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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
70. IahrM-
Erscheint Dien-tag-, Donnerstag« und SamltagS. vie EinrücknnqSgrdühr betrSgt im Bezirk und in nächster Umgebung S Pfg. dt, Aeile, sonst 1L Pfg.
Donnerstag, den 5. Dezember 1895.
SbounementDprtil vierteljährlich t« der Stad» 9v mtd SV yfa. Lrägerlohn, durch die Dost bqogev M. L. IS, sonst t» ganz Württemberg Mr. 1. Sb.
Amtliche Aekanvtmachrmge».
Die Gemeindebehörden
werden hiemit in Kenntnis gesetzt, daß nunmehr in sämmtlichen Gemeinden des Bezirks künftig der Markungsgrenzumgang alle 6 Jahre erstmals im Jahre 1899 stattfindet.
Calw, 2. Dez. »1895.
K. Oberamt. Voelter. «
Die Ortsbehörden
-werden unter Bezugnahme auf den Erlaß des K. Minist, des Innern vom31.Okt. d. I., Min.-Amtsbl. Iftro. 25 S. 437, angewiesen, im Falle von Neuanschaffungen und Reparaturen von Ortstafeln stets dem Oberamt Anzeige zu erstatten, damit wegen der richtigen Bezeichnung der militärischen Kontroll- bezirke ein Bescheid des K. Kriegsministeriums eingeholt werden kann.
Calw, 3. Dez. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung.
Nachdem vom K. Oberamt Herrenberg wegen Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche in Oberje singen das Treiben von Rindvieh, Schweinen und Schafen außerhalb der Feldmarkgrenzen von Oberjesingen und Kuppingen und die gemeinschaftliche Benützung von Brunnen durch Wiederkäuer und Schweine im Seuchenort verboten und die Weggabe von Magermilch aus Sammelmolkereien in - obigen Gemeinden in der Art beschränkt worden ist, Laß nur solche Milch weggegeben werden darf, welche zuvor auf mindestens 100 " Celsius erhitzt worden ist, !wird behufs thunlichster Verhinderung der Weiter- serbreitung der Seuche auch das Treiben von
Rindvieh, Schafen und Schweinen außerhalb der Feldmarkgrenzen der Gemeinde Decken- pfronn zunächst bis zum 10. d. M. einschließlich verboten.
Calw, den 4. Dez. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung.
Wir bringen hiermit zur Kenntnis der Interessenten, daß b;i Erteilung der nach Z 60 a der Gewerbeordnung erforderlichen ortspolizeilichen Erlaubnis für Musikaufführungen, Schaustellungen und dergleichen Darbietungen im Sinne des H 55, Ziff. 4 a a. O. anläßlich des nächsten dahier stattfindenden Jahrmarktes von Unterzeichneter Behörde nach folgenden Grundsätzen verfahren werden wird.
1. Soweit solche Darbietungen auf dem sogenannten alten Viehmarktplatze an der Holzgartenstraße stattfinden, werden dieselben nur für den 8., 9., 10. und 11. k. Mts zugelassen.
2. Umherziehende Musikanten erhalten die Erlaubnis nur, wenn sie sich in Wirtschaften, in geschloffenen Buden oder sonst in geschloffenen Lokalen produzieren wollen. Für die Wirtschaften wird diese Erlaubnis nur für de« Hauptmarkttag (Dienstag, den 10. Dezbr.) und zwar nur bis abends 10 Uhr erteilt.
Drehorgelspieler sind ganz ausgeschlossen.
3. Unbedingt ausgeschlossen wird nicht nur jedes offene, sondern auch jedes verschleierte Glücksspiel, sowie überhaupt jedes Spiel, bei welchem Gewinne ausgesetzt sind. Hierher gehören insbesondere auch die kleinen Kegelspiele, Würfelspiele, das Ring-, Platten- und Bolzenwerfen, sowie ähnliche Veranstaltungen.
4. Personen, welche in abschreckender Weise krüppelhaft oder mit einer Eckel erregenden Krankheit
behaftet sind, werden zur Aufführung musikalischer Produktionen oder sonstiger Schaustellungen nicht zugelaffen.
Pforzheim, den 28. Nov. 1895.
Gr. Bezirksamt. vr. Schub erg.
Vorstehende Bekanntmachung des Großh. Bezirksamts Pforzheim wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht.
Calw, den 2. Dez. 1895.
K. Oberamt. Voelter.
Tagesneuigkeiten.
-j- Neubulach. Unser Städtchen ist seit 1888 mit einer Wasserleitung nach dem System des Baurats Kröbrr versehen. Die mit der Wasserkraft einer Quelle getriebene Maschine hebt das Wasser selbstthätig in ein Reservoir auf der Höhe, von wo es unter starkem Drucke durch gußeiserne Rohrleitungen in die Ortsstraßen und von da mittelst später erstellter schmiedeiserner Zweigröhren in einige Häuser geführt wird. Seit etwa 6 Monaten zeigte sich, ohne daß der Verbrauch gestiegen wäre, ein immer größer werdender Wassermangel. Nicht allein das Reservoir blieb leer, sondern auch aus den höher gelegenen Hausleitungen und Ventilbrunnen war kein Wasser mehr zu erhalten; schließlich spendete nur noch der unterste Brunnen spärliche Wassermengen. Die Quellen des Werkes gaben in Folge der allemeinen Trockenheit des vergangenen Sommers zwar wenig Wasser, jedoch immer noch mehr als im trockenen Jahr 1893, trotzdem hatte die Stadt weniger Wasser als damals. Zunächst glaubte man die Ursache an dem Pumpwerk suchen zu müssen, was aber bei näherer Untersuchung sich als irrig erwies. Vor 14 Tagen hat
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Der verlorene Sohn.
