688

Arbeiterinnen unwürdig undpoussiere" mit ihnen. Ein anderer Redner meinte, bei Maurer u. Dimmick könne man so recht sehen, daß Arbeiter, die sich ein­mal durch die Arbeiter selbst eine Position geschaffen, die schlimmsten Ausbeuter würden, und ihre Arbeitnehmer am brutalsten behandelten. Dann wurde den Inhabern der Druckerei vorgeworfen, daß sie, die von der Gnade der Arbeiter lebten, die schlimmste Ausbeulung an Lehrlingen und Mädchen ausübten, indem sie diese im ausgedehnten Maßstabe Sonntags­und Ueberstundenarbeit machen ließen, das Schönste dabei sei, daß Dimmick Mitglied der Organisation, ja sogar der Agitationskommission sei. (Große Un­ruhe.) Dimmick, welcher die Streikenden in seinen Ausführungen nicht, wie früher, Kollegen, sondern seine Leute" bezeichnet, spricht unter großem Lärm. Er teilt mit, daß er die Streikenden nicht wieder einstellen werde, weil er bereits durch Organisierte Ersatz gefunden habe (große Unruhe), die er nicht wieder hinauswerfen werde, denn diese arbeiteten unter den von ihm gestellten Bedingungen. (Unruhe.)"

Berlin, 18. Dez. In Folge des Bruchs des Hauptrohrs einer Wasserleitung in der Britzerstraße entstand heute früh eine große Ueberschwemmung. Aus dem geplatzten Rohr ging ein fünf Meter hoher Wasserstrahl auf, der die umliegenden Straßen unter Wasser setzte. Die Einwohner von Kellern retteten nur das nackte Leben. Ein Haus in der Strelitzer- straße wurde polizeilich gesperrt; der Einsturz wird befürchtet. Der Schaden an Waren in den Kellern ist beträchtlich. Die Feuerwehr arbeitet mit zwei Dampfspritzen, um das Wasser nach dem Kanal zu pumpen.

.Land«». Bezirksverein.

X. Wanderausstellung der deutsche» Land- wirtschastsgesellschaft zu Stuttgart-Cannstatt vom 11.-15. Juni 18««.

Nach der erschienenen Ausstellordnung für die Wanderausstellung der deutschen Landwirtschaftsgesell­schaft in Stuttgart-Cannstatt können auf derselben Tiere, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Hilfsmittel sM^ landwirtschaftliche Geräte zur Vorführung ge­bracht werden. Es werden nun die Besitzer hervor­ragender Exemplare der nachgenannten Tiergattungen, welche die Absicht haben, die Ausstellung der deutschen Landwirtschaft zu beschicken, benachrichtigt, daß die K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, um eine qualitativ gute und starke Ausstellung zu ermöglichen den Aus­stellern von Rindern (Fairen, Kühe, Kalbein, Zug­ochsen, Zugkühe), Schafen, Schweinen und Ziegen verschiedene Erleichterungen gewährt, insbesondere Bezahlung der Ausstellungsgebühren, freien Eisenbahn­transport für die Tiere hin und zurück, freie Fahrt für die Wärter, Futtergeldzuschüsse, Gewährung von Aufenthaltskosten Entschädigungen.

Diejenigen Aussteller von Rindern, Schafen, Schweinen und Ziegen, welche von diesen Erleichte­rungen Gebrauch machen wollen, haben die Tiere durch

Vermittlung des Vereinsvorstandes bis längstens 2«. Januar 18«K bei der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft anzumelden.

Die Tiere werden bezüglich ihrer Preis würdig- keit einer vorherigen Besichtigung unterzogen.

Anmeldeformulare können von dem Vereins­vorstand bezogen werden.

Calw, 18. Dez. 1895.

Der Vereinsvorstand:

Voelter, Oberamtmann.

Kandw. Kezirksverein.

Durch die Winterabendschulen ist in manchen Gemeinden früher ein schöner Erfolg erzielt worden. Da wegen der geringen Stundenzahl in den jetzigen Fortbildungsschulen zu befürchten steht, daß die Weiterbildung der jungen Leute in Bezug auf die Landwirtschaft Not leidet, so wäre es sehr zu wünschen, daß für die nicht mehr fortbildungsschulpflichtige Jugend freiwillige Winterabendschulen eingerichtet oder wenigstens regelmäßige Abendversammlungen ab­gehalten werden. Auch wäre die Einrichtung von Orts­bibliotheken und Lesevereincn sehr empfehlens­wert. Zu Beiträgen hiezu sowie zu Abgabe geeigneter Bücher hat sich die K. Centralstelle für die Land­wirtschaft bereit erklärt.

Die Gemeinde- und Ortsschulbehörden werden ersucht, im Interesse der Ausbildung unserer Jugend hier in's Mittel zu treten und die geeigneten Ein­richtungen zu treffen.

