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aus Straßburg berichtet, daß nach den vorläufigen Dispositionen der Kaiser etwa am 15. Oktober auf dem Krongute Urville eintrifft und am 17. Oktober der Einweihung der Kirche in Curzel beiwohnt. Am 15. Oktober soll die Einweihung des Kaiser Friedrich- Denkmals in Wörth erfolgen, worauf sich der Kaiser zu mehrtägigem Aufenthalt nach Straßburg begiebt.
Berlin, 20. Aug. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe begiebt sich heute Abend zu längerem Aufenthalt auf seine russischen Besitzungen bei Wilna.
Berlin, 20. Aug. Gestern fand vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts I Verhandlung gegen 8 polnische Studenten statt, welche angeklagt waren, einer geheimen Verbindung anzugehören. Dieselben hatten hier einen polnischen Verein gegründet, in welchem burschenschastliche Thematas erörtert wurden. Die Verhandlungen wurden in polnischer Sprache geführt. Sämtliche Angeklagten wurden freigesprochen, weil keine Beweise einer geheimen Verbindung erbracht werden konnten.
Berlin, 20. Aug. Eine gestern Abend in Rixdorf abgehaltene Volksversammlung mit dem Thema: „Der Kampf gegen die Sozialdemokratie in den Volksschulen" ist polizeilich aufgelöst worden. Der Referent hatte aus dem Buche des Philosophen Maconlay Citate aufgeführt, in welchen Friedrich der Große im Gegensatz zu seinem Vater gestellt wird. Der die Aufsicht führende Gendarm unterbrach den Redner und confiscierte die Broschüre. Am Freitag findet dieselbe Versammlung mit demselben Thema statt.
Berlin, 20. Aug. Heute früh versuchte ein Malermeister, welcher in letzter Zeit bei Neubauten große Verluste erlitten hat, sich aus dem Fenster seiner Wohnung auf die Straße zu stürzen. In demselben Augenblick kam seine Frau dazu und faßte ihn an beiden Armen. Fünf Minuten lang schwebte derselbe zwischen Himmel und Erde. Da verließen die Frau ihre Kräfte und sie brach ohnmächtig auf dem Balkon zusammen, während der Mann in die Tiefe stürzte. Er war sofort tot.
Berlin, 21. Aug. Die Einweihung des Bismarckdenkmals, welches die deutschen Corpsstudenten auf der Rudelsburg errichten, ist für den 1. Oktober geplant. — Das Gerücht von dem beabsichtigten Ankauf des Schlosses Wasidcn bei Saßnitz durch den Kaiser taucht neuerdings auf.
Wiener-Neustadt, 20. August. In der letzten Nacht kam es anläßlich eines Streites zu einem blutigen Kampf zwischen hier garnisonierenden Dragonern und Polizisten. Beide Teile kämpften mit blanker Waffe. Schließlich unterlagen die Soldaten. Es gab auf beiden Seiten Verwundete.
Neapel, 20. Aug. Die eruptive Thätigkeit des Vesuv ist noch immer in der Zunahme begriffen, sodaß die Einwohner der umliegenden Ortschaften flüchten mußten.
Paris, 18. Aug. Der Figaro bespricht heute ausführlich die deutschen Jubiläumsfeierlichkeiten von 1870 an der französischen Grenze und sagt, die Deutschen gingen bei den Feierlichkeiten zu geräuschvoll vor. Im Anschluß hieran bringt das Blatt einen Auszug einer im Jahre 1871 in Bordeaux erschienenen Broschüre, welche betitelt ist: Gesammelte Schriftstücke über die Erpressungen, Diebstähle, Verheerungen und Grausamkeiten der deutschen Armee in Frankreich während des Krieges von 1870/71.
Paris, 20. Aug. Nach einer Meldung des „Figaro" haben verschiedene französ. Marineoffiziere, welche den Festlichkeiten in Kiel beiwohnten, Ordensauszeichnungen erhalten. Darunter Kontreadmiral Mönard den Kronorden II. El. mit Stern. Dagegen sollen auch verschiedene deutsche Marineoffiziere zu Offizieren und Rittern der Ehrenlegion ernannt worden sein. Hiebei erhielt der kommand. Admiral v. Knorr die Würde eines Großoffiziers der Ehrenlegion.
Sofia, 18. Aug. Das Palais des Fürsten Ferdinand wird seit einigen Tagen scharf bewacht, weil derselbe eine Anzahl Drohbriefe erhalten hat.
New-Jork, 20. Aug. Zu der Explosion in einem Hötel zu Denver wird noch gemeldet: Nach mehrstündigen Rettungsarbeiten wurden mehrere Tote und Verwundete hervorgeholt. Man glaubt, daß sich noch 15 Leichen und etwa 20 Lebende unter den Trümmern befinden. Die herzzerreißenden Hilferufe von Männern, Frauen und Kindern können deutlich vernommen werden.
Vermischtes.
