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153. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw. 7V. ZahrgaW

Erscheint Dien»taqS, Donnerstag» und Samstag». Die Mnrückungsgebühr betragt tm Bezirk und in nächster Um- Debunq s Pfg. di« Aeile, sonst lL Psg.

Der englisch-amerikanische Streit.

Zwischen England und der Republik Venezuela schwebt seit längerer Zeit wegen der Grenzen von Britisch-Guyana ein Streit, der an und für sich ziem­lich belanglos erscheinen konnte, auch nachdem Vene» zuela eigenmächtig gegen englische Ansiedelungen in dem streitigen Grenzgebiete vorgegangen war. Die Sache bekam jedoch einen ernsteren Charakter, als sich die Vereinigten Staaten von Nordamerika mit dem Verlangen, die Angelegenheit einem Schieds­gericht zu unterbreiten, einmischten und England ab­lehnte, darauf einzugehen.

Durch die Botschaft des Präsidenten Cleveland an den Kongreß in Washington hat nun die Sache vollends eine über den Wert des Streitgegenstandes zwischen Britisch Guyana und Venezuela weit hinaus- gehende Bedeutung erlangt. Cleveland forderte von dem Kongreß die schleunige Einsetzung einer Kom­mission, welche die Streitfrage prüfen und die wirk­liche Grenze festsetzen soll. Die Kommission ist auch schon voin Kongreß angenommen worden. Die Bot­schaft enthält aber zugleich für den Fall, daß das Urteil der Kommission gegen die englischen Ansprüche entscheiden sollte, einen starken Appell an den amerika­nischen Chauvinismus, der aufgefordert wird, sich mit allen verfügbaren Mitteln der Aneignung irgend wel­cher Landstrecken durch Großbritannien als einem vor­sätzlichen Angriff auf die Rechte und Interessen der Vereinigten Staaten zu widersetzen.

Die Antwort auf die naheliegende Frage, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika dazu kom­men, sich mit solcher Kriegsdrohung in einen süd- amerikanischen Grenzstreit einzumischen, ist mit der sogenannten Monroedoktrin gegeben, die darauf hin­ausgeht, daß Amerika den Amerikanern gehöre, kein Staat der alten Welt dort etwas zu suchen habe und daß den Vereinigten Staaten eine Schutzhcrrschast Uber die kleinern Staatswesen Amerikas gebühre. So

Samstag, den 28. Dezember 1895.

fest diese Lehre in den Köpfen der Vertreter eines großspurigen Amerikanertums sitzt, so wenig ist sie natürlich von Großbritannien und anderen europäischen Staaten anerkannt. Welchen Grad von Berechtigung sie hat und welche wirtschaftlichen Gründe es in emem Lande, wo der Egoismus in solchem Maße herrscht, erklärlich machen, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika mit ihrer fortschreitenden Jndustrie- thätigkeit auf einen die europäischen Waren möglichst absperrenden Bund mit den Republiken Mittel- und Südamerikas hindrängen, dies zu untersuchen, ist im Augenblick Nebensache. Es kommt zunächst auf die Thatsache an, daß der Präsident Cleveland in seiner Botschaft jene Doktrin in schroffer Form gegen Eng­land zur Anwendung gebracht hat.

Cleveland machte sich damit auf einige Tage zum populärsten Mann von Nordamerika; das amerika­nische Kraftmeiertum jubelte ihm zu. Aber schon ist ein Rückschlag eingetreten. In England nämlich ist das Säbelraffeln Clevelands zunächst nicht mit den Waffen der Diplomatie, sondern der Fondsbörse be­antwortet, und damit ist die Begeisterung für die Cleveland'sche Politik an ihrer verwundbarsten Stell« getroffen worden. Die Kündigung großer englischer Guthaben brachte die amerikanische Börsen- und Handelswelt in arge Verlegenheit, die besten Papiere wurden im Preise gestürzt. Nach dieser Abkühlung mehren sich die amerikanischen Preßstimmen, die zur Besonnenheit raten. Die beiden großen Schwester­nationen werden es sich jedenfalls zweimal überlegen, ob sie zu den Waffen greifen sollen, statt den Streit friedlich beizulegen.

Tagesneuiykeiten.

Stuttgart. Württembergische Aus­stellung für Elektrotechnik und Kunstge­werbe, 1896. In Anwesenheit Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers des Innern v. Pis check, fand

SbormemnüHprrt» vteritljUrttch tu der Sucht SV Pfß. «M BO Pfa. TrLgrckhn, durch die P-st dyo-« L« 1K, sonst st» g»nz Württemberg Mr. r. SS.

