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stanz zu Ende, und die Vieh- und Fleischpreise sind im Rückgang.
Pliezhausen, OA. Tübingen, 13. Sept. Im Walde zwischen hier und der Altenburger Brücke machte vorgestern Abend ein den bessern Ständen angehöriges Fräulein aus Eßlingen einen Selbstmordversuch, weil sie gegen ihren Willen in Reutlingen in eine Stelle eintreten sollte. Vor dem Eintritt besuchte sie ihren beim Bezirkskommando in Reutlingen dienenden Bruder, seines Berufs Notar iats- kandidat, und teilte ihm ihre Absicht mit, sich das Leben zu nehmen. Ohne Urlaub entfernte sich am Montag der Bruder mit seiner Schwester aus Reutlingen. Vorgestern kamen beide hierher und gingen in den zwischen hier und der Altenburger Brücke gelegenen Schönbuch. Während der Soldat sich den Waffenrock auszog und ihn an einen Baum hängte, benützte die Schwester den günstigen Augenblick um sich hinter ihrem Bruder mittels eines Revolvers mehrere Kugeln in die linke Seite zu schießen. Die Schüsse wurden von zwei Unteroffizieren, die dem Deserteur auf der Ferse waren, gehört. Die Unteroffiziere eilten hinzu und brachten die beiden Geschwister ins Lamm. Wundarzt Münsinger entfernte die Kugeln aus der Brust des Mädchens; er hält die Verletzungen nicht für lebensgefährlich. Gestern wurde das Mädchen in die chirurgische Klinik nach Tübingen überführt, während der Bruder von den beiden Unteroffizieren nach Reutlingen verbracht wurde.
Dürrenzimmern, 9. Sept. Ein hiesiger Weingärtner verkaufte gestern seinen 95er „Neuen" pro Eimer zu 171 Mark. Da der schöne gesunde Stand unserer Weinberge Heuer einen Ausstichwein erwarten läßt, so dürfte der Käufer keinen Fehlgriff gethan haben.
Triberg, 10. Sept. Vergangene Woche brachte der Schönachbach eine Menge toter Forellen. Es scheint, daß dieselben infolge Verunreinigung des Wassers durch schädliche Stoffe zugrunde gegangen sind. Es sind die meisten Fische durch bedeutende Opfer vom Fischereiverein in den letzten Jahren eingesetzt worden. Der Fischereiverein hat eine Belohnung von 20 ^ auSgesetzt für denjenigen, welcher ermittelt, wer das Wasser verdorben hat.
Traunstein, 6. Sept. Vor einigen Tagen erschoß der Drechslermeister Niggl, der auch Waldaufseher ist, einen dem Metzger Spalt gehörigen Hund auf freier Straße, da er ihn im Verdacht hatte, daß er wildere. Gestern nachmittag ging der Sohn des Spatt in Niggls Werkstätte und schnitt Niggl den Hals ab. Niggl sank sofort tot zusammen. Der Thäter wurde verhaftet.
— In Osterrode a. H. brannten in voriger Woche 63 Häuser ab. Aus Northeim, Hannover und Magdeburg waren Dampfspritzen eingetroffen.
Hannover, 12. Septbr. Heute Vormittag wurden die Konstruktionen der im Bau begriffenen Brücke, welche Hannover mit Linden verbindet, probeweise mit 100000 Mauersteinen belastet. Die Brücke wiederstand dieser Belastung nicht und stürzte zusammen. Personen wurden nicht verletzt.
Berlin, 11. Sept. Auf dem Friedhofe der
freireligiösen Gemeinde fand letzten Sonntag die Enthüllung des Grabmals für die im vorigen Jahre verstorbene sozialdemokratische Agitatorin Agnes Wab- nitz statt. Dieser Akt war eigentlich für den Sedan- tag vorgesehen, jedoch von der Polizei an diesem Tage verboten. Am Nachmittag gegen 4 Uhr fanden sich mehrere Tausend „Genoffen" und „Genossinnen" auf dem Friedhof ein. Aber zur allgemeinen Entrüstung blieb der Festredner aus. Nachdem man eine Stunde lang vergeblich gewartet hatte, wurde das Denkmal ohne weitere Reden enthüllt. Die Polizei hatte sich dem Akte ferngehalten. (Agnes Wabnitz hatte sich vergiftet, weil sie eine ihr zudiktierte längere Gefängnisstrafe Hätte absitzen sollen.)
Berlin, 12. Sept. Ein Monstreprozeß ge- langt am 20. d. M. vor dem Landgericht I. zur Verhandlung, Angeklagt sind die Vorstandsmitglieder und Frauen des Mädchenbildungsvereins für Berlin und Umgegend nebst 20 Filialen. In Berlin sollen politische Gegenstände erörtert worden sein.
