dort vom wachehabenden Offizier unter Entstellung des Sachverhalts eine Wachmannschaft von fünf Ge­meinen und einem Unteroffizier geben. Mit dieser erschien er plötzlich halb 1 Uhr wieder imPschorr- bräu", ließ die Thür besetzen und stürzte mit dem Ruf ins Zimmer:So, jetzt komm' ich mit Gewalt". Zech befahl den Soldaten, sich durch das dicht besetzte Lokal zu drängen und drei Herren, die angeblich ge­klatscht hatten, zu verhaften. Als hierüber nicht ge­rade freundliche Worte fielen, die anwesenden Frauen und Kinder zu weinen anfingen und die drei zu ver­haftenden Herren Protest erhoben, indem sie sagten: Glauben Sie vielleicht. Sie sind in Fuchsmühl?" kommandierte Sergeant Zech ohne weiteres :Legt an, Feuer!" Nur dadurch, daß den Soldaten in die Arme gefallen wurde und der die Wache führende Unteroffizier die Soldaten veranlaßt?, nicht zu schießen, wurde ein Unglück verhütet. Dis drei Herren ließen sich nun arretieren und folgten zur Wache. Unter­suchung ist eingeleitet.

Spandau, 2. Jan. Hier ist der seltene Fall vorgekommen, daß zwei Avancierte wegen Wilddieberei verhaftet worden sind. Die Schreß- stände der Jnfanterieschießschule und der Gewehrprüfungskommission sind inmitten wilvreicher Gebiete des Grunewalds belegen. Die Hirsche und Rehe, an das Gewehrfeuer gewöhnt, halten sich ohne Scheu rudelweise in der Nähe der Schießstände auf. Seit einiger Zeit wurde nun mehrfach angeschossenes oder gelötetes Wild vorgefundcn; es entstand der Verdacht, daß Wilderer hier ihr Wesen trieben. Zu­erst hielt man Zivilpersonen für die Thäter und be­obachtete scharf die Pächter benachbarter Privatjagden. Unlängst cndeckte man aber in dem Kopf eines erlegten Schauflers das Geschoß eines Acht-Miuimeter-Gewehrs. Nun war cs klar, daß Soldaten an der Sache be­teiligt waren. Am Weihnachtsabend wurde auf der Charlottenburger Chaussee ein von der Richtung der Schicßschule kommendes Fuhrwerk angehalten; darauf befanden sich vier Stück Rehwild und Begleiter des Wagens war ein Sergeant von einem Berliner Regiment. Das von den Schießständen herrührende, heimlich erlegte Wild sollte zum Verkauf nach Berlin geschafft werden. Der Sergeant wurde von dem Gendarmen und dem Förster, die ihn betroffen hatten, aretiert und nach Spandau gebracht. Auf seine Aus­sage hin ist gleich darauf noch ein Oberjäger der Schießschule als Mitschuldiger verhaftet worden.

Vermischtes.

Die Prophezeihung desVorwärts" für das Jahr 1896. DerVorwärts" prophezeiht für 1896, in welches Jahr Liebknecht ja schon früher einmal den großen Kladderadatsch verlegt hat, das Ende der verkommenen bürgerlichen Gesellschaft: Die menschliche Gesellschaft müßte in Rohheit und Schmutz ersticken, wären die Tage des Kapitalismus nicht gezählt. Die moralische Fäulnis ist ein Ver­faulen; von Tag zu Tag offenbart sich augenfälliger und handgreiflicher die Barbarei und Gemeinschädlich­keit des Kapitalismus. Er selber glaubt nicht mehr an sich. Wer er durch den Mund seines Hohen­priesters Bismarck predigt, daß es nur ein Mittel

giebt, den Sozialismus zu überwinden: die Sozialisten vor die Achtmillimetergewehre zu locken und totzu­schießen dann hat er sich aufgegeben. Ein System das keine andere Stütze hat, als die Flinte, die schießt und den Sabel, der Halit, ist gerichtet, schimpf­lichem Tode geweiht. Kein Köller und kein lieber« köllerer des Köller kann die Vollstreckung des Schick­salsspruches hindern. Wir haben bessere Waffen, an denen die Achtmillimeter zu Schanden werden. Wir haben unser Ziel und kennen den Weg. Unsere Feinde tappen im Dunkeln und die Kleinlichkeit der Maßregelnzur Bekämpfung der Sozialdemokratie" ist das geistige Zwergmaß unserer Feinde. Was immer diese gegen uns thun mögen, wird für uns gcthan."