am 19. d. M. unter dem Vorsitz d°S Geh. HofratN Dr. v. Jobst eine weitere Sitzung des geschästS» führenden Ausschusses statt. Einleitend konstatierte der Vorsitzende den erfreulichen Stand und Fortgang der Vorbereitungsarbeiten auf allen Gebieten und teÄ hiebei mit, daß seit der ersten konstituierenden Ver­sammlung am 14. Dezember v. I. insgesamt 49 Sitz­ungen stattgefunden haben, von welchen 3 auf dre große Kommission, 17 auf den geschästsführenden Aus­schuß, 5 auf die Finanzsektion, 8 auf die Wirtschaft?-, je 5 auf die beiden Jnstallationssektionen, 3 auf die Gartenbau- und 6 auf die Preß-Sektion entfalle«. Zufolge verschiedener neuerdings eingetretener Schwie­rigkeiten mußte das Projekt der großen Cementbrücke einer nochmaligen Beratung unterzogen werden. ES ergab sich die Notwendigkett, auf die Errichtung übe« dem Stavtgarten zu verzichten und den Unternehmer» anheimzugeben, für die Brücke einen andern geeignete» Platz in der Nähe der Ausstellung in Aussicht z» nehmen. Im Auftrag des Stuttgarter Gewerbe­vereins macht hierauf dessen Vorsitzender, Professor Gießler, nähere Mitteilung über die von diese« Vereine geplante Kollektiv-Ausstellung. Dieselbe soll eine größere Anzahl Werkstätten aller Branchen, aus­gerüstet mit den modernsten Werkzeugen und Motoren, im vollen Betriebe zeigen und die Fortschritte zwische» einst und jetzt durch Gegenüberstellung von Werkstätte» alter Einrichtung in lehrreicher Weise vor Auge» führen. Die ganze Ausstellung würde in einem eigene«^ an sich eine Sehenwürdigkett bildenden altdeutsche» Baue, besten Pläne vorgezeigt wurden, Unternmst finden. Das Projekt wird allseitig mit großem Bei- sall ausgenommen und dem Vorsitzenden des Gewerb«-- oereinS der Dank für seine Bemühungen um da» Zustandekommen eines Unternehmens ausgesprochen welches auch dem Kleingewerbe eine ebenso erwünscht« als wirkungsvolle Vertretung im Rahmen der Gesamt­ausstellung sichern würde. .

Stuttgart, 31. Dez. Infolge einer GaS»

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Der verlorene 2ohn.

Eine Weihnachtsgeschichte.

Von Th. Schmidt.

(Fortsetzung.)

In fieberhafter Erregung trat er in die Vorhalle des ihm dem Namen nach «oohl bekannten Bankhauses ein, besten Thür ein reich gallonirter Portier soeben Marie. Gleich bei seinem Eintritt sollte er indeß erfahren, daß er ohne den Geleit- Lricf des Buchhändlers wohl schwerlich zum Ziele seiner Wünsche gelangt wäre. Der Portier musterte ihn nur mit einem kurzen, flüchtigen Blick, dann sagte derselbe in barschem Tone: «Bettlern und Hausirern ist der Zutritt hier nicht jcstattet.' Da- Lci hatte der Mann bereits den Thürgr-ff wieder in der Hand und deutete mit nicht mißzuvei stehender Geberde auf die Straße.

Diese Worts und das Benehmen des Portier empörten Hans.Ich bin weder das Eine noch das Andere,' versetzte er stolz. .Ist das Verbot übrigens eine W.llensäußerung Ihres Herrn oder nur Ihre eigene?' fragte Maring kühl.

.Hier habe ich allein za befehlen,' entgegnet,' der Portier, auf den Boden der Vorhalle zeigend und sich wie ein Pfau ausblähend.

Danach hätte also Ihr Herr das Verbot nicht erlassen. Es ist gut, daß ich das weiß, denn hätte er ein solches unchristliches Verbot für seine darbenden Mitmenschen in semem Hause erlasst», dann würde ich mit der Erfüllung einer ihm zu erweisenden Gefälligkett, wegen welcher ich hierher komme, doch noch etwas warten.'

DeL Portiers glattrosntts, feistes Gesicht verzogen sich, indem cr einen höh­nischen Blick auf den fadenscheinigen, schlotterigen Anzug des jungen Mannes warf, zu einem breiten Lachen. Cr glaubte diese Art Leute, welche o't, wie dieser hier,

mit einem in Papier gewickelten Gegenstand unterm Arm, meistens ein alte« ^»ch oder sonstige alte Scharteke feinem Altertümer sammelnden Herrn in'S HauS gerE kamen, zu kennen.

Na, da bin ich denn doch neugierig, waL Euer Jnaden' er verbeugt« sich ironischfür eine Überraschung aus ehem! Jefälligkeit für meinen Herr» haben. Natürlich, ick seh't schonst wieder mal ein Buch, en oller Schmöker von Anna Tobak in EchweinSleder und Permamentpapier, für den kein WursthäMer 'nen Jroschen jeden will. Ne Verehrtest«, wenn Sie von solchem Plunder wat haben, denn is det nischt. Davon haben wir schonst 'ne janze Wagenladung, An» wenn S' mit unserm Herrn er jiebt leider noch immer viel Jeld aus vor solch« Dummheiten een Jeschäft machen wollen, denn muß 't schonst janz wat Beson­deres sind. So wat aus die Römerzeit, als der Kaiser Karl der Jroßr die Her­mannsschlacht gewann. Na zeigen S' mal her, so'n Bisken verstehen wir «v» ooch uff die Altertümer,' schloß der Portier im höhnisch-gemütlichen Tone sein« lange Auseinandersitzung über die Cha: cen eines Geschäfts mit seinem Henn.

Hans hatte mit sichtlicher Freude die literarischen Belehrungen diese«gebilde­ten Portiers' mit angehört. Zu weiteren Auseinandersetzungen fehlte ihm indeß di« Lust. Statt des Briefmarken-AlkumS reichte er dem Manne den Brief von dem Buchhändler Rose.Ich «suche Sie hiemit, diesen Brief Ihrem Herrn unverzüglich zu überreichen, das Wettere werde ich danach auch ohne Ihr literarisches Gutachte» mit demselben schon erledigen.' sagte er im befehlenden Tone.

Dem Porti« schien das bestimmte Auftreten zu imponiren. Er machte kurz Kehrt, um den Diener zu rufen. .Wird wohl so'n runteij-kommcner Schulmensch sind,' murmelte er vor sich hin.IS ja höllisch von sich injenommen.'

In kurzer Zeit kehrte der Portier mit einem Diener zurück, welcher den Brief von Hans erttgegennahm und damit eine Tnppe hinaufging. Schon nach kaum einer Minute kam er mied« zum Vorschein und bat Hans, ihm zu folgen.

Hm! det muh ja janz wat rares sind, wat der zu veckoofen hat,' murmelt«