Stettin, 12. Septbr. Der Ballon des zweiten Armee-Corps ist heute Morgen während des Aufstieges geplatzt. Der in der lÄondel befindliche Offizier stürzte aus beträchtlicher Höhe auf die Erde herab und erlitt einen Beinbruch.
Stettin, 12. Septbr. Tie Zahl der vom Kaiser von Oesterreich an Offiziere und Beamte verliehenen Orden soll etwa 200 betragen.
Lemberg, 12. Septbr. Die Kaserne des hiesigen 80. Infanterie- Regiments wurde während der Regimentsmanöoer durch eine Diebesbande vollständig ausgeraubt. Unter den gestohlenen Gegenständen befindet sich auch die Generalsuniform des letzten Regimentsinhabers, des Herzogs von Schleswig- Holstein.
Bern, 12. Sept. Gestern stürzte ein Stück vom Altels-Gletscher auf den Spittelwasen beim Gemmipaß und begrub mehrere Viehherden. Der Schutt liegt in der Länge von 3 Kilometern haushoch; ein großer Lärchenwald wurde vollständig fort- gefegt, alle 6 auf der Alp anwesenden Personen sind tot geblieben, 150 Stück Großvieh sind verloren. Ein nächtlicher Gewitterregen ist die Ursache des Gletscherbruchs.
— Bei der am 9. ds. erfolgten Fahrt der Mitglieder des internationalen Kongreffes zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden für Baumaterialien nach dem Uetliberg ereignete sich ein Unglücksfall. Auf der Höhe der Station wurde ein mit Paffagieren gefüllter Wagen ohne Bremsung stehen gelaffen. Plötzlich setzte sich der Wagen in Bewegung und rollte eine Strecke weit bergab. Eine Anzahl der Insassen sprangen vom Trittbrett herunter, bis es gelang, den Wagen zum Stehen zu bringen. Beim Abspringen erlitt Professor Hanisch aus Wien eine starke Luxation des Fußgelenkknochens. Er wurde in eine Privatanstalt verbiacht. Seit 21 Jahren ist dies das erste Unglück, das sich auf dieser Bahn zutrug.
London, 12. Sept. Während der gestrigen Jahresversammlung des Vereins für Verbreitung der Wissenschaften fiel der Präsident Caston während
der Eröffnungsrede zweimal in Ohnmacht und mußte auf Anordnung des Arztes nach seiner Wohnung gefahren werden.
Landwirtschaft!. Kerirksvercin.
Am Samstag den 21. ds., als am Matthäusfeiertag, findet die jährliche Generalversammlung der Vereins, verbunden mit einer Jungviehprämierung hier statt, wobei 5 Preise ä 25 ^; 5 L 20 5 L 15 und 10 L 10 zusammen-
25 Preise mit 400 event. auch noch einige Nachpreise vergeben werden. Dis K. Centralstelle wird hiebei durch eine Commission vertreten sein. Programm.
1) Um '/-9 Uhr morgens Aufstellung der Tiers und Musterung derselben auf dem Brühl.
2) Um 11 Uhr Versammlung des Ausschusses im badischen Hof, behufs Entgegennahme der Musterungsresultate und Verteilung der Preise.
3) Um 12 Uhr einfaches, allgemeines Mittagsmahl im badischen Hof.
4) Um 2 Uhr Beginn der Verhandlungen mit Vortrag des Kaffen- und Rechenschaftberichts pro 1894/95.
5) Neuwahl des Vereinsvorslandes, dessen Stellvertreters und des Gesamiausschuffes.
6) Vortrag über Viehzucht, speziell über Aufzucht des Jungviehes.
7) Abgabe der bei der letzten staatlichen Bezirksrindviehschau gewährten Preise und Diplome an die betreffenden Preisträger, deren persönliches Erscheinen deshalb zu erwarten und um so mehr angezeigt ist, als die Unterzeichnung der Verpslichtungsurkundc keine Vertretung zuläftt.
Anmeldungen für die Teilnahme am Mittagstisch wollen spätestens bis morgens '/-10 Uhr am betreffenden Tag bei Hrn. Häring gemacht werden. Calw, den 13. September 1895.
Vereinssekretär:
_ Ansel. _
Standesamt Halm.
Geborene:
4. Sept. Helene Marie, Tochter des Josef Ebner.
' Schneidermeisters hier.
12. „ Goltlieb, Sohn des Gottlieb Lutz, Fabrik
arbeiters hier.
Getraute:
10. Sept. Karl Schmid, Stadtpfarrer hier und Elisabeths Zahn von hier.
Gestorbene:
8. Sept. Max Gustav Friedrich, 5 Monate alt, Sohn des Gustav Köhler, Leimfabrikanten hier.
Gottesdienste
am 14. Sonnt" g nach Trinitatis, 15. September. Vom Turm: 478. Der Kirchenchor singt: .Israel hoffe auf den Herrn", von Gottfr. Aug. Homilius. Predigtlied: 272.
9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun— 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Nachm.- Predigt: Herr Dekan Braun.