Calw, 20. Dez. 1895.

Der Vereinsvorstand:

Voelter, Oberamtmann.

Standesamt ßakn».

Geborene:

14. Dez. Otto Martin, Sohn des Otto Hau g, Profes­sors hier.

18. Karl Gustav Friedrich, Sohn des Friedrich Haydt, MetzgcrmeisterS und Engelwirts- hier.

Gottesdienste

am 4. Advent, 22. Dezember.

Vom Turm - 95. Prcdigtlied: 101.

9>/r Uhr Vorm.-Prcdigt: Hr. Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 5 Uhr Bibel­stunde im Vereinshaus: Herr Stadtpfarrcr Schmid.

Dienstag, 24. Dezember.

4 Uhr Wcihnachtsandacht mit Beichte im Vereins­haus: Hr. Dekan Braun.

K. tzhrlstfest, 25. Dezember.

Vom Türm: 106. Der Kirchenchor singt:Freut: euch ihr lieben Christen." Predigtlied : 105.

9'/- Uhr Beichte in der Sakristei. 9'/s Uhr Vorm.- Pred.: Hr. Dekan Braun. H. Abendmahl. 2 Uhr: Nachm.-Pred.: Hr. Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die Ncttungsanstalten des Landes bestimmt.

Stephanusfekertag, 26. Dezember.

9'/- Uhr Vorm.-Pred.: Herr Dekan Braun.

Johannisfeiertag, 27. Dezember.

9 hr Uhr Vorm.-Pred.: Hr. Stadtpfarrer Schmid

Zum Glück hat dieselbe keine schweren Verletzungen davongetragen.

Winnenden, 17. Dez. Bei uns wird gegen« rvärtig an der Einführung des elektrischen Lichts ge­arbeitet. Wie früher angenommen wurde, sollte es bis Weihnachten zum Gebrauche fertig hergestellt sein; leider geht diese Annahme besonders der schlimmen Witterung wegen in Brüche. Die Ausführung be­sorgt die Firma C. u. E. Fein aus Stuttgart, die Maschinen und Motoren zum Betriebe hat Gerber­meister Staud im Besitz. An dem elektrischen Licht nehmen bis jetzt die meisten Geschäftsleute und einige Private teil. Die Stadt begnügt sich vorerst noch mit ihren Oellampen.

Heilbronn, 18. Dez. In einer der letzten Nächte wurde ein junger Kaufmann von einem Schutz­mann auf dem Kaiser-Friedrichs-Platz dabei betroffen, wie er die Umzäunung der inneren Wege zerstörte. Sechszehn Staketen waren bereits teils abgeschlagen, teils herausgerissen, als der Schutzmann diesem Treiben ein Ende machte. Durch einen städtischen Forst­wart wurden gestern nacht ein Maurer und ein Gipser angehalten, wie sie 21 Stück Christbäume auf einem Wagen in die Stadt brachten. Der Gipser suchte alsbald das Weite, während der Maurer in den Polizeiarrest verbracht wurde, nachdem sich heraus­gestellt hatte, daß die Weihnachtsbäume im Stadt­wald gestohlen worden sind.

Ebingen, 19. Dez. Am heutigen Weih­nachtsmarkt war auf dem Viehmarltplatz viel Dreh aller Gattungen aufgestellt; gehandelt wurde verhältnismäßig wenig. Es waren wohl viele Lieb­haber am Platze, allein bei den hohen Preisen ver­hielten sie sich sehr zurückhaltend.

Hechingen, 18. Dez. Der letzte mit dem Weihnachtsmai kt verbundene Viehmarkt war gut befahren. Es mögen etwa 700 Stücke zugetrieben worden sein. Die Preise hielten sich bei etwas flauem Handel, da fremde Händler ausgeblieben sind, auf ihrer bisherigen Höhe. Auch der Schweinemarkt war gut befahren. Die Preise bewegten sich zwischen 620 M. pro Paar.

Berlin, 17. Dez. Eins Buchdrucker­versammlung, welche am Donnerstag Abend zu Besprechung des Streiks der sozialbem okrati­schen Buchdruckerei Maurer u. Dimmick abgehalten wurde, lieferte einen seltsamen Beitrag zu der Frage, ob derZukunftsstaat" wohl auch ein Rechtsstaat sein werde. DasBerl. Tagebl." entnimmt einem ihm vorliegenden Bericht über die Versammlung Fol­gendes:Einer der Streikenden konstatiert, daß bei der erfolgten Arbeitsniederlegung sämtliche Arbeiter Lohnrückstände bis zu 100 Mark hatten, die ihnen nun ausgezahlt würden. Es hätten Zustände dort geherrscht, wie sie in kapitalistischen Buchdruckereien nie herrschen können, weil man sich dieselben dort einfach nicht gefallen ließe. Ferner wurde be­hauptet, der Geschäftsführer Wagner behandele die

