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Dante die Art der Strafe nach der Art der Schuld. In das Fegfeuer oder an den Reinigungs- und Läuterungsort kommen alle bußfertigen Sünder, damit sie auS der Läuterung in die Seligkeit eingehen können, denn unmittelbar in das Paradies werden nur solche ausgenommen, die mit und in Christo gelebt haben. Auf der Höhe des Reinigungsberges liegt das Paradies, der Garten Eden. Nach der alten Weltanschauung bestehen die Räume des Himmels aus 9 Sphären, wo die vielen seligen Geister sich aufhaltcn. Die am meisten Vollendeten leben in der höchsten Sphäre. Die Gestalten erscheinen nicht in menschlicher Gestalt, sondern als Flammen mit herrlichem Lichtschimmer. Erst bei der allgemeinen Auferstehung der Toten werden die Seelen wieder mit dem Körper vereinigt werden.
* Calw. Beim Eintritt in die Stadt Calw von Hirsau her bietet der „Brühl" nun ein ganz anderes Bild als früher. Zwei neue Gebäude, das Schlachthaus und ein großes Magazingebäude der Vereinigten Deckenfabriken fallen dem Auge durch ihre einfache, aber geschmackvolle Ausführung auf. Ebenso sauber stellt sich die neue Kirchhofmauer dar. Dieselbe, von Beton und oben mit einem Aufsatz von Backsteinen abgeschlossen, macht einen recht freundlichen Eindruck und harmoniert mit der Umgebung. Da die Mauer ziemlich weit zurückgesetzt wurde, so konnte eine wünschenswerte Erbreiterung der Staatsstraße erreicht werden, was für die zahlreichen Fuhrwerke von Vorteil ist. Auch für die Fußgänger wird durch Erbreiterung des Trottoirs «ine wesentlich bessere Passage erstellt werden.
sAmtlichcs aus dem Staatsanzeiger.j Se. Maj. der König haben durch Allerhöchste Ordre vom 30. d. Nits, die goldene Militär- Verdienst-Medaille zu verleihen geruht:
Schäfer ) zuletzt Bezirksfeldwebel im Land-
Lenz / wehrbezirk Calw.
— (Eisenbahnbetriebsstörung.) Am 29. Nov. abends 8 Uhr ist der Personenzug 298 Horb- Calw bei der Ausfahrt aus der Station Wildberg auf zwei leere Güterwagen gestoßen. Verletzt ist niemand, der Materialschaden ist unbedeutend. Die beiden Stations- gleise waren bis 12 Uhr nachts gesperrt; an der Unfallstelle mußte umgestiegen werden; die Personenzüge 298, 301 und 300 erhielten erhebliche Verspätungen.
Leonberg, 27. Nov. Das durch den großen Brand stark beschädigte Rathaustürmchen, seit der großen Katastrophe mit starken Ketten vor dem drohenden Einsturz bewahrt, steht nunmehr mit seinen zwei Glöcklein neu errichtet, ganz aus Eisen konstruiert, wieder auf seinem hohen Standpunkt.
Stuttgart, 30. November. Gestern nachm. 3*/- Uhr ist in einem Neubau auf der Prag ein Flaschner 3 Stock hoch herunter gefallen und hat sich hiebei einige Rippenbrüche und Quetschungen am Kopf zugezogen. Die Verletzungen erscheinen lebens
gefährlich. Derselbe wurde mittels des Sanitätswagens ins Kath.-Hospital verbracht. — Heute früh 5 Uhr haben 2 Feldwächter und 4 Fahnder eine Feldstreife ausgeführt in Verbindung mit einer Visitation der Gartenhäuser in der Hasenberggegend; hiebei haben dieselben in einem Gartenhaus K gefährliche Stromer getroffen, wovon 3 mit Messern in den Händen den Polizeibediensteten Widerstand geleistet haben. Die ganze Bande wurde dingfest gemacht. Dieselben sind alle vorbestraft. - Vor einigen Tagen wurden einem Wirt in der Kernerstr. aus der verschlossenen Schublade seines Schreibtisches 550 ^ in Papiergeld gestohlen. Die Schublade wurde vom Dieb mittelst Nachschlüssel geöffnet. Der Dieb wurde ermittelt, das gestohlene Geld und der Nachschlüssel wurden bei ihm gefunden. Derselbe ist ein junger Mann, welcher in demselben Hause wohnt und bei dem bestohlenen Wirte täglich verkehrt hat.
Schorndorf, 27. Nov. Das Resultat bei der heute vorgenommenen Weinversteigerung des in der Konkursmasse des Hospitalpflegers und Weinhändlers Rommel dahier im Quantum von ca. 14844 Liter 1895er und 31389 Liter älteren ausgebotenen Weines war keineswegs günstig zu nennen, obgleich cs an Käufern und Interessenten nicht gefehlt hat. Aeltere Weine waren wenig begehrt. Für 1895er wurden 39—42 iZ per Liter bezahlt.
