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^ 109. Amis- und Anzeigeblati für den Bezirk (Lalw. 70. Iahrgaag.
Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EinrückungSgebühr beträgt tm Bezirk und in nächster Umgebung S Pfg. di, Zeile, sonst IS Pfg.
Samstag, den 14. September 1895.
LLomremerttspreit vierteljährlich ln der Stabt SV und *0 Pfz. DrSgerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. lk, sonst 1» ganz Württemberg Ml. 1. 8L.
KmINche Aekanulmachnnge«.
An die Ortspolheibehörden.
Um ein thunlichst gemeinsames Vorgehen gegen die immer schädlicher auftretenden Feldmäuse zu erzielen, werden die Ortsbehörden aufgefordert, binnen 6 Tagen hieher zu berichten, welche Maßregeln bis jetzt in den einzelnen Gemeinden zur Vertilgung der Feldmäuse getroffen worden sind.
Sollte wegen Unzulänglichkeit anderer Mittel die Verwendung von mit Strychnin vergifteten Ge- treidekörnern für nötig erachtet werden, wie dies z. B. in der Stadtgemeinde Calw der Fall ist, so sind alsbald diesbezügliche Gesuche an das Oberamt einzusenden (cfr. auch den oberamtl. Erl. v. 9. d. M., Wochenbl. Nr. 107).
Calw, den 13. September 1895.
K. Oberamt.
I. V.:
Amtm. Gottert.
Tagesneuigkeiten.
* Calw. In der nächsten Woche soll für die Hagelbeschädigten des Nagoldthaies eine Wohlthätigkeitsausführung stattfinden, wobei mehrere hiesige Vereine und sonstige musikalische Kräfte Mitwirken werden. Das Programm, das später veröffentlicht wird, enthält gemischte und Mannerchöre^ Gesangssoli, Theaterstücke und lebende Bilder. Bei der großen Zahl der Mitwirkenden (über 100) und der anerkannten Leistungen der Vereine ist zu hoffen, daß den Besuchern des Konzerts nur Gutes geboten wird. Mögen sich recht viele finden, die zu gunsten der zahlreichen Notleidenden gerne noch eine Gabe zur Unterstützung übrig haben.
Leonberg, 11. Sept. Die Notquartiere in der Turnhalle und im Nathause sind geräumt. Die
Abgebrannten sind jetzt alle untergebracht. Hoch und nieder schränkt sich ein so gut es geht und macht da ein Zimmer, dort eine Kammer für die Obdachlosen frei, sie vor den bangen Sorgen des kommenden Winters bewahrend. Die christliche Nächstenliebe der hiesigen Einwohnerschaft thut, was in ihren Kräften steht. Die Räumung des Brandplatzes hat begonnen. Die benachbarten Gemeinden stellen 3 Tage lang auf Rechnung ihrer Kasse zahlreiche Fuhrwerke zur Abfuhr der ungeheuren Schuttmasien. Die Straßen zwischen den rauchenden Trümmerhaufen sind wieder passierbar und die noch immer herzuströmenden Menschenmassen können bequemer durchkommen. Sammelbüchsen für bedürftige Abgebrannte sind überall aufgestellt. Die Gaben fließen reichlich; am ersten Tage gingen 1000 ein. Noch aber ist der Mildthätigkeit ein weites Feld geöffnet. Die fortdauernde Untersuchung über die Entstehungsursache hat bis zur Stunde leider noch zu keinem positiven Ergebnis geführt. Allgemein ist man sich darüber vollständig klar, daß an eine Selbstentzündung des ausgezeichnet eingebrachten Oehmdes entfernt nicht gedacht werden kann. Bis mit einem Wiederaufbau der Häuser begonnen werden kann, dürste noch geraume Zeit hingehen. Der Behörde erwächst mit der Neuanlegung und Vertauschung der Bauplätze keine leichte Aufgabe. Wie verlautet, sollen mehr als 20 hauptsächlich Landwirtschaft treibende Hausbesitzer außerhalb der Stadt sich anzusiedeln veranlaßt werden, sodaß sich in das abgebrannte Viertel vornehmlich vie Gewerbetreibenden zu teilen hätten.
Leonberg, 11. September. Von den Abgebrannten in Leonberg dürste den weitaus größten Schaden der Apotheker Kehl erlitten haben, welcher erst im vergangenen Jahre seine Apotheke um 150 000 ^ gekauft hatte und bis zum Wiederaufbau seines Hauses in seinem Geschäftsbetrieb wesentlich gestört ist. Herr Kehl befand sich auf einer Erholungsreise in der Schweiz, wo ihn auch die telegraphische Unglücksbotschaft traf. Gestern kehrte er nach Lconberg
zurück, um sein Besitztum in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelt zu sehen. (Pf. B.)
Oberstenfeld, 9. Sept. Hier wurde ein Kauf in neuem Wein abgeschlossen und zwar pro Eimer zu 160 In Hof und Lembach verkaufte Jakob Maier sein Weinerzeugnis an Wirt Busch von Hof pro Eimer zu 180
Sulz a. N., 9. Sept. Seit einigen Tagen werden an der Straße nach Böhringen, dem sogenannten Römerweg, unter Leitung des Dr. Herzog, des Sohnes des Prof. Dr. v. Herzog in Tübingen, im Auftrag der Reichslimes-Kommisston Ausgrabungen vorgenommen. Bis jetzt wurde die Langseite eines Castrums bloßgelegt. Die Funde bestehen in einer guterhaltenen Münze mit dem Bildnis Kaiser Vespa- sianus auf der Vorder- und einer Viktoria auf der Rückseite mit der Umschrift: Vespasiauus Imperator kontiksx Llaximus Nribunica kotestate; ferner wurde ein Hammer und eine eiserne Gewandspange gefunden, endlich eine Anzahl Scherben von terra sixillata, die auch auf den angrenzenden Grundstücken, den Weiherwiesen, frei herumliegen. Einige guterhaltene Stücke zeigen eine Löwen- und eine Hasenjagd, zwei den Töpferstempel: 17 Oaesti und 6«rman. Die Ausgrabungen werden fortgesetzt.
