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Amts- unö Anzeigeblatt für den Bezirk <Lalw.

70. Jahrgang

Erscheint Dienstags, Donnerstags und SamStagS. Die EinrückungSgebühr beträgt irnBezirk und in nächster Nvl- 4 «bu»g S Pjg. die Heile, sonst 12 Dfg.

Donnerstag, den 14. November 1895.

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Trügerlotzn, durch die " tttemberg Mk. 1. SL.

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Amtlich« AiekaNvtmachAAgev.

Die Gern. Aemter

werden hiemit veranlaßt, dahin zu wirken, daß das Opfer am Ernte- und Herbstdankfest den Hagelbeschädigten unsres Bezirks zugewcndet und hie- her eingesendet wird. Bemerkt wird, daß eine Landcs- lkollekte zu Gunsten der Hagelbeschädigten nicht statt- sindet.

Calw, 11. Nov. 18S5.

K. Gem. Oberamt. Voelter. Braun.

Tagesneuigkeiten.

* Calw, 13. Nov. Bei der gestern statt- -gefundenen Reichstagswahl im VII. württ. Wahl­kreis ist Freiherr v. Gültlingen wieder gewählt rvorden. Wie wir in einem heute früh ausgegebenen Extrablatt mitteilten, erhielt v. Gültlingen 7171, Schuster 5760, Schmid 177, Gröber 4 und Benz 775 Stimmen. Die 3 Bezirke Calw, Magold und Herrenberg ergaben eine bedeutende Majorität für Gültlingen, wogegen in Neuenbürg Schuster eine schwache Mehrheit hatte. Tie Reform- Partei konnte nur einen sehr geringen Erfolg ver­zeichnen; ihr Kandidat Schmid brachte es im ganzen uur auf 177 Stimmen. Auffallend ist, daß Gröber lbloß 4 Stimmen erhielt, es müssen also die katholischen Stimmen im Bezirk Herrenberg und Nagolo einem -andern Kandidaten zugefallen sein. Die Sozial­demokraten haben im Bezirk Calw eine Einbuße, dagegen im Bezirk Neuenbürg einen ansehnlichen Zuwachs erhalten. Auf Gültlingen sind gegenüber

Schuster 1411 Stimmen mehr gefallen. Alle ab­gegebenen Stimmen betragen zusammen 13887, die absolute Mehrheit demnach 6944; Gültlingen erhielt somit 227 Stimmen über die absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung war diesmal schwächer als im Jahr 1893. Die konservative und die demokratische Partei erhielten deshalb weniger Stimmen, die sozialdemo­kratische jedoch über 100 mehr. In der Stadt Calw ist das Stärkeverhältnis der Parteien sich vollständig gleich geblieben. Die Wahlmüdigkeit der Parteien und wahrscheinlich auch der am Wahltage eingetretene strömende Regen haben dazu beizetragen, daß im ganzen die Beteiligung der Wähler eine schwächere als sonst war. So ist nun die Wahl vorüber und alle Parteien werden froh sein, daß schon der erste Wahltag die Entscheidung brachte. Eine Stichwahl hätte die Leidenschaften, wie sie leider ein scharfer Wahlkampf mit sich bringt, nur unnötigerweise ge­steigert. Nun aber ist zu hoffen, daß die Gemüter sich beruhigen und die friedlichen Zustände wieder die Oberhand haben.

* Calw, 13. Nov. Auf dem heute statt­gehabten Vieh- und Schweinemarkt waren zugebracht 324 Stück Rindvieh, 19 Körbe Milchschweine, 62 Stück Läufer. Der Handel in Rindvieh zeigte sich ziemlich belebt bei zum Steigen neigenden Preisen. Mllchschweine wurden mit 1020 ^ pr. Paar bezahlt.

Calmbach, 12. Nov. Vor 14 Tagen ver­schwand die Frau eines hiesigen Arbeiters mit Hinter­lassung eines Zettels, in welchem sie ihren Mann bat, für die 6 kleinen Kinder zu sorgen. Trotz eifrigen Suchens wurde die Unglückliche erst gestern und zwar erhängt im Walde gefunden. Häusliches Elend und

bittere Armut waren allem nach die Triebfedern bei der Thal.

Neuenbürg, 12. Nov. Der Sohn eines hiesigen Wirts und die Tochter eines Sattlers sind seit Samstag verschwunden. Sie werden wohl erst aus Amerika den Ihrigen Nachricht zukommen kaffen.

Aus dem Oberamt Horb. Bei der gestern stattgehabten Neuwahl eines Oberamtsbaumeisters erhielt der gewesene Herr Emil Lang, der sich trotz Kündigung auffallenderweise nochmals eifrig bewarb, nur eine einzige Stimme. Von 28 abgegebenen Stimmen fielen 20 auf Herrn Bätzler von Calw. Letzterer ist somit gewählt.

Leonberg, 11. Nov. Wegen veruntreuter Pflegschaftsgeldsr wurde Schreinermeister I. aus Rutesheim auf dem dortigen Rathaus durch das K. Oberamtsgericht verhört. Als derselbe im Warte­zimmer war, sprang er durch das Fenster, wobei er sich die Füße derart verstauchte, daß er in ärztliche Behandlung genommen werden mußte. Es soll sich um 500 ^ handeln.

