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und Landtagsabgeordneter Aldinger hatten Segensund Glückwünsche gesandt. Ein Hoch auf den König fand begeisterte Aufnahme und ein Huldigungstelegramm der Versammlung wurde im Auftrag Seiner Majestät gnädig erwidert.
Göppingen, 14. Sept. Gestern Nacht fielen auf der Strecke Göppingen- Ebersbach 2 Stück Vieh von einem Eisenbahnwagen auf eine bis jetzt noch nicht aufgeklärte Weise heraus und wurden vom Zuge zerschnitten. Das Vieh gehört dem Viehhändler Wertheimer aus Kehl, welches von München nach Straßburg befördert werden sollte.
Tuttlingen, l3. Sept. Ein seltenes und eigenartiges Jubiläum feierte dieser Tage der hies. Strumpfweber Sch. Derselbe raucht nämlich seit 50 Jahren ausnahmslos den sog. „schwarzen Löwen", ein Rauchtabak, welcher bekanntlich in Duisburg fabriciert wird. Ein Bekannter des Strumpfwebers benachrichtigte die Duisburger Fabrik, daß der genannte Tabaksjubilar ihr geschätztes Fabrikat, fest 50 Jahren rauche. Nun kam dieser Tage von dem Duisburger Haus ein Jubilarsgeschenk in Gestalt einer großen Kiste Rauchtabak nebst einem ehrenden Begleitschreiben mit dem Anfügen, daß für den treuen Raucher bei seiner Centenarfeier (in 100 Jahren) das gleiche Geschenk erfolgen werde. Möge der so Geehrte noch lange seinen „Kloben" rauchen.
Vom schwarzen Grat, 13. Sept. Auf Grund ortspolizeilichen Verbots darf der auf dem Bahnhofe Jsny aufgestellte Verkaufs-Automat an Sonntagen nur mehr bis abends 4'/- Uhr, d. h. bis zu dem Zeitpunkt, da die Verkaufsläden in der Stadt geschlossen werden müssen, in Thätigkeit sein, — eine Folge des Verbandstages württ. Eewerbevereine, der jüngst in dieser Stadt getagt!
T Pforzheim, 17. Srptbr. Heute früh '/-3 Uhr wurde eine Abteilung der hiesigen freiwilligen Feuerwehr allarmiert. Im Sägmühlenanwesen des Herrn Joh. Gg. Gengenbach in Dillstein war in einem Magazingebäude, das zur Aufbewahrung von Abfallholz diente, Feuer ausgebrochen. Der 2. Stock war durch einen Mieter (Flaschenbierhändler und Kostgeber Carle) bewohnt. Die Familie desselben konnte sich noch notdürftig gekleidet retten. Das Feuer griff so rasch um sich, daß in wenigen Minuten das ganze ausgedehnte Sägwerk-Anwesen ein Flammenmeer bildete und völlig niederbrannte; auch das nebenanstehende Doppelwohnhaus des Herrn Gengenbach wurde ein Raub der Flammen. Das Feuer übersprang die nach Calw zu führende breite Chaussee und es gerieten jenseits 2 ebenfalls Herrn Gengenbach gehörige, mit Schindelverschalung versehene 3stöckige Wohnhäuser in Flammen; weiter brannte noch an einem 3. Wohnhause der Dachstock ab. Den vereinten Anstrengungen der freiwill. Feuerwehren von Dill-Weißenstein, Pforzheim, Huchenfeld und der Löschmannschaft von Würm, gelang es nach mehrstündigem Ringen dem wütenden Element Einhalt zu gebieten. Die Entstehungsursache ist noch unaufgeklärt.
München, 16. Sept. Die erste Nummer der „Münch. Freien Presse" ist wegen Majestätsbeleidigung, enthalten in einem Artikel: Was ist Infamie? konfisziert worden.
München, 17. September. Die Münchener Neuesten Nachrichten melden aus Berlin: Wie hier verlautet ist Freiherr v. Hammerstein nach Amerika abgereist.
