichts. Pfarrer Nast von hier trat der Nednerin entgegen und wies auch die Angriffe auf den ev.-soz. Kongreß zurück. Frau Zetkin fand bei ihren Anhängern großen Beifall.
Da nächsten Herbst die Straße von Station Teinach nach Neubulach in Angriff genommen, und dieses Stäbchen den Sommer über von Ausflügler» und Luftkurgäste» häufig besucht wird, so dürfte es dem Leser dieses Blattes von Interesse sein, einiges aus der Vergangenheit Neubulachs zu lesen. Die Beschreibung ist einer topographischen Skizze eines
probators Lids entnommen, der dieselbe seinem Kurfürsten Friedrich (1803—1806) gewidmet hat.
GopogvapHifche Skizze von
Ueubnlach der Calw.
Von Herrn pi-odsloi» LIK« entworfen.
Jedem Beherrscher ist die Beschreibung seiner Städte und Dörfer eine interessante, wenigstens nicht unangenehme Lektüre. Neubulach hat noch keinen Topographen, noch Chronisten erhalten; historische Fragmente, die ich im hiesigen Archiv und anderswo gefunden, trage ich hier zusammen und lege damit meinem durchlauchtigsten Churfürsten und Herrn eine topographische Skizze von Neubulach unterthänigst zu Füßen.
Mit Uebergehung der alten Chronik», die mit der Sintflut anfangen, hebe ich nur das Nahe und Wahre heraus.
Bulach liegt zwischen Calw und Wildberg auf der Stirne des Schwarzwalds, welcher nur in einer Entfernung von einer Viertelstunde mit dem Nagold» thal endigt. Die hohe Lage des Orts, welche wohl unter die höchste des Landes gehört, gewährt dem neugierigen Auge des Beschauers die herrlichsten Aus» sichten auf das Albgebirge und in die unteren Regionen des Landes; die Sonne begrüßt seine Bewohner 1'/- Stunden früher, als seine weit tiefer schlafende Nachbarin Calw und erfreut sie abends Stunde länger mit ihrem Licht und Wärme.
Bulach gehört unter die ältesten, mit Stadt» gerechtigkeit begabten Oerter Württembergs; es ist so alt, daß man seinen Ursprung gar nicht anzugeben weiß. Die Geschichtsschreiber nennen z. B. immer eine Stadt. Sie war in »origen Zeiten in einem blühenden Zustand und sehr wichtig. Aber die veränderliche Laune der Fortuna hat diesen mit innerem Reichtum begabten Ort in einen weit geringeren Zustand versetzt, als er vor Jahrhunderten gewesen. Er trägt die deutlichsten Spuren der Vergänglichkeit auf seiner alternden Stirn.
Das ergiebige Silber- und Kupferbergwerk welches seinen Fürsten und schon einen römisch« König Ruprecht bewogen, Bulach zu einer Abstandsresidenz zu machen, hat wahrscheinlich dem Ort em besonderes Ansehen verschafft. Die in seinen unterirdischen Gebirgen verborgen gelegenen großen Schätze mögen auf seinen Besitz einen großen Wert gelegt und seine Befestigung zu desto sicherer Handhabung veranlaßt haben. Die starken und vielfachen Befestigungen beweisen, daß Bulach ein haltbarer Ort gewesen ist. Als der Schlüssel zu mehreren Gegend« und Thälern oder Gäuen war er in Kriegen wichtig; man flüchtete in seine festen Mauern und führte sogar Früchte in Verwahrung hinein.
Der Krieg unter Kaiser Karl I. war dem Berg» werk höchst schädlich; noch trauriger aber war für den Ort selbst der Bauernaufruhr, die Stadt wurde belagert und erobert, geplündert und verbrannt, unk» das Bergwerk zerstört. Bei der Wiedererbauung erhielt der Ort den Namen Neubulach. Verschiedene Versuche, den Bergbau wieder in Gang zu bring«, gewannen keinen Fortgang bis ums Jahr 1716. Die damals nur aus 10 Personen bestehende Gemeinschaft wurde von Jhro Herzoglichen Durchlaucht Eber- Hardt Ludwig mit ansehnlichen Bergfreiheiten wüb Privilegien begnadigt, wodurch sich die Societät vermehrte und der vollständige Anbau des Bergwerk zu stände kam, welcher auch 40 Jahre mit vollem Gewinn fortgesetzt worden, aber gegen bas Jahr 1760