Von der Eyach, 9. Sept. Der letzte Samstag und Sonntag brachte je abends zwischen 5 und 6 Uhr ein Gewitter. Bei beiden Gewittern ging im Eyachthal kein Tropfen Regen nieder. Dagegen siel bei dem Gewitter am Sonntag in der Gemarkung Höfendorf — unter heftigem Sturm — ziemlich starker Hagel, von dein auch die Gemarkung Wachendorf und Rangendingen teilweise getroffen wurden; nachher brachte das Gewitter dort noch den ersehnten Regen. Glücklicherweise konnte im abgeernteten Felde geringerer Schaden angerichtet werden. Die Grünfuttervorräte im Felde gehen unter der seit einem Monat andauernden Hitze in nächster Zeit
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Onkel Gerhard.
Erzählung von Marie Widdern.
(Fortsetzung.)
Es war ein erschütternder Anblick, den der Sterbende in diesem Augenblick '.tot. Weinend wandte sich die Rätin von ihm ab.
Bornstedt faßte sanft die Rechte des Unglücklichen. Mit freundlichen Worten suchte er denselben davon zu überzeugen, daß er sich nur beängstigenden Phantasien hingab. Schon den Todesschweiß auf der Stirn, hörte Romain ihm zu. AIS Bornstedt mit weicher Stimme sagte: »Gott ist barmherzig und die ewige Liebe, er wird nicht mit Ihnen ins Gericht gehen!" zog eü wie Frieden über das unschöne 'Gesicht des Sterbenden.
»Ich bereue, was ich gesündigt," hauchte er.
Die Rätin hatte längst das Gemach verlassen, nicht mehr imstande, die Todesqualen mit anzusehen. Aber noch immer konnte Romain nicht Frieden finden. 'Immer wieder flüsterten seine Lippen halb unbewußt die Geständnisse feiner Herzlosigkeit, nannte er sich selbst den schlechtesten der Menschen. Erst als er in einigen Minuten zurückgekehrten Bewußtseins die Sterbesakramente empfangen, als der Priester, den man auf seinen Wunsch herdeigerufen hatte, ihm die Vergebung der Sünden verkündet, trat eine Änderung in dem grauenhaften Zustande ein. Der Kranke lag jetzt ganz ruhig; dann stillte sich das TodeSröcheln ein, und als die Uhr dir' Mtternachtsstunde anhub zu schlagen, hauchte Romain endlich seine gequälte Seele aus. — — — — — — — — — — — — — —
Der nächste Tag verging den Bewohnern des Schmieden'schen Hauses unter Mer Geschäftigkeit. Einesteils hatte man mit den Vorbereitungen zum BegräbwS -kes Verstorbene» ziemlich viel zu thun, andererseits aber erforderte auch die Pflege
des lebenden Schutzbefohlenen manche Mühe. Dazu hatte sich die Praxis des jungen Arztes in den letzten Tagen bedeutend vergrößert. Waren eS früher hauptsächlich die Armen und Elenden, !die ihn zu Hülfe riefen, so hatte sich das jetzt geändert. Guido hatte das Glück gehabt, zu einem in seiner Nähe wohnenden, plötzlich schwer erkrankten hohen Beamten gerufen zu werden, den er dann mit bestem Erfolg behandelt hatte. Der alte Herr hatte in seiner Dankbarkeit für den Lebensretter all seinen Bekannten von ihm erzählt und seine Tüchtigkeit gerühmt. Doktor Schmieden und mehr noch seine Haushälterin war von verzeihlichem Stolz« erfüllt, wenn die letztere ihm täglich mehrere Male Karten und Briefe überreicht«, in denen man seinen ärztlichen Besuch erbat. Auch das menschenfreundliche Eingreifen des jungen Arztes bei der unseligm Eisenbahnkatastrophe hatte weitere Kresse auf ihn aufmerksam gemacht. Auch heute blieb ihm keine Zeit, sich um die Vorbereitung für die Ankunft des neuen Gastes zu bekümmern; erst als bei seiner Rückkehr ins HauS Bornstedt zu ihm trat und ihn benachrichtigte, daß alles Notwendige für die Beerdigung Romains besorgt sei, erinnerte er sich wieder des schönen Mädchens, das den Vater verloren, ehe eS ihn gekannt hatte, und er fragte, ob man nicht vergessen, daß Fräulein Elemente jedenfalls am Abend deS nächsten TageS eintrrffen würde.
.Mein liebks Pflegetöchterchen soll das Fremdrnstübchen mit mir teilen," erwiderte die Rätin. Dem N>ffen die Hand auf die Schütter legend aber setzt« sie in innigem Ton hinzu: .Was diese Tage Dir doch für Sorge und Unruhe auf- bürden, armer Junge. Aber laß nur roch das Begräbnis Romains stattgefunden haben, dann wirst Du auch wieder zur Ruhe kommen. Freilich, der arme Kranke im Z mmer Deiner verstorbenen Mutter bleibt Dir, doch scheint der Wärter ein zuverlässiger und verständiger Mensch zu sein.'
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Mit Sturm und Regen war der Tag heraufgezogrn, und Sturm und Regen hatte er vom Morgen bis Abend gebracht. In undurchdringlichem Grau wölbte'