Tübingen, 26. Nov. Außer den zwei Hirschen schenkte S. Maj. der König den hies. Veteranen noch die Summe von 500 mit der Bestimmung, daß mit denselben die Kosten des Festmahles bestritten und der Rest an die Witwen von Veteranen verteilt werden solle.
Ulm, 27. Nov. In den letzten Tagen wurden am mittleren Kuhberg Altertumsfunde gemacht. Bei Anlegung einer Baumschule wurden mehrere Morgen Land tief umgegraben und stieß man dabei auf Gemäuer und eine Heizanlage; ferner wurde ein menschliches Skelett mit einer Urne aus schwarzem Thon ausgegraben, auch sonstige Knochen wurden gefunden und namentlich eine römische Münze mit der Aufschrift Faustina Augusta.
Tuttlingen, 27. November. Das von der Maschinenfabrik Eßlingen hier errichtete Elektrizitätswerk wurde gestern dem Betriebe übergeben, womit eins kleine Feier verbunden war, wozu Baurat Groß die bürgerlichen Kollegien, die Staats- und städt. Beamten eingeladen hatte. Das Werk ist wohl noch nicht ganz fertig, so daß bis jetzt nur die Straßen und einige städt. Gebäude beleuchtet werden können, doch wäre Strom genug vorhanden, um die angemeldeten 2100 Glühlampen, 27 Motoren und 200 Straßenlampen speisen zu können, deren Anschluß in der nächsten Zeit erfolgen wird.
Tauberbischofsheim, 27. Nov. Gestern transportierte ein Gendarm den Gefangenen Link aus dem Amtsgefängnis dahier nach Lauda.
Hedwig dankte dem gesprächigen Manne für das Vertrauen, nahm schnell daS Packet in Empfang und eilte damit hinaus, denn daS Weinen war ihr näher als das Lachen. Mit jener .reichen Braut" hatte sie ja jahrelang dieselbe Schule besucht, freilich mit dem Unterschiede, daß sie oben und Clara RickerS unten saß, denn sie konnte weder geistig noch körperlich einen Vergleich mit Hedwig ausbalten. »DaS ist der Carneval des Lebens" dachte Hedwig, „das blinkende Gold, Rang, Trtrl, und die sogenannte „gesellschaftliche Stellung" verhüllten alles, Hohlheit und Falschheit, Herzensarmut und Unwert der Menschen, während manches Genie hinterm Pfluge oder in dumpfer Fabnkwerkstatt verdorrt." AuS der Stimmung von Neid und Ärger darüber, daß sie für eine Clara RickerS im Stücklohn arbeiten sollte, fiel sie bald in eine lustige Anwandlung. In ihrer Erinnerung haftete noch lebhaft eine Scene aus der Schulzeit. Das große, ungelenke, starkknochige Mädchen hatte den oft außerordentlich grob werdenden Rector der Klasse wiederholt zu unliebsamen Betrachtungen über ihre Leistungen veranlaßt. Letztere waren allerdings in allen Fächern ungenügend; in ihren starken eckigen Kopf wollte absolut nichts von der Schulweisheit hinein. Darüber wütend hatte der Rector ihr einst zugerufen: .Du bist 'ne richtig« Torfschnute!" Natürlich gab daS ein großes Gelächter und Hallo in der Schule und ein noch größeres Entrüsten zu Hause, und der grobe Herr Magister mußte bei dem Vater Claras Abbitte thun. Den nichts weniger als schönen Kosenamen behielt indeß die Schülerin. All die kleinen Bosheiten und Jntriguen gegen die reiche und anmaßende „Torfstreufabrikanten-Tochter," wie die Mitschülerinnen Clara RckerS nannten, fielen Hedwig auf dem Wege zu Hause wieder ein und ließen sie für kurze Zeit die Sorge und Not vergessen.
Die Tante, weiche sich heute Morgen besser befand, saß, als Hedwig eintrat, bereits an gekleidet im Sopha. Sie machte ein verwundertes Gesicht, als jene den schweren Pack Stoffe vor ihr auf den Tisch legte.
.Morgen, liebe Tante! Wie geht» — besser? Da« freut mich sehr," rief Hedwig. »Sie mal her, was ich da mitgebracht habe aus der Stadt. Jetzt giebt'S
Link wagte es auf dem Transportweg zu entspringen.. Als eben dieser Versuch gemacht war, gab sein Begleiter einen blinden Schuß ab, worauf Link anhielt,, da er doch das Bessere vorzog und das Schlimmste nicht riskieren wollte. Der Begleiter holte ihn also wieder ein und Link wurde dann geschlossen geführt.
