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gezählt und namentlich Fürst Bismarcks Verdienste betont werden. Die Thronrede schließt:Das deutsche Reich aber wird, weit entfernt davon, eine Gefahr für andere Staaten zu sein, begleitet von der Achtung und dem Vertrauen der Völker, nach wie vor eine starke Stütze des Friedens bleiben." Darauf gelobte der Kaiser,für des Reiches und des Volkes Ehre und Wohlfahrt einzustehen, sowoAnach innen, als auch nach außen: Ein Reich, Ei< ÄolS, Ein Gott!" Beim Festmahl im Weißen Saale brachte der Kaiser ein Hoch auf das deutsche Vaterland aus, worin er das deutsche Reich ein Weltreich nannte und das Volk aufforderte, ihm zu helfen, das in den Kolonien bestehendegrößere deutsche Reich fest an unser heimisches zu gliedern." Aus Anlaß des Jubiläums hat der Kaiser einen neuen Orden, den Wilhelm Orden» gestiftet, ein an goldener Kette zu tragendes goldenes Kleinod. Der Orden soll an solche Personen verliehen werden, die sich um die Wohlfahrt und Veredlung des Volkes, besonders auf sozialpolitischem Gebiete Verdienste erworben haben. Es erhielten ihn 7 Herren und 8 Damen.

Dem Fürsten Bismarck hat der Kaiser in einem sehr gnädigen Handschreiben seinen allerhöchsten Dank für seine Verdienste um die Wiederaufrichtung des Reiches ausgesprochen und ihm seinen Entschluß mitgeteilt, zur bleibenden Erinnerung an sein unver­geßliches Wirken für Kaiser und Reich das Bildnis des Fürsten in ganzer Figur in Lebensgröße malen zu lassen und demselben einen Ehrenplatz im Neichs- kanzlerpalais anzuweisen. Dem württembergischen Ministerpräsidenten Freiherrn v. Mittnacht wurde die Marmorbüste Kaiser Wilhelms des Großen verliehen. Der Staatssekretär Dr. v. Stephan erhielt die Büste des Kaisers, der Generalfeldmarschall Graf Blumen­thal ein in prachtvollem Rahmen befindliches Bild, die Kaiserproklamation in Versailles darstellend.

Wie die deutschen Blätter, so haben auch die meisten Wiener Zeitungen dus deutsche Jubiläum besprochen; letztere heben die wärmste Teilnahme des verbündeten Österreich-Ungarn hervor. DasFremden­blatt" rühmt den festen Zusammenschluß, die zu­nehmende Kraftsülle und die unverbrüchliche Friedens­liebe des deutschen Reiches, wodurch es die Feinde enttäuscht habe, und betont das feste natürliche Bündnis mit Oesterreich-Ungarn.

Das deutsche Kaiserpaar wird im Februar auf einer Dacht das Mittelmeer befahren und bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich dem auf Cap Martin weilenden Kaiser Franz Josef, sowie dem russischen Thronfolger in Nizza Besuche abstatten.

Ausland.

Die englische ZeitungDaily Chronicle" meldet aus Konstantinopel: Das Handschreiben der Königin Victoria an den Sultan, das der britische

Botschafter dem letzteren überreichte, beklagt die jüngsten Metzeleien und warnt den Sultan; sein Thron schwebe in Gefahr, falls die Unordnungen nicht sofort auf­hören. Der Sultan erklärte, die Königin sei schlecht unterrichtet. Es seien mehr Türken als Armenier in den jüngsten Wirren, die von der englischen Presse vorsätzlich übertrieben würden, getötet worden. Er gedenkt das Schreiben der Königin in diesem Sinne zu beantworten.

Der russischeRegierungsbote" veröffentlicht einen Erlaß des Kaisers, welcher ankündigt, die Krönung -es Kaisers und der Kaiserin werde im Mai in Moskau stattfinden. Ein weiterer Befehl des Kaisers enthält die Aufforderung, zu dieser Feier die ständischen und sonstigen Vertreter des russischen Reiches zu laden.

Nach der Meldung eines Wiener Blattes würde Fürst Ferdinand von Bulgarien nächster Tage abdanken. An Wiener maßgebender Stelle ist hier­von nichts bekannt, doch gilt die Lage Bulgariens als kritisch. Zu einer Abdankung scheint es indessen nicht zu kommen, denn wie in Konstantinopel versichert wird, hat der bulgarische Exarch die Ermächtigung er­halten sich wegen der orthodoxen Taufe des Prinzen Boris nach Sofia zu begeben. Er dürfte bald dorthin abreisen.

Vom Kriegsschauplätze in Abessynien wird berichtet, daß der Negus Menelik an den General Baratieri das Verlangen, Frieden zu schließen, gestellt und um Ernennung seiner Bevollmächtigten ersucht hat.

