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Stuttgart, 22. Aug. Heute früh 6 Uhr fand im Hof des Zuchthauses die Hinrichtung des Raubmörders Vöster statt. Außer den Amtspersonen waren etwa hundert Zuschauer zugegen. Der Delin­quent erschien mit dem Geistlichen sichern Schrittes; er benahm sich während des ganzen Akts mit großer Festigkeit; keine Fiber verriet, was in seinem Innern Vorgehen mochte. Nachdem der Geistliche ihm noch vorgebetet und zum Abschied die Hand gereicht hatte, ging der Verurteilte selbst auf den Staatsanwalt zu, um ihm die Hand zu geben und wegen seiner Auf­führung bei der ersten Ankündigung der Urteilsvoll­streckung nochmals um Verzeihung zu bitten; damals hatte er getobt und Verwünschungen gegen das Gericht ausgestoßen. Nunmehr wurde Föster zur Guillotine geführt; er ließ sich ruhig die schwarze Binde vor die Augen legen und sich aufs Brett schnallen, und in wenigen Augenblicken fiel der Kopf vom Rumpf. Der Leichnam wurde rasch in die bereitgehaltene Kiste gehoben, der blutige Kopf dazugelegt, dann der Akt durch ein Gebet des Geistlichen geschloffen.

Freudenftadt, 21. Aug. Dem kgl. Amts­gericht Freudenstadt sollte heute Nachmittag der Zimmermann Wurster von hier, welcher vorgeladen war und nicht erschien, vorgeführt werden. Wurster wurde deshalb festgehalten und bis zu seiner Ver­nehmung in dem Gerichtsgefängnis untergebracht. Als er kurz darauf vom Gerichtsdiener vorgeführt werden sollte, fand dieser den Wurster, welcher sich unterdessen mit einem Messer den Hals abgeschnitten hatte, tot in der Zelle vor.

Reutlingen, 19. Aug. Zum drittenmal in diesem Jahr steht die Gemeinde Betzingen vor einer Bürgerausschußwahl. Nachdem auch die im Juni ds. Js. gewählten Bürgerausschußmitglieder sich trotz wiederholter beträchtlicher Geldstrafen durch den Schult­heißen Leibßle nicht beeidigen ließen, wurde denselben durch Beschluß des Gemeinderats vom 15. ds., ebenso wie den zu Anfang dieses Jahres Gewählten, das Wahl- und Wählbarkeitsrecht zu Gemeindewahlen auf die Dauer von 4 Jahren abgesprochen und eine Neu­wahl anberanmt, bei welcher aber, da die Gegner des Schultheiße-Mller eine beträchtliche Stimmenmehrheit verfügen, wieder nur solche Bürger gewählt

werden, Eidesverweigerung der seither

Gewählten Die vom Gemeinderat Betzingen

angewendete Mtzregel dürfte also vorerst nicht dazu ausreichen, unter der Amtsführung des Schultheißen Leibßle der Gemeinde einen ordnungsmäßig zusammen­gesetzten Bürgerausschuß zu verschaffen.

Ebingen, 21. Aug. In dem hohenzollern- schen Nachbarorte Straßberg wurde die Müllerfamilie Metzger gestern vom Unglück schwer heimgesucht. Am Morgen wurde der älteste Sohn von einem Heu­wagen überfahren, wobei er schwer verletzt wurde und am Nachmittag ertrank im Mühlkanal der jüngste Sohn._

Frankfurt a. M., 22. Aug. Der Polizei­bericht meldet über eine Schieß-Affaire, welche sich in der vergangenen Nacht hier abspielte. Folgendes: Der Redakteur des Offenbacher Generalanzeigers, Julius Hotz passirte in der vergangenen Nacht mit einem

Freunde die Triersche Gaffe, woselbst dieselben von zwei Männern belästigt wurden, denen sich noch mehrere Andere anfchlossen. Hoß zog schließlich seinen Revol­ver und gab zwei scharfe Schüsse ab, wodurch der Krankenwärter Weise durch einen Schuß in den Leib und der Spengler Christian durch einen Streifschuß am Halse verletzt wurde. Die inzwischen noch Hin­zugekommenen mißhandelten nun Hoß schwer, welcher schließlich in Haft genommen wurde. Die Verletzungen des Weise und Christian sollen nicht gefährlich sein.

Köln a. Rh., 21. August. In Mühlheim sammelte sich gestern Abend eine große Volksmenge vor derjenigen Wirtschaft an, in welcher die Gendarmerie stationiert ist. Der Aufforderung der Gendarmen, die Straße zu säubern, wurde keine Folge gegeben. Die Menge begann abermals ein Steinbombardement zu eröffnen, worauf die Beamten mit blanker Waffe gegen dieselben vorging und eine Anzahl Personen verwundete. Der Landrat forderte nochmals die Bürgerschaft zur Ruhe auf und drohte für den Fall der Fortdauer der' skandalösen Vorgänge mit der Verhängung des kleinen Belagerungszustandes. Die beiden Schiffahrtsgesellschaften müssen Abends die Fahrten einstellen.