Berlin, 17. Sept. Der „Lokalanz." meldet aus Wilhelmshaven: Der Kaiser spendete 200000 ^ zum Bau einer Kirche für die hiesige evangelische Gemeinde.
Perl in, 17. Sept. Es bestätigt sich, daß Prinz Heinrich durch Cabinetsordre vom 15. d. M. zum Contreadmiral befördert worden ist.
Berlin, 17. Sept. Zur Rückkehr des Reichskanzlers aus Rußland schreibt man der „Volkszeitung" von unterrichteter Seite. Fürst Hohenlohe ist sehr befriedigt aus Petersburg zurückgekehrt. Kleine Verstimmungen und Mißverständnisse bezüglich der ostasiatischen und bulgarischen Frage sind zur Sprache gekommen und beseitigt worden. Der Zar hat dem Fürsten Hohenlohe von der beabsichtigten Besuchsreise an diejjHöse in Darmstadt, Berlin und Koburg gesprochen, deren. Zeitpunkt von dem im russischen
Kaiserhause zu erwartenden Familien-Ereignis und der Krönung in Moskau abhänge. Gleichzeitig wird der Volkszeitung mitgeteilt, daß die gemeldeten Rücktrittsabsichten des Fürsten Hohenlohe falsch seien. Dagegen sei der Rücktritt des Staatssekretärs Freiherrn von Marschall zu erwarten. Zu seinem Nachfolger dürfte Herrv. Kiderlen-Wächter, derzeitiger preußischer Gesandter in Hamburg ausersehen sein.
Berlin, 17. Sept. Zu dem Maurer-Aus- stand auf den Kasernen-Neubauten am Tempelhoferfelde wird der „Voss. Ztg." mitgeteilt, daß den Ausständischen 50 Pfg. Stundenlohn, Beschaffung einer zweckmäßigen Baubude im Laufe des gestrigen Tages bewilligt wurde, Lohn-Entschädigung für den Sedantag dagegen nicht. Am Nachmittage kam cs zu argen Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Ausständigen, die in großer Menge die sogenannten Streckbrecher erwarteten und nur durch dis zahlreiche Schutzmannschaft von thätlichcn Angriffen abgehalten werden konnten.
Wien, 12. Sept. Dr. Lueger war heute vor den Geschworenen erschienen, um den „Kikeriki" zu verteidigen. Angeklagt war vor dem Schwurgericht der Redakteur des „Kikeriki", Strecha, wegen Aufreizung gegen eine bestehende Religionsgenoffenschaft. In den Nummern vom 30. Juni und 4. Juli wurden drei Stellen inkriminiert, und zwar: „Radikales Mittel gegen eine Judeninvasion in den Sommerfrischen", dann „Sehr frei noch Schiller" und „Majestät, nimm uns die Judenpresse", welche zu Feindseligkeiten gegen die jüdische Konfession aufreizen sollen. Der Angeklagte Strecha erklärt sich nichtschuldig. Der „Speisezettel für die Juden in der Sommerfrische" sei ein harmloser Scherz, nicht wert, daß seinetwegen eine Anklage erhoben werde. Der Staatsanwalt besprich in seinem Plaidoyer die Parteistellung des „Kikeriki", den er als einen antisemitischen Kampfdegen und dessen Redakteur als politischen Agitator bezeichnet. Der „Kikeriki" sei ein Kampfmittel, kein Witzblatt. Von einem solchen unterscheide es sich durch seine Einseitigkeit. Wenn im Blatte die Wirte aufgefordert werden, den Juden Wasser aus dem Schöpfbrunnen nächst dem Misthaufen zu reichen, so sei dies eine Art publizistische Brunnenvergiftung. Der Staatsanwalt schließt mit der Bitte um Schuldigsprechung. Dr. Lueger polemisiert gegen den Staatsanwalt. Der Antisemitismus bezwecke keine Feindseligkeiten gegen die Juden. Er sei eine Schutzpartei gegen die Hebelgriffe des Judentums. Lueger fordert die Geschworenen auf, durch ihr Verdikt unschuldige Aeußerungen der christlichen Presse nicht zu knebeln. Sei es denn nicht wahr, daß in den Sommerfrischen die Juden überwicgen? Man möge nur nach Ischl blicken. „Ich kann nichts dafür, sagte er, daß dort so viel Juden sind, daß man einen Christen mit der Laterne suchen muß. Der Christ hat ja in Oesterreich nichts zu reden." Nach dem Resumö des Präsidenten zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Das Verdikt verneinte sämtliche Schuldfragen einstimmig. Der Angeklagte wurde hieraus freigesprochen.