Der spanische Ministerrat hat einstimmig be- schHMr, den Marschall Marlinez Campos in- folg^WM Meinungsverschiedenheit mit den politischen Cuba abzuberufen und ihn einstweilen durch dil'Generäle Marin und Pando zu ersetzen; zur definitiven Uebernahme des Kommandos auf Cuba find die Generäle Polavieja und Wepler ausersehen. Der Marschall hat sich bereits auf einem spanischen Postdampfer nach Spanien eingeschifft.

Tagesnenigkeiten.

* Calw, 23. Jan. Am Dienstag früh vor 1 Uhr wurde hier ein Erdstoß verspürt. Ver­schiedene Personen erwachten an der starken Bewegung, welche in der Richtung von Ost nach West erfolgte. Durch die Erschütterung gerieten die Gegenstände in den Zimmern in ein leichtes Schwanken. Auch an anderen Orten Württembergs wurden Erdbeben­erscheinungen zu der gleichen Zeit beobachtet.

-u. Weilderstadt. Am gestrigen Dienstag, den 2l. Januar d. I., feierte der städtische Holz­messer Johannes Hipp mit seiner Ehefrau Barbara H. geb. Ricthmüller das Fest ihrer goldenen Hochzeit. Der Jubilar ist 78 Jahre, die Jubilarin 80 Jahre alt; beide sind noch gesund und rüstig. Am Vorabend des gewiß seltenen Festes wurde das

Jubelbrautpaar durch ein Ständchen des Gesang­vereinsSängerbund" höchst angenehm überrascht. Am Festtag selber war vormittags um 9 Uhr feier­licher Kirchgang und abends von 5 Uhr an gesellige Nachfeier im Gasthaus zumRitter", an welcher neben den Angehörigen und Verwandten des Jubel­paares sich auch die übrigen Einwohner hiesiger Stadt allgemein beteiligten. Möge das Paar noch manches Jahr in froher Gesundheit miteinander verleben dürfen.

-n. Weilderstadt. (Marktbericht.) Der Viehmarkt am letzten Montag den 20. ds. Mts. wär stark befahren. Es wurden zugetrieben: 228 Ochsen, 456 Kühe und Kleinvieh. Der Handel ging zwar etwas stockend; doch wurden für Fettvieh und schöne Tiere annehmbare Preise erzielt und wurde auch lebhaft gehandelt. Für schwere Ochsen wurden bis zu 1300 ^ bezahlt. Auf dem Milchschwein- Markt waren 212 Körbe zugeführt. Die Preise für 1 Paar Milchschweine bewegten sich von 13 bis gegen 20 Läuferfchweine wurden 52, Pferde 33 feil­geboten.

Stuttgart, 23. Jan. In einer der letzten Nächte ist in das Comptoir des Hrn. Kronemann, Pächters des Cafö's im Königin Olga-Bau, einge­brochen und der Betrag von mehreren Hundert Mark aus dem Pulte des Oberkellners gestohlen worden. Letzterer hatte vergessen, den Betrag in dem diebes­sicheren Kassenschrank zu verwahren, und die Annahme scheint nicht unbegründet, daß der Einbrecher diese Thatsache gekannt hat. Bis sitzt ist der Einbrecher noch nicht ermittelt.

Ludwigsburg, 22. Jan. In voriger Woche wurden einem Beamten, welcher vorübergehend hieher versetzt ist und in einer hiesigen Wirtschaft Wohnung, genommen hat, aus seinem Neisekoffer 180 ^ in Gold auf erschwerte Weise gestohlen. Durch die eifrige und umsichtige Fahndung des hies. Stations- kommandanten Sixt wurde der Thäter in dem 17 Jahre alten Sohn der Besitzerin jenes Wirtschafts­gebäudes, welche sehr vermöglich ist, ermittelt und in Stuttgart zur Hast gebracht. Das Geld hatte er bereits verjubelt; auch hat der Bursche noch weitere schwere Diebstähle an dem Dienstpersonal jener Wirt­schaft verübt.

Sulz a. N., 23. Jan. In vergangener Nacht kurz vor 1 Uhr ist hier ein ziemlich starker Erdstost wahrgenommen worden. Viele Personen erwachten an einer teils als Stoß, teils als wellenartige Be­wegung empfundenen Erschütterung, die besonders auch durch Klirren und Krachen von Geräten sich- äußerte. Auch in benachbarten Orten wurde der Stoß gespürt und mehrfach ein donnerähnliches Rollen vernommen.