Mit geschickter Wendung drehte er sich um und einige rasche Sprünge brachten ihn wieder zu der Brücke zurück. Hier konnte er indeß, da eine Anzahl Neugieriger den Fußsteig versperrte, nicht weiter. Gleichzeitig tauchte links von ihm der Polizfft auf. Damit sah er sich zwischen die Mauer eines Hauses hart am Flußuser und das Seüengcländer der Brücke gedrängt. Eine dumpfe V rzweiselung erfaßte ihn jetzt. Mit unglaublicher Geschicklichkeit kletterte er im Nu an dem hohen eisernen Brückengeländer hinauf, um sich von oben in den Fluß zu stürzen. An seinem Leben schien ihm j tzt nichts mehr gelegen zu sein. Ein Schrei aus vielen Kehlen erscholl, als man den Kopf deS Wahnw tzigcn, der immer höher kletterte, bereüS über den Rand des Geländers emporragen sah. Im nächsten Moment glaubte man den Flüchtling in der Tiefe verschwinden zu sehen. Schon halte Maring den oberen Rand des Geländers vollends erreicht, und eben wollte er sich über denselben Hin­überschwingen, als im letzten Augenblicke ein beherzter Mann aus der Menge hin­zusprang und. sein rechtes Bein ergreifend, ihn noch rechtzeitig an dem schrecklichen Vorhaben hinderte.

.Lasten Sie mich Io!!' schrie Maring, verzweifelte Anstrengungen machend, sich seinem ungebetenen Retter zu entziehen. .Niemand hat ein Recht, mch zu hindern, dcß ich meimm jämmerlichen Leben in dieser gefühllosen Welt ein Ende mache."

Aber der Mann hielt ihn fest, und als nun gar der herbeieilende Schutzmann sich seines anderen Beines bemächtigte, da fühlte Maring seine Krälls schnell schwin­den. Noch einige Sekunden hielt er sich am oberen Rande des G-länderS mit den Händen fest, dann sank er herab und in die Arme seiner Verfolger.

Der ganze Vorgang mcchte sich in kaum einer halben Minute abgespielt haben, aber trotzdem hatte sich schon eine nach Hunderten zählende Volksmenge an der Stelle angesammelt und alle waren mt lebhaftem Inten sie dem Verlauf der aufregenden Seme gefolgt. Wie man eS nun in Berlin häufig beobachten kann, «immt oft ein großer Teil der Zuschauer, ohne der Ursache einer Verhaftung oder

eines Einschreitens der Polizei gegen einen Menschen nachzuforschen, ohne Weiteres Partei >ür den Verhafteten. Auch in diesem Falle schlug sich die große Mehrzahl der Umstehenden aus dir Seite des Arretüten und machte ihrem Unwillen durch laute Zurufe gegen den Schutzmann Luft. Man raunte sich zu. der Arrestant habe nur gebettelt und der Schutzmann habe chn dafür zur Polizeiwache bringen wollen. Ohne Zweifel gehöre der Arrestant nicht zu den gewöhnlichen Landstreichern, denn diesen sei daS Leben viel zu lieb, als daß sie es wegen einer Strafe für ein sol- chcs geringes Vergehen von sich würfen. Die Polizei schiene hier einmal wieder viel zu derb zugegriffen zu haben. Andere dagegen wieder meinten, der Arrestant könnte möglicherweise ein schwerer, lang gesuchter Verbrecher sein. Jndiß waren diese in der Minderzahl. Solche und ähnliche Redensarten wurden laut, dabei mochte das Äußere des schlanken jungen Mannes, dem auch ein weniger geübtes Auge als eS Las Berliner Publ kum besitzt, sofort ansah, daß derselbe nicht der Zunft der Vagabunden angehöre, die Meinung der Meisten in der Menge stark beeinflussen. Man hatte Mäleid mit dem Arrestanten, ja selbst der Schutzmann, welcher den jetzt vollständig erschöpften und vor Frost z tternden Lebensmüden vor dem Umsinken schützen mußte, schien plötzlich einzusehen, daß er eS doch wohl mit einem anständigen und gebildeten Manne zu thun habe, der vielleicht durch unverschuldetes Unglück' um seine Existenz gekommen war und den zuletzt lediglich der Hunger zum Bett ln getrieben haben könnte.

In bedeutend ruhigerem und weniger herrischem Tone, als vorhin, fragte der Schutzmann den Arrestanten nach seinem Namen, Stand und Heimatsort. Maring, dem eS jetzt gleichgültig zu sein schien, was mit ihm geschah, antwortete auf diese und mehrere weitere Fragen, weiche der Schutzmann an ihn richtete, im ruhigen Tone^

Der Schutzmann schien überrascht, als er hörte, daß der Arrestant noch vor einem Vierteljahr zweiter Buchhalter in einem Bankhause war, dessen Chef er sehr: wohl kannte.

(Fortsetzung folgt.)