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auSströmung ist gestern Nacht Rechtsanwalt Leo- old Bacher auf traurige Weise ums Leben ge- ommen. Vermutlich infolge einer Vergeßlichkeit strömte das Gas, wie man hört, von einem Neben­zimmer in das Schlafzimmer des schon ziemlich be­jahrten Herrn ein und bewirkte rasch eine so inten­sive Gasvergiftung, daß der Genannte morgens tot im Bette gefunden wurde. Bacher war Junggeselle und befand sich in so günstigen Vermögensoerhältnifsen, daß jeder Gedanke an einen freiwillig auf diese Art gesuchten Tod ausgeschlossen erscheint.

Reutlingen, 34. Dez. Ein erschütternder Unfall ereignete sich gestern vormittag bei der Ein­fahrt des um 9'/- Uhr von Tübingen her hier an- kommenden Güterzugs. Der Schaffner Anton Huber aus Tübingen sprang von dem noch in Bewegung befindlichen Zug ab, rutschte auf dem glatten Perron aus und fiel so unglücklich unter die Näder, daß ihm dieselben über den Leib weggingen. Huber, der eine Frau und 3 Kinder hinterläßt, war sofort tot.

Berlin, 2l. Dez. Ein amüsantes Urteil soll das OsnabrückerköniglicheAmtsgericht bei der Zurückweisung einer Klage abgegeben haben. Der Produktenhändler Wilhelm Hesse in Os­nabrück hatte den Polizeibureau-Assistent Gösling wegen Beleidigung verklagt; die Klage wurde unter folgender Begründung zurückgewiescn:Der Kläger scheint beeinflußt zu sein von ver Krankheit der modernen Zeit daß er für seinen Stand eine schönere Bezeichnung begehrt, als sie im täglichen Leben üblich ist. Heutzutage will der Schneider kein Schneider mehr sein, sondern ein Kleidermacher und der Schuster kein Schuster, sondern ein Stiefel­fabrikant. Ebenso will der Kneipwirt ein Restaurateur sein, der Jude ein Israelit und der Droschkengaul ein Roß! Trotzdem läßt sich aber die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß seit Menschengedenken Jemand, der Lumpen, Knochen und anderes Gerümpel sammelt, um damit zu handeln als Lumpen­sammler bezeichnet wird und so wird es auch bleiben !"

Berlin, 33. Dez. Der Kaiser hat sich von dem leichten Unwohlsein, welches ihn an der Teilnahme einer militärischen Festlichkeit verhinderte, wieder erholt. Er promenierte gestern etwa eine halbe Stunde im Park von Sanssouci.

Berlin, 33. Dez. In der Angelegenheit des Ceremonienmeisters v. Kotze wird jetzt seitens der Behörden gegen eine Anzahl Personen vorgegangen, welche als Zeugen und Sachverständige in der Sache ihre Bekundungen gemacht haben. Unter anderem soll nach demLokalanzeiger" gegen einen Schreib­fachverständigen in dieser Angelegenheit vorgegangen werden.

Berlin, 23. Dez. Der Herausgeber und Redakteur des antisemitischen Blattesdeutscher Ge­neral-Anzeiger", Karl Sedlatzek wurde heute vor der 8. Strafkammer des Landgerichts I. wegen Maje­stätsbeleidigung zu drei Monaten Festung verurteilt. Der Staatsanwalt hatte ein Jahr Gefängnis be­antragt.

Brüssel, 23. Dez. In dem vornehmen

Brüsseler Hotel Bellevue fand Nachts eine Gas­explosion statt, welche eine Panik unter den Hotel­gästen hervorrief. Zwei Hotelbedienstete wurden ver­wundet.

Paris, 24. Dez. Der türkische Botschafter in London wurde von einem Redakteur desGaulois" interviewt. Derselbe erklärte, daß die Lage im Orient sich- gebessert habe und der Sultan mit Hilfe der Mächte die Ruhe wieder Herstellen und alle Reformen durchführen werde.

Belgrad, 24. Dez. Hier herrscht eine un- gemeine Aufregung wegen eines Einbruchsdieb­stahls in der serbischen diplomatischen Agentur in' Sofia, welcher während der Abwesenheit des diplo­matischen Agenten ausgeführt wurde. Die Diebe erbrachen sämtliche Kisten und Schreibtische, worin die gesamte diplomatische Correspondenz, wichtige Briefe u. s. w. sich befand. Alle wichtigen Papiere wurden von den Dieben mitgenommen. Man glaubt, daß eine kundige Hand im Spiele war und daß der Dieb­stahl den Zweck hatte, das Aktenmaterial zu erlangen.

Rom, 24. Dezbr. Die königliche Münze ist benachrichtigt worden, sofort Münzen von 1 und 2 Francs für die Colonie Eritrea zu prägen. Die Münzen werden das Bildnis König Humberts mit der Krone tragen und an Stelle der alten, welche eingezogen werden, kursieren.

Rom, 24. Dez. Die Nachrichten aus Afrika lassen ein stetiges Vorrücken des Feindes erkennen. Das Gros des Heeres nähert sich unter Menelik. Ras Makonnen steht dicht vor Makalle.