London, 17. Sept. Gestern früh brach auf der „Ilona" Feuer aus. Dieselbe befand sich unterwegs von Leith nach London. 5 Damen, ein 8jähriges Mädchen und die Stewardeß haben ihr Leben verloren.
Gin Aufruf an das deutsche Uslk aus dem Jahre 1813,
der anonym erschienen ist, aber mit überzeugenden Gründen dem Dichter Ernst Moritz Arndt zugeschrieben wird, wird von Hans Elverfeldt in der Beilage der „Münch. Allg. Ztg." veröffentlicht. Derselbe, an sich schon von Interesse und Bedeutung, ist doppelt be- herzigens- und lesenswert wegen seiner eindringlichen, auch heute noch zutreffenden Mahnungen. Der Aufruf lautet:
An das deutsche Volk!
„Deutsche Männer! Frisch auf! Waffen und Wehr zur Hand! Nun gilts Kampf auf Leben und Tod, um Gut und Blut, um Ehre, Glück und Freiheit. Eines thut Not.' Allgemeine- Rachekrieg wider den Erzfeind; allgemeine Treibjagd auf die französischen Ungeheuer. Nur keinen Augenblick versäumt, gleich mutig dran und drauf, fromm, tapfer und faustsest. Wohl begonnen ist gewonnen.
Nun und jetzt, so wollen wir, können wir die vorige glückliche Zeit zurück erobern, das Fest der Wiedergeburt des deutschen Volkes feiern, und das
Blutgericht über den Leuteplager, Länderräuber und Völkertilger halten. Auftrete nun, wer zu klagen hat, Unbille zu rügen und Frevelthaten; ungerichtet und ungestraft bleibt ferner kein Bubenstück. — Es weine nun der verschlossenen Seelenwunde — solche Thränerr werden Rachegeister vor des Weltenrichters Thron bringen. Trauer lindere den Schmerz verlorener Glückseligkeit, es grinset kein Franscher mehr mit Schadenfreude in unsere Qualen.
Mitteilung leichtere Gram und Leiden; kein Siegerhohn macht sie zur Lebensfolter. Es bleibe keine Schandthat der Flanschen verschwiegen, keine Bosheit, keine Niederträchtigkeit und kein Gräuel. Verschweigen ist nunmehr Verbrechen, Sanftmut Sünde, Vergebung Hochverrat. In der Duldenszeit galt das Verstummen, das Hoffen und Harren; jetzt beim Erwachen des Volks, wo die alte Männlichkeit wiederkehrt, bleibt nur Recht die Offenbarung der Volksschmach, der laute Zorn, der rege Ingrimm und die heilige Rache!
Konnten wir bisher sagen, was noch unser geblieben ? Nichts gehört uns an, nicht Haus und Hof, nicht Weib noch Kind, nicht Grund und Boden, nicht, das Erbe der Väter; nicht der Arbeit Lohn, noch der Ernte Segen; nicht die Gesetze und die heilige Sprache-
Unser Haus war eine Polterkammer, wo böse Geister spukten; Weiber und Töchter rechneten die franschen Unholde für erbeutetes Spielzeug ihrer viehischen Lüste und ihrer teuflischen Wollust; die junge Mannschaft war überall vogelfrei, um zur großen Völkerhetze ausgeloset und eingetrillt und abgerichtet zu werden, das ganze Vaterland war zur Räuberhöhle und Mördergrube worden.
