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1879 cingetretenen mäßigen Schutzzoll keinerlei Nutzen gehabt habe. Nun ja, wir möchten wissen, wie es aussehen würde, wenn nach seiner Ansicht Jndustrie- artikel, Korn, Vieh, Holz, Holzwaren u. s. w. vom Ausland zollfrei oder gegen weit geringere Zölle als seither eingeführt werden dürften. Nach der Ansicht der großen Mehrheit deutscher Nationalökonomen und des deutschen Volkes, wäre dann unser wirtschaft­licher Ruin unausbleiblich. Der Beobachter scheint aber die Bauern damit trösten zu wollen, daß sie dann auch ihr Vieh zollfrei ausführen können. Eine merk­würdige Behauptung, welche den Schwarzwälder Bauern schwerlich einleuchtet. Soll etwa die Aus­fuhr von Vieh nach Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweiz, Amerika u. s. w. gehen, nach Ländern, von welchen wir ohne Einfuhrzoll mit Vieh und Fleisch geradezu überschwemmt würden? Eine wenig überlegte und jedenfalls unbewiesene Behauptung hat der Be­obachter damit aufgestellt, wenn er sagt: Wenn Herr v. Gültlingen auch für die Erhaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Gemeinden einträte, so würde er durch seine eigenen Fraktionsgenossen nieder ge­stimmt werden. Wie sieht es denn bezüglich dieser Frage bei der DolkSpartei aus? Kann der Beobachter in Abrede stellen, daß der Führer und Vorstand der Württ. Volkspartei, der Reichtagsabgeordnete Payer sich gegen die Belastung der freiwilligen Gerichtsbar­keit bei den Gemeinden ausgesprochen hat? Er wird sich ohne Zweifel damit ausreden, daß die weiteren Mitglieder der Volkspartei eben anders stimmen würden, geradeso, wie bei der Jesuitenfrage, wo die Herren Payer und Haußmann für Zulassung der Jesuiten und einige andere Genoffen dagegen ge­stimmt haben.

Der Beobachter hat selbstverständlich noch weitere Angriffe gegen Hrn. v. Gültlingen gerichtet. Sie verdienen aber zunächt nicht, daß man sich damit befaßt, denn sie bestehen nur aus den sattsam be­kannten Geschoßen, die im Arsenal des Beobachters bereit stehen, um gegen Jeden gerichtet zu werden, der sich nicht blindlings und unter Verzicht auf eigene Ueberzeugung des Beobachters Weisheit und Herr­schaft unterwirft. Wenn der Beobachter glaubt, daß die Wähler des VII. Wahlkreises einen Gefallen daran finden, wenn der Abgeordnete dem die Mehrheit wiederholt ihr Vertrauen geschenkt hat, in wenig würdiger Weise persönlich verhöhnt wird, so dürfte er sich täuschen. Das Schwarzwälder Volk hat einen besseren Geschmack und einen besseren Charakter als er glaubt. Herr v. Gültlingen hat den Wahlkreis seither gewissenhaft, überzeugungstreu und im Sinne der Mehrheit des Kreises vertreten, seine Wähler werden ihn» auch ferner treu bleiben, denn der Zweifel ist sehr berechtigt, ob Hr. Schuster der Kandidat des Beobachters irgendwie einen Vorzug verdient?

Calw. Vom Sonntag den 3. Nov. ab ist die Sonntagsruhe im Güterverkehr in vollem Umfange wieder eingeführt.

Gerlingen, 30. Okt. Gestern und heute wurden in einem Teil der hiesigen und in den hier angrenzenden Eltinger Waldungen von Jagdpächter

Scharrer kleiner Treibjagden abgehalten, wobei sich etwa 20 Schützen beteiligten. Die Strecke fiel über alles Erwarten günstig aus und ergab: 1 Kapital­hirsch, Achtender, im Gewicht von 2 Zentner, 1 starke Hirschkuh, 18 Rehe, 7 Hasen und l Fuchs.

Schorndorf, 30. Oktober. Hospitalpfleger Rommel wurde gestern abend vom Amtsgericht in Haft genommen. Wie verlautet, soll es sich um Unterschlagungen von städtischen Geldern bw zum Betrag von 49000 handeln. Die Veruntreuungen sollen bis zum Jahre 1886 zurückreichen. DieDeutsche Reichspost" fügt dieser Nachricht bei:Die Unter­schlagungen wurden dadurch verschleiert, daß die Schuldscheine längst getilgter Schulden von Rommel immer wieder vorgelegt wurden, die Zinsen bezahlte er selbst weiter. Anläßlich einer Teilungsverweisung kam die Sache an den Tag. Rommel hielt sich zu unser» politischen Freunden und schädigte verschiedene derselben, die ihm vertrauensvoll aushalfen, sehr empfindlich. Besonders schwer sind einige Weingärtner betroffen, die mit Rommel Geschäfte machten, da der­selbe einen bedeutenden Weinhandel betrieb."