Eine Weihnachtsgeschichte.
Von Th. Schmidt.
(Fortsetzung.)
Tag für Tag raffelte von jetzt ab die Nähmaschine der Tante, welche noch aus ihrer besseren Zeit stammte. Zuerst regte das Geräusch der Maschine die Leidende auf, aber nach einigen Tagen hatte sie sich an dasselbe gewöhnt. Punkt acht Uhr Abends pflegte Hedwig dis Arbeit aus der Hand zu legen und schnell das Abendbrot herzurichten. Eine Stunde lang las sie gewöhnlich der Tante vor und gegen zehn Uhr legte man sich schlafen. Dem jungen Mädchen gefiel diese Arbeit Hesser, als diejenige am Stickrahmen, sie war weniger anstrengend und brachte auch einige Nickel mehr ein, trotzdem sie nicht wie bei letzterer halbe Nächte lang arbeitete. Auch der jetzige Arbeitgeber war ihr lieber, denn er machte ihr. wenn sie früh morgens die fertige Arbeit ablieferte, keine Abzüge und belästigte sie nicht mit Zudringlichkeiten und unziemlichen Scherzen.
Eines Morgens hatte sie sich wieder ein Quantum Leinen aus dem Wäschegeschäft geholt und wollte sie eben damit ins HauS treten, als der Briefträger ihr aus der Ferne ein Zeichen machte. .Ein Brief lür Sie, Fiäulein Helms", rief der alte ihr wohlbekannte Mann.
„Ein Brief — für mich?" wiederholte Hedwig. „Wer könnte mir denn schreiben?"
Im nächsten Augenblicke hielt sie einen Brief, für den sie zwanzig Pfennige Dorto zu zahlen hatte, in der Hand; ein flüchtiger Blick auf dessen Adresse zeigte ihr sofort, von wem derselbe abgesandt worden war. Ein jähes Rot stieg in ihre Wangen, und fast hätte sie vor Freude einen lauten AnSruf gethan. Schnell zahlte
sie daS Porto, dann stieg sie langsam die Treppe hinauf, jeden Buchstaben der Adresse gerau betrachtend, dabei pochte ihr Herz so ungestümm, daß sie oft wie zur Beschwichtigung desselben die Hand gegen den Busen drückte.
Endlich stand sie mit ihrem schweren Packet oben vor ihrer Wohnung; ihr Athen, ging schnell. Schon wollte sie zur Tante in's Zimmer stürzen und auSrufen: „Ein Brief, von HanS!" aber eine innere Stimme schien ihr warnend zuzurufen: „Hast! — keine Unbesonnenheit! Erst lies und höre, was aus dem vor Monate» so plötzlich verschollenen und jetzt eben so plötzlich wieder aufgetauchtcn Mensche» geworden ist. Vielleicht ist er so tief gesunken, daß eS besser für die Leidende ist. wenn sie nie wieder etwas von ihm erfährt. Wenn Jemand, der an eine arme Waise einen Brief schreibt, nicht mehr in der Lage ist, das Porto für diesen Brief bezahlen zu können, so muß eS mit ihm schon recht schlecht stehen."
Der Brief trug den Poststempel Berlin, er war bereits gestern, als an eine« Sonntage, und zwar Vorm ttagS, in Geestemünde angelangt, wegen der Sonntagsruhe aber erst einen Tag später bestellt.
Da eS aus dem schmalen Vorplätze fast ganz finster war, so öffnete Hedwig die Thür zur Küche und trat in diese ein, weil hier ein Dachfenster einiges Licht hcreinließ. Hastig riß sie die Umhüllung deS Briefes auf und las. Aber der Brief knitterte und zitterte schon nach den ersten Zeilen in ihrer Hand, und die heftige Gemütsbewegung, in welch« der Inhalt desselben sie versetzte, das Beben der Händen teilte sich dem Papier immer stärker mit, je weiter sie las. Kaum war sie mit dem Lesen des Briefes zu Ende, da sank Hedwig, das sonst so Willensstärke Mädchen, wie -ine geknickte Blume aus den nächsten Stuhl, die Augen mit beiden Hände» bedeckend. Und jetzt quoll durch die festzusammengepreßten Finger ein heißer Thränen- strom; gleich e mm fessellosen Gebirgsbache rann Zähre auf Zähre nieder. So wie heut« Morgen hatten die schönen Augen Hedwigs noch nie zuvor geweint. Doch endlich schien der Strom zu versiegen und von dem gepreßten Herzen rang sich ei» tiefer Seufzer loS.