Unsere Wagen liehen den Naubheeren die Flügel, mit denen sie Deutschland von einem Ende zum andern durchraseten. Scheuern und Vorratskammern waren die Speicher, woraus sie wohllebten, unsere Betten blieben ihre Zelte.
Wir empfingen die Zerstörer unsres Glücks gleich lang ersehnten Gästen mit herzlichem Willkommen und geleiteten sie als Freunde durch alle Gefahren. Wir bedauerten jener Hetzheere Kriegerlos und behandelten jeden einzelnen Schergen mit Nachsicht und Schonung, ja ließen überall Gnade für Recht ergehen. Als hätten wir Deutsche kein Recht ein Volk zu fein und nur die Henkerspflicht uns selber für die Franschen zu morden, schwuren wir wider das Vaterland einen hochverräterischen Meineid, sammelten uns in Rotten und Banden zu Scharen und Garden und Reisigen, und beschirmten sie gegen die rechten Rächer, bewachten sie zu Wasser und Land, in Feld und Wald, in Hart und Luch, in Loh und Tann, wenn sie von ihren Unthaten ausruhten. Wir pflegten sie, daß sie neue Kraft zu Schandthaten gewannen; sicherten ihren Schlummer, daß sie mit neuen Plagen danksagten- Sie schwelgten, was wir darbten; und was die arglistigen Quäler aus Mißgunst, Büberei und Zerstörungswut unbrauchbar machten, wären hinreichend gewesen, uns auf lange Zeck zu beglücken. Und dann rühmten sich die eingeteufelten Ungeheuer, daß sie uns noch großmütig die Augen gelassen, um über unser Unglück zu weinen.
Ihre Siege über uns mußten wir mit Festen, Aufzügen, Gelagen und Erleuchtungen im Frohndienst feiern, auf Schutthaufen und Trümmern unserer Wohnungen, auf den Leichen unserer Ehrlich- und Wehr- lichgebliebenen und auf dem Grabe des Vaterlandes. Der Geburtstag, die Menschwerdung des Satans ward durch Gotteslästerung, durch Fluchgebete an heiliger Statt, durch Höllenpredigten unsere größteVolksschmach. Und so tief waren wir in Ruhe, Geduld und Demut verknechtet, daß wir uns dem blutdürstigen Ungeheuer anschmiegten und anschmeichelten, um nur unsre eigenen Frohnknechte, Schergen, Büttel und Henker zu werden- Dumpfsinnig, verblüfft unv behext priesen wir sogar die hohe Schurkenehre für deutsch-gesinnte Brudervölker verhetzt und verschändet zu werden.
Unter lauter glücklichen Vorzeichen beginnen wir den Nachekrieg. Wir haben durch die Leiden in langen Gräueljahren die alten Sünden der Volkszersplitterung abgebüßt; wir kennen unsre ärgsten innerlichen Feinde; . ein Bruderherz schlägt in dem großen Volke und überall, wo die deutsche Zunge redet, sehnt man sich nach Einheit und Freiheit. Unsere Sieger waren noch vor wenigen Jahren feldflüchtige Horden. Alle Zeit haben unsre Altvordern sie mit Schmach in ihre Grenzen zurückgeschlagen. Die Birs, Andernach, Murten, Krefeld, Hochstädt, Minden und Nosbach dröhnen wie Donnerworte und Weissagungen.
Not lehrte die Franschen siegen, als wir die Wehrkunst verlernt hatten; darum sind sie sich der wahren Ursachen nie bewußt worden. Geläutert, ent« sündigt, männlicher und deutscher, eines Herzens und Sinnes müssen wir aus ihren Höllenfoltern hervorgehen. Wir sind ins Tiefste hinabgesunken, sie aufs Höchste emporgestiegen; so müssen sie hinunter und wir hinauf — denn die ewige Weltordnung duldet keinen Stillstand. Die Franschen sind siegberauscht,..