Münster i. W., 17. August. Vor einiger Zeit hat, wie berichtet, hier Fräulein Hedwig v. Goetze, Tochter des kommandierenden Generals des 7. Armee-Korps, mit eigener Lebensgefahr ein Dienst­mädchen vom Tode des Ertrinkens gerettet. Der jungen Dame ist hiefür die Rettungsmedaille am Bande verliehen worden.

Hamburg, 23. Aug. Graf Herbert Bismarck läßt in den Hamburger Nachrichten dementieren, daß er bei der Feier der Grundsteinlegung des Kaiser Wilhelm-Denkmals dem Minister Bötticher die Hand gereicht habe.

Berlin, 20. Aug. Zercmonienmeister Kotze, welcher in Glatz seine Festungshaft wegen des Duells mit Baron v. Reischach zur Hälfte verbüßt hat, wurde begnadigt.

Berlin, 22. August. Die Staatsbürger- Zeitung schreibt in Bkzug auf das Höllenmaschinen- Attentat, dem der Polizei-Oberst Krause zum Opfer fallen sollte: Neuerdings sind gegen mehrere Per­sonen wichtige Verdachtsmomente zu Tage getreten. Infolgedessen fanden heute Vormittag auf Ver­anlassung der Staatsanwaltschaft durch Polizeibeamte mehrfach Haussuchungen und Verhaftungen statt. Die Verhafteten wurden noch im Laufe des Nachmittags der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Man hofft, nun­mehr auf der richtigen Spur zu sein und die Atten­täter überführen zu können.

Kopenhagen, 22. August. Hier tötete ein Mann seine Frau und seine drei Kinder, sodann sich selbst durch Erhängen. Das Motiv sind jedenfalls Nahrungssorgen. Die Eheleute haben anscheinend im Einverständnis miteinander gehandelt.

Paris, 21. Aug. Hier war gestern die Hitze unerträglich. Auf den Boulevards fielen viele Perso­nen vor Hitze um und mußten fortgetragen werden.

Paris, 21. Aug. Aus Marseille wird gemeldet, daß daselbst eine furchtbare Feuersbrunst

ausgebrochen ist. Das Feuer wütete den ganzen gestrigen Tag. Zahlreiche Familien sind obdachlos. Der Schaden ist enorm.

Der Neterarreu-Uerrin Calw.

Der Feldzug in Frankreich war zu Ende, siegreich zurückgekehrt waren die Truppen. Begeistert von ihren Erfolgen, hatten sie das stolze Bewußtsein, mitgeholfen zu haben an der Wiedererrichtung des deutschen Reiches und sofort regte sich der Gedanke zur Bildung von Veteranen-Vereinen in welchen der kameradschaftliche Geist, welcher sich im Felde gebildet hatte, fortgepflegt, und die Erinnerung an die große Zeit festgehalten werden sollte.

Dieser Gedanke kam auch hier in Calw zur Ausführung, und bereits am 14. April 1872 wurde der Veteranen-Verein Calw gegründet. Demselben trat sofort der größte Teil der aus dem Oberamtsbezirk Ausmarschierten bei, so daß er bei seiner Gründung 170 Mann Active mit 25 Ehrenmitgliedern zählte.

Der eifrigen Thätigkeit der Mitglieder und Gönner war es zu verdanken, daß schon am 16. Juni dessclbigen Jahres sich der Verein im Besitz einer Fahne sah, um welche die Kameraden, welche bei Wörth, Lützelberg, Sedan, Champigny und Villiers gekämpft hatten, geschmückt mit den Ehrenzeichen, unter welchen sich 7 eiserne Kreuze, mehrere goldene Medaillen und sonstige Dekorationen befanden, scharten. Obige Mitgliederzahl reduzierte sich jedoch- in Folge Abreise, Tod und Neubilvung von 7 Ortsvereinen im Bezirk auf einen jetzigen Stand von 55 aktiven und 8 passiven sowie 13 Ehrenmitglievern.

Der kameradschaftliche Geist innerhalb des Ver­eins fand auch dadurch Ausdruck, daß derselbe an seine Mitglieder für Krankheits- und Todesfälle die schöne Summe von rund 2000 ausbezahlen konnte.

Die 25jährige Erinnerungsfeier um die er­rungene deutsche Einheit begeht der Verein durch eine Todenehrung auf dem Gottesacker, hat er ja seit seinem Bestehen 20 Mitglieder und 12 Ehrenmitglieder ver­loren. Deren Gräber werden am 2. September in kameradschaftlicher Erinnerung und Dankbarkeit mit Kränzen geschmückt. Zu diesem Zwecke zieht der Verein nach Beendigung des Gottesdienstes mit um­florter Fahne dort auf. Mittags findet ein Festessen statt, zu welchem Einladungen an die Ehrenmitglieder und Gönner des Vereins, sowie an sämtliche hier ansässigen Veteranen, welche nicht Mitglieder des Vereines sind, ergeht; letztere sind Gäste desselben.