Athen, 24. Dez. Die türkischen Truppen auf Kreta werden keine weitere Offensive ergreifen, wenn sie nicht gereizt oder angegriffen werden.

London, 24. Dez. Aus New-Aork wird von verschiedenen Bankhäusern gemeldet, daß das Vertrauen nach und nach zurückkehrt. Die Ansicht ist vorherrschend, daß der anglo-amerikanische Conflrkt gütlich beigelegt werden wird.

New-Z)ork, 26. Sept. Präsident Cleve­lang beklagte sich mehreren Kongreßmitgliedern gegen­über, daß aus seiner Botschaft zu schnelle Schlüsse gezogen wurden. Er perhorresziere jedes Kriegs­geschrei und wünsche nur Gerechtigkeit. Wenn Eng­land sich im Recht befinden sollte, so werde die er­nannte Kommission dies sicher feststellen. Er werde dann die ganze Angelegenheit fallen lassen.

Vermischtes.

Herr Schultheiß Weiß in Albers, Post Wurzach, hatte das Glück als Abonnent des Landwirtschaft!. General-Anzeigers in Rottenburg a. Neckar aus der, mit dem Abonnement verbundenen Verlosung landwirtschaftlicher Geräte, einen eisernen Pflug aus der Fabrik von Gebr. Eberhard in Ulm u gewinnen. Der genannte Anzeiger ist seines ehr gediegenen Inhalts wegen über Land- und Haus­wirtschaft eigentlich jedermann bestens zu empfehlen, umsomehr als der Preis für die wöchentlich, mit illu­striertem Unterhaltungs-Blatt erscheinende Fachschrift, ein billiger ist und eine Gratisverteilung ähnlicher Gegenstände unter die Abonnenten für das nächste Quartal ebenfalls wieder in Aussicht gestellt ist.

Die Bierbrauereien der Welt er­zeugen alljährlich etwa 150 Millionen Hektoliter Bier. Davon entfallen nach einem Bericht des Intern. Patentbureau von Heimann L Co. in Oppeln- 22,5 Millionen Hektoliter auf Amerika, 1 Million auf Australien und der Rest auf Europa. Unter den Europäischen Ländern nimmt England mit 45 Millionen den ersten Rang ein. Deutschland kommt dann mit 42 Millionen, Oesterreich-Ungarn mit 13 Millionen, Belgien mit 9 Millionen, Frankreich 8 Millionen und Rußland mit 4 Millionen. Der Nest verteilt sich auf die übrigen Länder. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachsn gratis.)

Ein s eltcnes Iubiläum. Das Jubiläum der hundertsten Reise über den atlantischen Ocean ist selbst in Seefahrtskreisen ein seltenes Ereignis, daß aber ein Fahrgast hundert Reisen über den atlantischen Ocean vollendet, und daß alle diese Reisen auf den Dampfern derselben Gesellschaft zurückgelegt werden, das gehört selbst in unserem Zeitalter des Verkehrs zu den seltenen und bemerkenswerten Erscheinungen. Mit dem Schnelldampfer Havel des Norddeutschen Lloyd hat vor kurzem der Inhaber einer bekannten rheinischen Weinfirma (L. Durlacher in Bingen) seine neunundneunzigste Reise über den Ocean angetreten und kehrt gegenwärtig ebenfalls mit einem Dampfer des Norddeutschen Lloyd von New-Aork zurück. Da­mit wird der betreffende Herr dann seine hundertste Reise über den atlantischen Ocean und zwar lediglich auf Schiffen des Norddeutschen Lloyd zurückgelegt haben, ein Vorkommnis, welches jedenfalls eben so sehr für die Anhänglichkeit des Fahrgastes wie für die Vortrefflichkeit der Einrichtungen des Norddeutschen Lloyd spricht.

Kandw. Consum-Revein Calw.

Anfangs Januar trifft ein Waggon Malz­keime ein und bitten wir unsere Herren Rechner, sowie größere Consumenten etwaige Bestellungen mög­lichst umgehend einreichen zu wollen, da wir ab Bahnhof den Preis etwas niedriger als vom Lager stellen können.

Der Vorstand:

L. Dingler, alt Adlerwirt.

Gottesdienste

am Sonntag nach dem Christfest, 29. Dezember. Vom Turm- 112. Predigtlied: 110.

^9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Hr. Dekan Braun,

I Uhr'Christenlehre mit den Söhnen.

Dienstag, 31. Dezember.

5 Uhr Gottesdienst zum Jahresschluß mit Beichte- Herr Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die Heizung der Kirche bestimmt.

Neujahrsfest.

Vom Turm: 381. Ter Kirchenchor singt: Gesang­buch Nr. 533,Nun laßt uns geh'n und treten". Predigt­lied: 535.

9' Uhr Beichte in der Sakristei. 9'/- Uhr Vorm.- Predigt.: Hr. Dekan Braun. H. Abendmahl. 5 Uhr Abendpredigt: Hr. Stadtpfarrer Schmid.

Donnerstag, 2. Januar.