Stuttgart, 11. Nov. Güterbahnhof: Zufuhr 10 Waggons Mostobst (3 belg., 7 östr.). Preis per Waggon L 200 Ztr. 950 bis 1050 per Ztr. 4 ^ 80 bis 5 ^ 30

Stutt gart, 12. Nov. DerLebensmittel­markt ist mit etwa 200 Körben Obst, fast lauter Acpfel, hinlänglich befahren. Der Apfel ist auf dem Markte weit überwiegend. Die Hauptbezugsquellen: Pfalz, Remsthal u. s. w. sind mehrfach bezeichnet worden. Preise zeigen fortwährend Neigung zum I Steigen. Unter 55 bis 60 kein Pfd. Trauben, I Zwetschgen 25 A Merkwürdiger Weise ist ein Apfel,

6 Pt t ^ s? 6 1 O PP. INachdrnck verholen.;

Ein Besuch im Zuchthause.

(Fortsetzung.)

Aber da schien die kleine schmächtige Gestalt Ziethens auch bereits zu wachsen. Seine Gesichtszüze belebten sich, seine ganze Haltung wart e straffer und sein schier leidenschaftliches Feuer brach aus seinen dunklen Augen.

»Nein und tausendmal nein!" rief der Verurteilte. Ich will nicht um Gnade bitten, denn ich habe nichts verbrochen! Der Schein ist wider mich! Aber eher null ich in diesem Zuchthause sterben, eher will ich, daß ich auch noch im Tode geschändet und ehrlos sein möge,alsdaß ich mich dazu verstehe, Verzeihung für eine That zu erflehen, von «eich er mein Herz nichts weiß! Sagen Sie es oll den outen Leuten draußen rn der Freiheit, die Teil an mir nehmen, daß ich Ihnen und Allen von Herzen dankbar für alles bin. was sie für mich thun wollen! Aber so wahr die Hoffnung in mir lebt, daß der Tag kommen muß. an welchem meine Unschuld erwiesen sein wird, so wahr w ll ich nicht um Gnade flehen!"

Es war nicht verbitterter Trotz, der aus diesen Worten deS unglücklichen Mannes sprach. O nein! Es war der gewaltsame Ausbruch eines unschuldigen, im Zwang uvd Drang der überharten Kerkerjahre geläuterten ManmsherzenS.

DieKraftAlbertZiethensistgebrochen! Oeffnetsich ihmdie Pforte des Zuchthaus es wieder, so zieht statt des blüh end en Mannes won ehemals nur noch ein schwacher Greis der Freiheit entgegen. DaS Leben hat diesem Ärmsten unter den Armen nichts mehr zu bieten als Gc- rechtigkeit!

Gerechtigkeit! Nichts anderes will Albert Ziethen für sich!

.Mein Traum war's immer," so sagte er mir unter Thränen, .einmal einen Schiiftst.ller zu finden, der sich meiner annähme der's in die weite Welt hinaus­

schriee, daß ich kein Mörder bin! Nicht nur um mich geht es! Noch lebt mein Vater und die Brüder tragen gleichfalls meinen Namen! Von unserm Namen soll die unverdiente Schmach adgewaschen werden so wahr Gott mir helfe, nein, ich bin kein Mörder!"

Dann hob der arme, unglückliche Mann die gefalteten Hände himmelwärts.

»DaS kann mir Niemand nachfühlen, was ich gelitten habe!" stammelte er, wehüberwältigt. .Unschuldig fein und doch für einen verruchten Kerl gehalten zu werden. Wissen Sie, da packte mich manchmal die Wut, wenn ich's immer wieder beteuerte, daß ich's nicht war und sie wollten mir's doch nicht glauben!'

Er schlug beide Hände vor das Antlitz, eine lange Welle verharrte er un­beweglich.

»Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie von jenem schrecklichen 25. Oktober 1683, an welchem die That geschah, selbst wissen?" fragte ich.

»O, daß mich an jenem Tage Jemand gewarnt hätte!" schluchzte der Ge­fangene. »Sie müssen wissen, ich lebte unglücklich mit meiner Frau. Ich will dir Schuld daran gern auf nuch nehmen. Sie war ein gutes Weib, aber nichts für mich. Sie war keine Geschäftsfrau und ich wollte mit aller Gewalt voran, rasch reich werden. Dann war sie kiänklich mit einem Wort, ich hielt mir eine Ge­liebte in Köln. Heute bereue ich's bitter; damals dachte ich mir dabei nicht viel Schlimmes. Jeden Donnerstag Nachmittag fuhr ich zum Besuch des Mädchens nach Köln, so auch an jenem Unglückstage. Dreiviertelstunden vor Mitternacht kehrte ich heim. Da fand ich mein armes Werk ermordet auf dem Wohnstubenboden liegen"

Albert Ziethen erhob sich plötzlich. Die Rückerinncrungen erschütterten ihn immer mehr.

»Da in jenem Augenblicke, als die schreckl che Erkenntnis deS Geschehenen über mich kam!" murmelte er endlich und das Kinn sank ihm schlaff zur Brust herab. »Da fühlte ich's, wie das Verhängnis über mich kam in mir schrie eS auf: das ist die Vergeltung dafür, daß Du nicht gut zu Deinem armen Weibe gewesen bist