Verwundete zählt der Verein jetzt noch 5 Mann, aber bei sämtlichen Mitgliedern stellen sich nun bei zunehmendem Alter die Folgen der Strapazen, der großen Märsche, der Entbehrungen und des entsetzlichen langwierigen Vorpostendienftes vor Paris, ein. Trotz­dem aber trägt jeder mit Stolz die Erinnerungszeichen an die große Zeit, zu deren Erfolgen er redlich mit­geholfen.

Etwaige dem Verein zur Unterstützung seiner bedürftigeren Mitglieder oder deren Hinterbliebenen- zugedachten Gaben wollen gütigst bei Kaufmann Zilling hier abgegeben werden, woselbst hierzu eine Liste aufgelegt ist. .

Müssen wir ja den Männern, die unsere heimischen

daß ich dabei zugleich für meine eigene Rechnung thätig sein könne. Ich war mir wohl bewußt, daß die Reise mit ganz außerordentlichen Gefahren und Schwierig­keiten verbunden war, aber ich hoffte trotzdem, in wenigen Monaten wieder bei der Gellebten zu sein. Ich ergriff die Gelegenheit mit Freude, mir ein eigenes Ver­mögen zu erwerben, um so eher konnte ich hoffen, Jsabella heimzuführen. Aber ich sollte mich in meinen Erwartungen bitter getäuscht sehen. Statt der Monate vergingen Jahre, «he es mir möglich wurde, nach Adelaide zurüchukehren.

.ES würde mich zu weit führen, wollte ich Ihnen von meinem damaligen Leben und Arbeiten erzählen. Die Geschäfte meines Hauses hatte ich glücklich er­ledigt und kehrt« auch als reicher Mann zurück. Bei meiner Heimkehr eilt« ich zunächst zu MrS. Smith, bei der ich früher gewohnt hatte. Sie konnte mir auch jetzt ein behagliches Heim bieten. Ich war glücklich, daß ich die bekannten Räume wieder beziehm konnte. Kaum aber hatte ich mein Gepäck in die traulichen Zimmer geschafft, als ich nochmals die Hände der braven, damals noch jungen Witwe faßte und sie nach dem Ergehen Jsabella van Hörsen ftagte. Sie sah mich erschrocken an.

..So wissen Sie gar nicht, daß das Fräulein verdatet ist? Die arme Keine! Ihr Vater konnte sich nicht anders vor dem Bankerott schützen, als daß er sich einen reichen Schwiegersohn nahm. Aber das liebe, schöne Wesen ist unaus­sprechlich unglücklich mit Monsieur Romain geworden. Jetzt liegt die Ärmste schon seit Wochen krank, ihr Kindchen aber ist gesund und munter und das getreue Eben­bild seiner Mutter?

.Halb ohnmächtig vor Schreck und Schmerz, hatte ich mich während der Wort» MrS. Smiths an eine» Schrank gelehnt. Jetzt stöhnte ich schmerzhaft, ohne eure Silbe über meine Lippe» zu bring«.

Mls. Smith hatte von meiner Liebe gewußt. Sie bedauerte mich um der bitteren Enttäuschung wegen; aber als sie mir ein Wort des Trostes sagen wollte,, fuhr ich wild in die Höhe und gebot ihr in einem Tone, den sie nie vorher von meinen L ppen vernommen zu schweigen.

.Sie schwieg auch zu allem was sie sah und hörte.

»So vergingen einige Tage. Ich hatte mich wieder meinem Prinzipal, der jetzt in Compagnie mit Romain stand, vorgestellt und war in die frühere Stellung in keinem Comptoir eingetreten. Der alte Mann behandelte mich mit äußerster Rücksicht. Er mochte wohl ahnen, was er mir gelhan. Von seiner Tochter sprach er nicht zu mir. Aber die Kollegen erzählten, daß er sich vor Kummer verzehre über das Elend des armen Geschöpfes.

,Do, eines Morgen«, ich hatte eben erst mein Bett verlassen, kam eine alte Dienerin Jsabella Romains und bat mich, ihre sterbende Herrin zu besuchen. Ich könnte «S ungehindert thun, da Monsieur nicht daheim sei . . . Und dann. Clemence! O, wie soll rch Ihnen das Wiedersehen mit der Geliebten schildern? Mir fehlen die rechten Worte dazu. Laut ausschluchzend war ich vor dem Lager des armen Weibe«, dessen Appen schon der Tod berührt, niedergekniet. Isabelle suchte mich zu trösten. Dann aber begann sie mir im Flüsterton zu sagen, weshalb sie mich zu sich heute rufen lassen: daß sie sich zuerst meiner Verzeihung versichern wollte für ihre Untreue, die sie doch dem Vater zu Liebe nicht umgehen konnte, und wie: sie noch eine inhaltsschwere B tte an mich habe.

(Fortsetzung folgt.)