Bauernregeln. Januar muß vor Kälte knacken, wenn die Erde gut soll sacken. Wenn Frost nicht bis im Januar kommen will, so kommt er im März und im April. Giebt's im Januar viel Regen, bringt's den Früchten keinen Segen. Gelinder Januar bringt ein spätes Frühjahr. Wenn's im Januar donnert über'm Feld, so kommt später große Kalt'. Januar warm, daß Gott er­barm. Viel Regen, wenig Schnee thut Aeckern und Bäumen weh. Wächst das Gros im Januar, ist's im Sommer in Gefahr. Ist der Januar naß, bleibt leer das Faß. Am Weihnachtstage wächst der Tag, soviel die Mucke gähnen mag; am neuen Jahrtag wächst der Tag, soweit der Haushahn schreien mag. Am Vinzenzi <22. Januar) Sonnenschein, bringt viel Korn und Wein. Petri Stuhlfeier (18. Januar) kalt, wird vierzig Tage alt.

Erfahrene Waldhüter wollen aus dem Stande der gegenwärtigen Waldpflanzen darauf schließen, daß wir den bisher milden Winter auch fernerhin behalten werden. Nach Aufzeichnungen waren 1834 und 1816 gelinde Winter, 1807 gab es fast keinen Winter; 1792 blühten im Februar sämt­liche Bäume, schon im Januar war das Heizen der Zimmer nicht mehr erforderlich; 1659 gab es keinen Schnee und keinen Frost, 1617, 1609 und 1607 keinen Winter; 1588 und 1582 waren die Bäume im Februar grün, 1538 standen im Dezember und Januar die Gärten im vollen Blütenschmuck; 1241 blühten die Bäume im März und im April gab es reife Kirschen ; 1229 gab es gar keinen Winter und zu Weihnachten schon Veilchen; 1287 waren im Winter die Bäume neu belaubt. Die milden Winter im Jahre 1873 und 1882 sind noch in aller Erinnerung.

Kandw. Kezirksverein.

Am Mittwoch, den 8. Jan., nachm» 2 Uhr, findet im Saale von Bierbrauer Dreiß in Calw eine Generalversammlung statt, wobei nach­stehende Gegenstände zur Verhandlung kommen werden r Beschickung der Ausstellung der Deutschen Land­wirtschafts-Gesellschaft in Stuttgart;

Gründung eines Bezirkeobstbauvereins;

Wahl eines Ausschußmitgliedes.

Vortrag von Herrn Verw.-Aktuar Rapp in Nagold über Hagelversicherung und Anleitung zu Auf­nahme ganzer Gemeindemorkungen in dieselbe.

Calw, 3. Jan. 1896.

Der Vereinsvorstand:

Voelter, Oberamtmann.

spanischen Heeresabteilungen verfolgt. Es haben da­bei mehrere Gefechte stattgefunden, die auf beiden Seiten zahlreiche Verluste herbeiführten. Die Rebellen sengen und brennen auf ihrem Wege. In Cadix wurden 2000 Mann Verstärkungstruppen nach Kuba eingeschifft.

> Tagesneuigkeiten.

Ternäch, 3. Jan. In dem eine Stunde von hier entfernten Waldort Breitenberg herrscht schon seit Wochen in verschiedenen Häusern der Typhus. Eine Reihe von Todesfällen kam schon vor; so ver­lor ein Witwer nacheinander drei Kinder im Alter von 9, 16 und 17 Jahren. Den ganzen Dezember durch war die Schule geschloffen; erst jetzt, nachdem die Krankheit in ihrer Heftigkeit nachgelassen hat, konnte sie wieder eröffnet werden.