Berlin, 24. Jan. DasBerliner Tage­blatt" meldet aus Rom: DerJtalia Militare"'

*n allen Häusern, welche ich betreten hatte, wurde nachgeforscht, allein alle Mühe war vergebens. Wohl zwanzig Mal wurde ich von dem schon am nächsten Tage hier eintreffenden Postmlpcctor verhört, und ich sagte mir später, wenn irgend Jemand den Dieb hätte ermitteln können, so wäre es dieser kluge und energische Beamte ge­wesen. Aber auch er mochte den Schleier dieser geheimnisvollen Geschichte nicht zu lüften und reiste am vierten Tage wieder ab. Vorher hatte er mir noch im barschen Tone die mir leider längst bekannte Thatsache eröffnet, daß ich, da der Geldblies während er sich in meinem Verwahrsam befand, abhanden gekommen sei, daß ich den vollen Betrag zu ersetzen habe. Nebenbei hatte er meine Enthebung von dem Posten eines Geldbriesträgers verfügt und diese Stelle einem anderen Kollegen übertragen. Was das olles für mich bedeutete, können Sie sich denken. Ich konnte den hohen Bekag von sechstausend Mark nur durch den Verkauf meiner Leinen Besitzung erschwingen. O. ich will Sie nicht mit der Schilderung meines Gemüts­zustandes langweilen. So etwas muß man selbst erlebt haben, um cS mir noch­fühlen zu können. Meine Familie erlebte ein trauriges Christfest; keinen Lichterglavz und frohen Kmderjudel sah dieses Jahr unser HauS. Mein armeS Weib war schließ­lich noch die einzige, welche in meiner Familie nicht den Kopf verlor, und heute noch danke ich dem Schöpfer, daß er mir in diesen Stunden der Verzweiflung eine solche Lebensgefährtin zur Se'ts gab. Sie klagte nicht und jammerte auch nicht. Sie weinte sich einige Stunden lang über mein Unglück satt, dann versuchte sie, mich aufzurichten.

.Konrad," sprach sie freundlich,was wir durch dein Unglück verlieren, ist doch nur irdisches Gut, und solches kann man durch Fleiß und Sparsamkeit wieder erwerben. Wir sind beide gesund, haben Lust zur Arbeit, und da fangen wir ein­fach wieder von vom an. Die Kmder bedürfen der Pflege und Wartung nicht mehr" mein Jüngstes war bereits vier Jahre altdie Kleinen können wir den größeren Kindern schon zur Wartung anvertrauen, sodaß ich tagsüber zum Nähen aus dem Hauke gehen kann. Ich Hab« mir früher mit dieser Arbeit ein schönes Stück Geld verdient, kurz, mein guter Mann, fasse Mut,der alte Goit lebt noch'; er wird uns nicht verlassen. Ach. das waren goldene Worte, die mir tvohlthaten und die mich in Etwas wieder aufrichteten leider nur für kurze Zeit.

Am Tage vor dem Neujahrsfeste erschien plötzl ch in früher Morgenstunde der Postinspeclor wieder. Offenbar habe sich der gestrenge Herr bei seinem hohem Vorgesetzten darüber Rat geholt, was mit mir zu beginnen sei. Er Halts m t dem Chef eine lange geheime Unterredung, nach welcher sich Beide in die Stadt begaben^ Etwa gegen acht Uhr am Abend wurde ich in das Dienstzimmer deS Herrn Direk­tors beschieden, wo mir der Herr Postinspc ctor sogleich mit der Frage entgegen trat ^ Woher eiaentlich die für meine Stellung ungewöhnlich hohe Summe von fünf­hundert Mark stamme, welche ich gleich nach dem Christfeste an einen Geldvcrleiher im Orte gezahlt habe?

Sie können sich denken, wie eine derartige Frage auf mich einwirkte. Man hatte danach im Geheimen meinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachgespüit. der Postinspector schöpfte, da der scheußliche Vorfall sich nicht ausklären wollte, zuletzt gegen mich selbst Verdacht, und da er. wie cS schien, einen Schuldigen unter allen Umständen ermitteln mußte, so lag es für ihn nahe, mich selbst zunächst für denselben anzusehcn. Dieser durch nichts begründete Verdacht brachte mein Blut in heftige Wallung. War eS nicht genug, daß ich mein ganzes Besitztum zu opfern bereit war? Trachtete man auch danach, mich moralisch zu vernichten, indem man mir wegen des Geldes durch solche Fragen eine Falle stellte, sodaß ich mich si streben sollte? Heute, wo mein Blut ruhiger fließt, sehe ich die große Tborheit' ein. welche ich damals beging. Ich stellte mich nämlich nach jener Frage auf den Standpunkt deS Verletzten und sagt- dem in Postkreisen wegen seiner Rücksichts­losigkeit höchst unbeliebten Herrn, daß ich eigentlich eine derartige Frage, welche für mich einen ehrverlitz-.nden Hintergedanken in sich berge, nicht zu beantworten brauche» weil sie meine Privatverhältnisse berühre, und diese Niemand etwas angingen. Wie gesagt, eS war eine Thorheit, bei solchem außergewöhnlichen Vorkommnis den Ent­rüsteten zu spielen. Ich war abrr nun einmal in solchen Dingen sehr empfindlich, und so hatte meine Antwort eine von der erhofften ganz entgegengesetzte Wirkung. Der Herr blieb ganz ruhig auf meine erregte Antwort, nur ein kurzer siegeSgen»sser: Blick aus seinen grauen durchdringenden Augen flog zu meinem guten Chef hinüber und machte diesen erbleichen.

(Fortsetzung folgt.)

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