Anmeldung der Konfirmanden: 10 Uhr Mädchen,

II Uhr Knaben.

der Portier hinter den beiden her.Det jetzt ja mit Dampf nach oben, sonst ließ I sich der Herr immer erst die sogenannten Altertümer rinbringen, und wennt 't »lischt war damit, jab er sie noblenz coblenz, wie Pöpks sagt, retur. Wenn der Kerl sich man bloß »ich beschwert beim Herrn, det ick ihn anjeödct habe, weil er so mies aussah."

AIS HanS bei dem Barquier Pflüger eintrat, kam ihm dieser mit ausgesuchter Höflichkeit entgegen.Also Sie, mein Herr. besitzen das lange von mir gesuchte Exemplar einer gewissen Bahama-Briefmarke, so schreibt mir Herr Rose. Wie mich das freut!" rief er.

HanS verbeugte sich und überreichte dem Barquier sein Album, mit welchem dieser schnell an seinen Arbeitstisch trat und eine Welle darin blätterte. Als er die Seite deS AlbumS gefunden, auf welcher die gesuchte Briefmarke leicht eingeklebt war, nahm er eine Lupe zur Hand und betrachtete das kleine Markenbildchen auf­fallend lange, wenigstens schien das HanS so.

Wenn er nur die Echtheit der Briefmarke nicht in Zweifel zieht und das Geschäft ablehnt, dachte er? An Erttäufchungen gewöhnt, fürchtete er, der Banquier könnte ihn unverrichter Sache wieder gehen lassen, als dieser sich endlich ihm wieder zuwandte. Das tiefernste Gesicht, das der Banquier in diesem Moment zeigte, ließ Maring nichts Gutes ahnen. Und als jener gar eine Weile seinen Blick forschend auf ihm ruhen ließ, da glaubte Hans, daß der Banquier vielleicht den Verdacht gegen ihn hegen könnte, er habe das Album nicht auf rechtmäßige Art im Besitz. Zu seiner großen Freude zerstreute der Banquier bald alle seine Bedenken.

Sie haben ja eine kleine kostbare Sammlung alles alte, überall gesuchte Briefmarken in selten sauberem Zustande," begann Herr Pflüger.Bitte nehmen Sie Platz und . . . hier ist Ihnen eine Cigarre gefällig? Btte bedienen Sie sich! Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß Sie seit vielen Wochen keine Cigarre mehr geraucht haben. Herr Rose schreibt mir, Sie seien lange krank ge­wesen und hätten infolgedessen nicht allein Ihre Stellung, sondern auch Ihre ganze Habe verloren. ES treibt Sie wohl nur allein die Not zur Veräußerung dieses

kleinen Schatzes ist's nicht so? fragte der Barquier, und aus seiner Stimme und seinen Blicken sprach die innigste Teilnahme für den dürft-g gekleideten und krank aussehendcn jungen Mann.

Es ist leider die nackte Wahrhell die Ihnen Herr Rose mütcilt. Nur die äußerste Not treibt mich zu einem Verkaufe dieser Marke. Sie stammt, wie fast alle die anderen überseeischen Marken, noch von meinem seligen Vater, der sie mir er war Schiffskapitain vor langen Jahren von seinen Reisen mitbrachte."

Der Commerzienrat nickte ernst.Sie heißen Maring vielleicht HanS Maring, und wahrten Ihre Eltern früher nicht in Geestemünde?"

Ja, meine Müller wohnt jetzt noch dort." Hans war ein wenig erstaunt, woher der Banquier den Wohnort seiner Eltern kannte; auch das ungewöhnliche Interesse, welches derselbe für seine Person bekundete siel ihm auf.

Der Banquier ging nach jener Frage einige Male im Z mmer auf und ad und schien über etwas nachzudenken. Bei einem kleinen Ecktische blieb er stehen und hielt demselben eine Photographie in Cabinettsformat hin.Kennen Sie diesen Herrn?" fragte er gespannt.

Hans hatte kaum die Photographie erblickt, als er auch schon überrascht einen Schritt zurücktrat und tief aufseufzsnd die Worte hervorstieß:ES ist mein teurer Vater."

Der Commerzienrat nickte langsam mit dem Kopfe.Ja, es ist das Bild Ihres Vaters, mein junger Freund, das Bild eines braven Mannes." Und mehr für sich sagte er:Wie wunderbar sind doch die Wege der Vorsehung! Er, der kühne Seemann, rettete einst mein einiges Kind auf einer Fahrt durch die Südsee vom Tode des Ertrinkens, und ich gelobte damals, als er mit den Wellen rang, die mein Kind über Bord zu schleudern drohten, ihm mein halbes Vermögen für seine mutige That zu schenken. Aber der wackere Seemann lehnte das Geschenk kühl ab. Und heute, nach mehr als zwanzig Jahren, führt Gott wir seinen Sohn in einem Augenblicke zu, in dem derselbe der Hülfe dringend bedarf. Wohlan rS sei, an ihm, dem Sohne, werde ich jetzt meine Ehrenschuld abtragen."

(Fortsetzung folgt.)