Mittwoch» den 18. September.
Morgens 8 Uhr, Betstunde im Vereinshaus. Samstag, 21. September. Aeiertag Matthäus.
9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun.
sich der Himmel über dem alten C . . . Kein Sonnenstrahl brach abschiednehmcnd ^ für Abend und Nacht durch die schweren Wollen und erhellte die Straßen. Die ganze Stadt schien wie in ein graues Tuch gehüllt und machte den denkbar unfreundlichsten Eindruck.
Vor dem Schmieden'schen Hause hielt eine Droschke. Derselben entstieg eine junge, tief verschleierte Dame, die am Platze fremd zu sein schien. Nachdem sie »inen ängstlichen Blick um sich geworfen, übersprang sie, ein kleines Kofferchen in der Linken, zögernd die Wasserlache, welche sie von dem Hause trennte, stieg langsam ein paar Steinstufen in die Höhe und öffnete dann die unverschlossene Thür des stattlichen Wohngebäudes. In dm Flur getreten, blieb sie einen Augenblick stehen.
„Wie mir da» Herz klopft," flüsterte sie. Leiser, schüchterner noch kam es dann über ihre Lippen: „ES wäre doch besser gewesen, ich hätte dm Zug benutzt, welchen mir Onkel Gerhard angeraten. Nun erwartet mich noch niemand. Ach, und e» ist so peinlich —"
Sie beendete dm Satz nicht, warf mit der rechten den Schleier zurück und schritt dann Mut fassend auf die Treppe zu, die »ach der oberen Etage führte. In derselben angelangt, fand sie auch die Entreethür unverschlossen, ja sogar weit offen stehend, ohne daß sich irgmd jemand zeigte.
Es warm an diesem Morgen in der Schmieden'schen Wohnung so sehr viel Leute ein und aus gegangen, daß für den Augenblick da» elegante Quartier nicht wie sonst unter Schloß und Riegel lag. Dennoch klopfte die Fremde, um ihre Ankunft zu melden. Da aber auch hierauf niemand erschien, trat sie schüchtern in das Vorzimmer, an besten beiden Seiten verschiedene ebenfalls offene Thüren sichtbar wurden. Zögernd näherte sie sich einer derselben. In welche mußte sie treten, um zuerst die Rätin zu sehen und von dieser willkommen geheißen zu werden? Sie schritt endlich über die ihr zunächst liegende Schwelle und befand sich in einem kleinen, nett eingerichteten Gemach. Ader auch dieses war menschenleer. Jedoch
hörte sie jetzt Stimmen an ihr Ohr schallen, welche sie sogar deutlich zu unter-- scheiden vermochte.
Die kleine Hand der Fremden drückte sich krampfhaft auf das Herz, regungslos stand die schlanke Gestatt inmitten des kleinen Raumes. Da öffnete sich plötzlich die nur angelehnte Thür zu dem Nebenzimmer in welchem die Stimmen jetzt verstummt waren.
.Clemencr!" rief Bornstedt, denn er war es. welcher eingetreten. In sein Stübchen hatte der Zufall das schöne Mädchen zuerst geführt. Nu» streckte er ihr seine beiden Hände entgegen und die zitternden Finger ClemenceS hielten sich an ihnen. .Onkel Gerhard," kam es dabei über die Lippen des Mädchens, „wie müssen wir dem lieben Gott danken! Doch sagen Sie, lebt mein Vater noch?"
Sie hielt immer noch seine Hände und ihr Auge senkte sich vertrauend in das seine.
Ihm schlug das Herz zum Zerspringen. „Nein, Clemence," erwiderte er- dann, mühevoll seiner Stimme Festigkeit leihend, „nein! Sie finden Romain nicht mehr am Leben. Aber eS ist gut so, für Sie und für ihn. Ihr Herz hätte sich ihm doch nicht in waimsr Kindesliebe erschließen können."
Ein tiefer Seufzer hob die Brust des jungen Mädchens; sie antwortete nicht und ließ es reglos geschehen, daß Gerhard ihre Rechte liebkoste und dabei in den Tönen der innigsten Teilnahme flüsterte:
„Trösten Sie sich auch hierüber, Kind. Sie haben verloren, was Sie nie besessen. Ihres Vater» Sterben aber giebt uns beiden die Ruhe zurück und gestaltet mir, im Sommer des Leben» noch auf das Glück zu hoffen."
„Auf das Glück," wiederholte sie träumerisch, und plötzlich flog eine heiße Röte über das süße, junge Gesicht. So überwältigt aber waren diese beiden von ihren Empfindungen, daß sie es gar nicht bemerkten, wie sich feste Schritte näherten, auch nicht sahen, daß Guido Schmieden auf der Schwrlle des Nebenzimmers stand und jetzt rwt großen erstaunten Augen nach den beiden Menschen hinübersah, die sich da Hand in Hand gegenüberstanden. (Forts, folgt.)