Gmünd, 30. Okt. Ein schweres Unglück hat unser Wasserwerk betroffen. Heute Nachmittag 4 Uhr ertönte plötzlich ein furchtbarer Knall; der große Dampfkessel bei dem Hauptschacht war geplatzt. Die Wirkung war furchtbar. 3 Arbeiter wurden völlig zerschmettert, ein vierter in den Schacht hinunter geschleudert, 3 wurden schwer, 2 leichter ver­letzt. Die Verwundeten wurden von dem sofort her­bergeeilten Wundarzt Rieger verbunden und von den Mitgliedern der Sanitätskolonne in das Krankenhaus verbracht. Die Leichen sind schrecklich zerfetzt. Von einem Monteur aus Magdeburg hängen noch blutige Fleischstücke am oberen Enve des Pulsometers; einem zweiten wurde der größte Teil des Schädels weg­gerissen und in die Aufzugsmaschine geschleudert. Der Dampfkessel wurde über 300 m weit durchs Feld geschleudert, der Feuerungsraum in der entgegen­gesetzten Richtung fortgeworfen. Stadtschultheiß Möhler erschien alsbald auf der Unglücksstätte. Die Namen der Toten sind Reber aus Leinzell, Monteur Fritz Erbsleben aus Magdeburg, Karl Kröger-Dort­mund und Emil Müller aus Görlitz. Die Schwer­verwundeten heißen Bulling-Gmünd, Hägele-Thanau und Knaut-Westphalen. Eine große Menschenmenge wurde durch die Nachricht von dem furchtbaren Er­eignis hinausgezogen und umsteht die einem Schlacht­feld vergleichliche Unglücksstätte.

Ulm, 26. Oktober. (Schweinemarkt.) Die heutige außerordentlich starke Zufuhr von 850 Stück, darunter 810 Milchschweine, welche zum Teil auf die Sperre des Biberacher Marktes zurückzuführen ist, erfreute sich dennoch eines guten Absatzes, da viele kaufslustige Handels- und Landleute eintrafen. Die Preise gingen zwar im Vergleich zum letzten Markt wieder etwas zurück, was jedoch zur Folge hatte, daß ca. 700 Stück abgesetzt wurden. Milchschweine kosteten 1016 Läufer 2536 per St. Gesamt­

umsatz 10000

Paris, 30. Okt. Während des gestrigen' Nachmittags herrschte in den Wandelgängen der Kammer großes Leben. Besonders die Sozialisten feiern ihren Sieg mit großem Geräusch. Die An­nahme, daß das Cabinet durch den radikalen Abge­ordneten Bourgeois gebildet werden wird, scheint sicher. Man erwartet jedoch, daß dessen Bemühungen nicht von Erfolg sein werden. In gewissen Kreisen glaubt man an das Zustandekommen eines neuen Ministeriums mit Ribot an der Spitze. Faure möchte nämlich, daß das vom Budgetausschuß debattierte und angenommene Budget der Kammer unverändert vorgelegt werde.

Landwirtschafll. Kezirks verein.

Laut hohen Erlasses der K. Centralstelle f. d. Landwirtschaft vom 26. ds. Mts. soll behufs Fest­stellung der Zahl der zu gewährenden Freiexemplare des landw. Wochenblatts ein Verzeichnis der­jenigen Gemeinden eingereicht werden, in welchen Heuer etwa eröffnet werden: a) Winterabend-- schulen mit freimill. landw. Unterricht, an welchem auch solche, welche dem sonntagsschulpflichtigen Alter bereits entwachsen sind, Anteil nehmen können^ b) freiwillige landwirtschastl. Fortbildungsschulen^ o) landwirt. Abendversammlungen und Lese­vereine.

Es werden nun die Gemeindebehörden ersucht^ zutreffenden Falles spätestens bis 1v. Nov. d. I» unter Namensangabe des Lehrers Anzeige hieher zu machen, wobei bemerkt wird, daß die in Gemäßheit des Gesetzes vom 22. Mär; 1895 (R.-Bl. S. 77) eingerichteten allgemeinen Fortbildungsschulen nicht hieher zu rechnen sind-

Calw, den 30. Oktober 1895.

Vereinsoorstand:

Voelter, Oberamtmann.

Standesamt ßalw.

Geborene:

28. Okt. Otto Friedrich, Sohn des Göttlich Ruf, Hilfs- bremser's hier.

Getraute:

31. Okt. Christian Matthäus Nüd, Magazinier hier und Marie Regine Bi hl er hier.

31. . Karl Heinrich Otto Ludwig, Vicefcldwebel ' und Brigadeschrciber in Stuttgart und Anna Luise Heller hier. Gestorbene:

28. Okt. Karoline Zahn, hier, 65 Jahre alt.

30. Gustav A p p e l t, Appreteur hier, 26 Jahre alt.

Gottesdienste

am 21. Sonntag nach Trinitatis, 3. November.