Schopfhcim, 28. Nov. Das Zähne- ziehen pflegt meistens dem Patienten weniger Vergnügen zu machen, als dem Operateur. Bei einer derartigen Operation, die dieser Tage in einem Hause auf der Au vorgenommen wurde, geriet aber außer dem Patienten auch der Operateur in Angst und Schrecken. Trotz anhaltender Bemühungen wankte und wich der Zahn nicht, dafür gab aber plötzlich, der Unterkiefer nach und der Patient saß mit verrenktem Unterkiefer und offenem Munde da. Der schleunigst herbeigerufene Arzt brachte den Kinnbacken durch eine wohlgezielte Maulschelle wieder in die richtige Lage.
Neu-Ulm, 29. Nov. Der Pferdeschlächter Damian Jlg von Beuren, Bezirksamt Neu-Ulm,, erstach gestern seinen 3ljährigen Sohn im Verlaufe eines Wortwechsels mit einem großen Schlächtermesser. - Der Thäter wurde sofort verhaftet.
Berlin, 29. Nov. Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts I stand heute die Verhandlung gegen den Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift: „Ethische Cultur" , Dr. Förster aus Freiburg i. B. an. Der Staatsanwalt hielt die Anklage voll ausrecht und beantragte 9 Monat Gefängnis. Nach der Verteidigungsrede des Rechtsanwalts Dr. Gordorr erkannte der Gerichtshof auf eine Festungshaft von drei Monaten.
Berlin, 29. Nov. Der sozialistische Neichs- tagsabgeordnete Schippe! hat gestern auf die Aufforderung des Staatsanwalts seine zweimonatliche Gefängnisstrafe in Plötzensee angetreten.
Berlin, 29. Nov. Die bei den sozialistischen Führern am Montag vorgenommenen Haussuchungen haben, wie wir erfahren, der Staatsanwaltschaft überreiches Material dafür geliefert, daß die in Berlin befindlichen acht sozialdemokratischen Wahlvereine die Bestimmung des Z 8 des preußischen Vereinsgesetzes fortgesetzt verletzt haben. Auf Grund des Z 16 desselben Gesetzes ist die vorläufige Schließung der Wahlvereine angeordnet und die Anklage erhoben worden. Die Schließung der Vereine dürfte seitens des Polizeipräsidiums noch im Laufe des heutigen Vormittags erfolgen.
Berlin, 30. Nov. Der frühere Redakteur des „Vorwärts", Josef Dierl, wurde heute von der Strafkammer unter Vorsitz des Landgerichts-Direktors Brausewetter wegen Beleidigung durch die Presse zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Landgerichts- direktor Brausewetter kennzeichnete in der Urteilsbegründung den Vorwärts als ein Blatt, welches sich zwecks Agitation zu Beschimpfungen und Verläum- dungen von Beamten hinreißen lasse, um das Volk
Arbeit in Hülle und Fülle — mit der Nähmaschine nämlich. Gut, daß ich sie neulich nicht verkauft habe, wie Du mir rietest. Sie doch mal, das ist Stoff zu einer Brautaussteuer. Fein, gediegen — was? Es giebt nicht viel dafür, aber ich hoffe, wenn Du nur das Rasseln und Schnurren der Nähmaschine vertragen kannst, dann werde ich wohl 'ne Mark den Tag dabei herausschlagen können. Denk' Dir, davon können wir leben, denn Deine kleine Pension reicht ja für die Miete, Feuerung und Licht. Ein großartiger Plan, den ich da entworfen, nicht wahr? Wirst Du das Nähen auf der Maschine wohl vertragen können?'
Die Tante hatte mit einem langen bewundernden Blick dem eifrig redenden Mädchen zugeschaut, als es die Umhüllung von den kostbaren Stoffen streifte und dabei so munter und voll von Vertrauen in die Geschicklichkeit seiner Hände plauderte. Wahrlich diesem lieben, braven und fleißigen Kmde wäre ein besseres Loos zu gönnen gewesen, als sie es ihm bieten konnte, dachte sie.
„Wenn Du Gefallen an der Arbeit findest," antwortete die Tante, welche die kostbare feine Leinwand und die teuren Sp tzen aufmerksam betrachtete, „dann nimm auf mich keme Rücksicht. Ich bin ja leider auf Deinen Verdienst angewiesen und werde für alles, was Du an mir gelhan dankbar sein; was wäre aus mir geworden, wenn ich ohne Deine Hülfe die schwere Krankheit hätte durchmachen müssen? Ich bete oft m Gott, daß er mir noch einmal die Möglichkeit gewähren möge, Dich für Deine Treue und Opferwilligkeit belohnen zu können."
„Ach Tante, rede doch nicht so. Du gewährst ja einer armen Waise Unterkunft, und daS will in unserer egoistischen Zeit schon viel bedeuten. Bei fremden Leuten habe ich es übrigens lange nicht so gut gehabt, als bei Dir. Und die Arbeit — Du lieber Gott, arbeiten muß man doch überall, und ich arbeite gern, besonders wenn cs für eine so licbendswürvige, gute Tante gilt." —
(Fortsetzung folgt.)