Herrenberg, 3. Jan. In der Neujahrs­nacht hat sich in Nufringen der 19jährige Sohn des Schreiners S. erschossen. Furcht vor Strafe scheint den jungen Mann zu diesem traurigen Schutt ver­anlaßt zu haben.

In Marbach brach am Samstag in einem Hause beim Rathaus Feuer aus, das jedoch bald unterdrückt werden konnte. In Stuttgart suchten in der Nacht von Sonntag auf Montag 2 Individuen, angeblich ein Schmied und ein Schlosser in einer Wirtschaft in der Gartenstroße einzubrechen. Von den noch anwesenden Gästen wurden sie aber bemerkt und verfolgt, wobei ihnen noch das Mißge­schick zustieß, von 2 dienstthuenden Schutzleuten in Civil angehalten zu werden. Beide befinden sich jetzt in Haft.

Stuttgart, 2. Jan. Das hiesige Bankhaus Stahl u. Federer feierte gestern den Tag seines hundertjährigen Bestehens, aus welchem Anlaß zahl­reiche Beglückwünschungen eingetroffen waren. Das Personal wurde mit namhaften Geschenken bedacht. Zwei der Inhaber des Bankhauses, Adolf Vellnagel und Julius Federer, erhielten das Ehrenkreuz der Württ. Krone.

Pinache, 2. Jan. Heute waren die Staats­anwaltschaft und das Amtsgericht mit mehreren Land­jägern hier. Der Kirchhof wurde photographisch aus­genommen. Leider hat man noch keine Spur des schändlichen Thäters, der sämtliche Grabsteine um­warf, alle Kreuze von den Gräbern riß, solche auf das Feld trug und teilweise an Obstbäumen aufhing. Man möchte fast glauben, es wäre die That eines Wahnsinnigen. Der Ortsgeistliche hielt den gestrigen Nachmittagsgottesdienst auf dem Kirchhofe ab, unter Teilnahme fast sämtlicher Gemeindemitglieder.

München, 2. Jan. Ein nahezu an Wahn­sinn grenzendes Verhalten hat der Sergeant Zech vom hiesigen Trainbataillon imPschorrbräu" in der Neuhauserstraße in der Sylvesternacht gezeigt. Der­selbe hatte in dem dicht besetzten Lokal zwei Gemeine antreten lassen, was seitens der anwesenden Gäste mit Gelächter und Händeklatschen ausgenommen wurde. Zech, der sich dadurch gereizt fühlte, verließ darauf das Lokal, begab sich zur Hauptwache und ließ sich

heutigen Christabend das schönste und höchste Glück genießen: den verloren geglaub­ten Sohn wieder in die Arme schließen zu dürfen.