Reformationsfest.

Vom Turm: 211. Der Kirchenchor singt:Wachet auf, ruft uns die Stimme ', mit Posaunenbegleitung. Predigtlied: 212.

9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls. 2 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Stadtpfarrcr Schmid. Das Opfer beider Gottes­dienste ist für die Würtlemb. Bibelanstalt in Stuttgart bestimmt.

Mittwoch, 6. November.

10 Uhr, Betstunde im Vereinshaus.

Mtliqe KeksllutwllchullSkv.

Vergebung von Straßenbauarbeiten

im Oderamtsbezirk Calw.

Die Arbeiten zur Verbesserung der Staatsstraße Nr. 108, Pforzheim Calw bei Ernstmühl auf der Markung Hirsau, werden im Wege der schriftlichen Bewerbung nach Maßgabe der durch Verfügung der K. Ministerien des Innern und der Finanzen vom 19. April 1888 in Betreff der Vergebung von Leistungen und Lieferungen in den Departements des Innern und der Finanzen festgesetzten Bestimmungen (Beilage zu Nr. 26 des Gewerbeblatts aus Württemberg vom 24. Juni 1888) verliehen werden.

Es sind veranschlagt:

I. die Erdarbeiten zu. 2772 ^ -A

H. die Chaussierungsarbeiten zu . . . 2005 80

HI. die Kunstbauten zu.

Von dem Kostenvoranschlage, den Zeichnungen und Accordsbedingungen kann bei der Straßenbau-Inspektion Calw Einsicht genommen werden, auch können von derselben Auszüge aus dem Kostenvoranschlag und den Accordsbedingungen gegen Einsendung von 2 bezogen werden.

Diejenigen, welche zu Uebernahme obiger Arbeiten geneigt sind, haben ihre nach Prozenten des Kostenvoranschlags auszudrückenden Angebote schriftlich, ver­siegelt, auf der Adresse genau alsAngebot für die Straßenbau-Arbeiten im Oberamtsbezirk Calw" bezeichnet, längstens bis

Samstag, den 16. November 18S5, nachmittags 3 Uhr,

bei der Straßenbauinspektion in Calw portofrei einzureichen, worauf eine Stunde später die urkundliche Eröffnung der Angebote, welcher auch die Bewerber an­wohnen können, daselbst vorgenommen werden wird.

Die Bewerber bleiben an ihre Angebote bis zum Zuschläge, welcher übrigens in Bälde erfolgen wird, gebunden.

Es werden nun tüchtige, kautionsfähige Unternehmer ringeladen, sich unter

Beilegung ihrer Zeugnisse über Befähigung und Vermögen um obige Arbeiten zu bewerben.

Calw, den 31. Oktober 1895.

K. Straßenbau-Inspektion.

Fleischhauer.

WeichsLcrgswclHt.

Die Wahl eines Abgeordneten zum deutschen Reichstag findet am

Dienstag, den 12. November 1895,

statt. Die Wahlhandlung dauert ununterbrochen von 10 Uhr vormittags bis 0 Uhr abends und wird mit dem Schlage 6 Uhr der Wahlakt geschlossen.

Di« hiesige Stadt ist in zwei Wahlbezirke eingeteilt. Der erste umfaßt die südliche Hälfte der Stadt mit Wimberg, Tanneneck, Walkmühle, Krappen und Bahnhof. Der zweite Wahlbezirk umfaßt die nördliche Hälfte mit Gutleuthaus und Windhof.

Als Wahlvorsteher sind ernannt:

a. für den ersten Bezirk Stadtschultheiß Haffner und in dessen Be­hinderung Gemeinderat Bub als Stellvertreter.

b. für den zweiten Bezirk Gemeinderat Sch mid und als Stellvertreter Gemeinderat Schwarzmaier.

Die Grenze beider Wahlbezirke bildet eine Linie, welche vom Wsinstrg durch das Biergäßchen, den Kirchberg entlang zum Zwinger zieht, wonach im Bischoff das Gebäude Nr. 493 zur südlichen, Nr. 494 zur nördlichen, im Zwinger das Haus Nr. 303 zur südlichen, Nr. 302 zur nördlichen Hälfte gehört. Das Abstimmungslvkal ist für den ersten Wahlbezirk das Gemeinderatssitzungszimmer auf dem Rathaus, für den zweiten das nördliche Parterrezimmer im Rektorats­gebäude.

Das Wahlrecht wird in Person durch verdeckte, in eine Wahlurne nieder­zulegende Stimmzettel ohne Unterschrift ausgeübt.

Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußern Kennzeichen versehen sein. Nur diejenigen sind zur Teilnahme an der Wahl berechtigt, welche in die Wählerliste ausgenommen sind.

Calw, den 1. November 1895. Stadlschultheitzenamt.

Haffner.