Mit di, sen G,danken beschäftigt, harrte Hedwig gespannt auf die Ankunft des Zuges. Dieser lief schon nach wenigen Minuten Wartens ein. Hedwigs Augen spähten suchend an den Coupeefenstern der III. und IV. Klaffe entlang. Da was war das? AuS einem Fenster in der II. Klaffe winkte Jemand grüßend nach ihr mit der Hand. Der Grüßende war Hans. Die Schaffner öffneten geschäftig die Thüren. Hedwigs Erstaunen aber wuchs, als sie HanS jetzt im tadellos neuen An­zug« und sauberer Wäsche, in der Hand einen eleganten Nsisekoffer tragend, den Bahnsteig betreten und auf sie zueilen sah. Ihr erster Gedanke war:Wie? dieser nobel gekleidete Mensch, der heute II. Klaffe fährt, bettelte gestern noch bei dir um einig« Thaler Reisegeld, und du hast, um ihm die Reise zu seiner Mutter zu ermög­lichen. das letzte Andenken an deine Mutter geopfert? Was bedeutet diese Komödie? Sie hatte HanS in der Kleidung eines Stromers und Vagabunden erwartet. mit dem sie das größte Mitleid empfand.Sollte er wirklich in Berlin bereits so tief gesunken sein, daß er sich nicht scheute, von ihr Geld zu erbetteln, nur um beim Ein­treffen in der Heimat wie ein nobler Herr austreten zu können? Oder ein noch furchtbarerer Gedanke schoß ihr durch den Kopf hatte er in der Zwischenzeit sich Geldmittel zu verschaffen gewußt, so konnte cS nur auf unredliche Weise sein und glaubte er vielleicht, sie und die Deuter merkten nicht, daß er keine reine Sache hatte? Sollte seine Wirtin doch recht behalten mit ihrer Behauptung, daß er sich auf der abschüssigen Bahn befände? Solche Gedanken schossen Hedwig bei seinem Erscheinen blitzartig durch den Kopf, und sie kam zu der Ueberzeugung. daß er sie und seine arme Mutter zu täuschen beabsichtige. Ja, Täuschung schien alles an ihm, »ur sein blasses, krankes Gesicht war echt, das konnte nicht täuschen. Hatte sie bis­lang nur der zur Vorsicht mahnenden Stimme des Zweifels für kurze Zeit ihr Ohr geliehen, so gewann jetzt plötzlich eine west stärkere Empfindung über sie die Ober­hand, das Mißtrauen.

Hans streckte mit einem langen, unendlich erfreuten Blick in da» ihm so

j teure Antlitz Hedwig die Hand entgegen.Wie geh-s Dir, was macht die Mutter?" rief er gespannt. Aber sie legte stumm und ohne ihm einen Schritt entgegen zu thun zögernd ihre Hand in die seinige.Es hat uns nicht gut gegangen," antwor­tete sie kaum hörbar. Er fühlte zwar sofort die Verst mmung an Hedwig, aber er hatte sich von vornherein auf keinen sehr herzlichen Empfang vorbereitet und er zürnte ihr nicht. Wie die Dinge sich gestaltet hatten, mußte sie sowohl wie die Mutter an ihm irre geworden sein; und da er nichts weiter, als sein in bester Ab­sicht geschehenes Zögern in der Darlegung seiner Verhältnisse zu bereuen batte, so glaubte er. durch eine offene Aussprache die Verzeihung der Mutttr und Hedwigs bald erringen zu können.

Du zürnst mir, Hedwig, daß ich Euch Lieben so lange ohne Nachricht ließ?" begann er zaghaft, als sie nach kühler Begrüßung sich zum Gehen wandte.

Allerdings!" gab sie ruhig zur Antwort. .Nach Deinem Briefe zu schließen, mußte ich auf das Wiedersehen eines Todkranken gefaßt sein. Ich bewundere Deine G schicklichkest, mit der Du Dich vom .elenden Vagabunden" so schnell wieder zu einem äußerlich anständigen Menschen aufgeschwungen hast. Dein Brief war wohl nur ein Scherz? Allerdings hat derselbe mich das lctzte teure Andenken an meine Mutter gekostet."

Sie ging schnell weiter während sie das sagte, und er hatte Mühe, ihr zu folgen. In seinem blaffen Antlitz malte sich Bestürzung und Schmerz. Sie zürnte ihm nicht, nein, sie verachtete ihn bereits, das fühlte er deutlich. M>t einer flehent­lichen Geberde gr-ff er nach ihrer Hand. .B tte, Hedwig, geh' nickt so schnell, ich fühle mich nach der langen schweren Krankheit und den Entbehrungen der letzten Tage noch recht schwach, das ist auch der Grund, wcShalb ich nur die B quemlich- keit einer Fahrt in der II. Klaffe gestattete.

Sie blieb «inen Memevt stehen. .Entbehrungen!" ries sie in schlecht ver­hehltem Zorn.Ich denke wer zweitcr Klaffe fahren kann, der braucht sich keine Entbehrungen" auszuerlegen." Sie entzog ihm ihre Hand, schritt aber sitzt im langsameren Tempo weiter. (Fonsitzung folgt.)