Wert des Bienenhonigs für Kinder. Kinder, welche schnell wachsen und infolgedessen blaß und schwächlich aussehen, haben zumeist großes Verlangen nach Süßigkeiten. Dieses Verlangen beruht auf dem Bedürfnis, dem Körper Stoffe zuzuführen, welche rasch und unmittelbar ins Blut gelangen und so den intensiven Lebensprozeß vermitteln. Hierher gehört vornehmlich der Zuckerstoff, welcher im Körper sozusagen als Heizstoff Verwendung findet. Nun bietet uns die Natur einen reinen Süßstoff, der durch feinen hohen Gehalt an Traubenzucker und durch fast gänzlichen Mangel an Stickstoff am leichtesten ins Blut übergeführt wird — den Honig. Dian gebe den Kindern deshalb ausgiebig Honig und so oft als möglich. Besonders empfiehlt sich zum Frühstück warme mit Honig versüßte Milch mit gutem Hausbrot. Das ist das gesündeste, schmackhafteste und verdaulichste Frühstück, besonders im Winter kann nichts zum Gedeihen der Kinder in höherem Maße beitragen als solche Nahrung. Während Milch und kräftiges Brot die Kinder gut nährt, erwärmt der Honig den Körper und die Atmungsorgane. Die Ansicht, daß der Honig unverdaulich
warten. Während des Harrens verdichtete sich die Menge um sie herum mehr und mehr, so daß, als sich der Zug endlich in Bewegung setzte, Clemence gezwungen war, in demselben müzugehen. So stand sie denn auch an der offenen Gruft und hörte den herzbewegenden Worten des Geistlichen zu. Auch sie warf nun drei Hände voll Erde in die Grube und schauderte zusammen, als der dumpfe Ton drs niederfallenden Sandes ihr Ohr traf. ES währte lange, ehe sich dann der kleine Hügel über der jungen Toten wölbte. Clemence aber harrte mit den Übrigen, bis auch die letzten Palmzweige das Grab schmückten. Dann wandte sie sich langsam und jetzt gelang es ihr, sich von dem Strom zu trennen. Während alles danach strebte, aus dem Garten deS Todes hinauszukommen, wandte sie sich gerade entgegengesetzt nach dem entferntesten Teil des Friedhofes, der Ruhestätte Rat BarnerS zu, die von der Witwe des Verstorbenen mit liebender Sorgfalt gepflegt wurde. Clemence hatte das stille Plätzchen gern. Wie ein kleiner Blumengarten lag eS da, und oft weilte sie hier viertelstundcnlang in andächtigem Sinnen. Heute aber ließ eine unerklärliche Unruhe sie nicht rasten. Es drängte sie noch nach einer andern Stätte, dem Bornstedt'schen Erbbegräbnis. Wußte sie doch, daß Mrs. Smith gestern Abend einen ganzen Wäschekorb voller Kränze und Guirlanden nach dem Friedhof geschafft hatte. „Der Geburtstag des alten Herrn würde auf diese Weise gefeiert," hatte die Köchin gesagt, als Clemence danach geforscht, wem zu Ehren man den Blumenschmuck veranstaltete.
Da lagen ja auch die prächtigen Blumengewinde auf dem kreuzgeschmückten gemeinsamen Grabe der Estern Onkel Gerhards. Doch was war das? Erschrocken trat das junge Mädchen von dem eisernen Gitter zurück, das den stillen Platz des Bornstedt'schen Erbbegräbnisses umgab. Was war das? Auf der grün gestrichenen eisernen Gartenbank, die im Hintergrund des umfangreichen Platzes aufgestellt war, saß, die arme in einander verschränkt, Gerhard selbst. Der breitrandige Filzhut, welchen er stets trug, war tief in die Stirn gezogen. Er sah furchtbar bleich aus, und die Augen waren geschlossen. — Allmächtiger Himmel — war er tot? Hatte ihn der Schlag am Grabe der Eltern getroffen? War das freudlose Leben dieses Mannes jäh gewichen, ohne Schmerz, aber auch ohne jede Vorbereitung?
sei und im Magen liegen bleibe, wie viele glauben, ist ein Vorurteil; er ist nur dänn unverdaulich, wenn er ohne Verbindung mit stickstoffhaltigen Nährmitteln in größeren Quantitäten genommen wird. Aber gutes Hausbrot mit Honig bestrichen frommt den Kindern mehr als ganze Schachteln Kinderbisquits, Extrakte und andere Kunstprodukte.
— E'ne neue Gesundheits Pfeife ist dem Drechslerm. Herrn Kohn in Kattowitz geschützt worden. Wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann L Co. in Oppeln erfahren, sind bei derselben zwei Rauchrohre, die sich von unten öffnen lassen, nebeneinander angeordnet. Auf diese Weise kann sich der Speichel mit dem Rauche nicht verbinden und hat dadurch der Raucher stets eine saubere und nicotinfreie Pfeife. Diese neuen Pfeifen erfreuen sich bereits einer recht großen Nachfrage. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)
Vater derBraut: „Sie begehren die Hand meiner Tochter; können Sie denn auch eine Frau ernähren?" Bewerber (zu seiner Braut gewandt): „Emilie, hast Du schon jemals Hunger gelitten, wenn wir zusammen ausgegangen sind?"
Landwirtschaft!. Senrksverein.
Aufkauf von Simmenthalcr Zuchtvieh betr.
Laut Beschluß des GauauHschusses soll in nächster Zeit ein Aufkauf von Simmenthaler Zuchtvieh in der Weise stattfinden, daß derselbe unter Mitwirkung des Zuchtviehinspektors Fecht durch eine gemeinsame Commission des X. Gauverbands (Calw, Nagold, Freudenstadt, Neuenbürg) besorgt wird. Von Seiten der K. Centralstelle ist ein namhafter Beitrag in Aussicht gestellt. Anmeldungen wollen spätestens bis zum 24. ds. bei dem Unterzeichneten oder bei L. Dingler, alt Adlerwirt, gemacht werden, da spätere Anmeldungen nicht mehr berücksichtigt werden können.
Calw, den 16. August 1895.
Vereinesskretär:
Ansel.
Landwirtschaft!. Kenrksverein.
Diejenigen Voreinsmitglieder, welche am landwirtschaftlichen Hauptfest in Cannstatt Zutritt zum inner« Kreis zu erhalten wünschen, werden ersucht, dies spätestens bis V. September d, I. dem Unterzeichneten anzuzeigen, damit die Bestellung der Abzeichen rechtzeitig erfolgen kann. Verspäteten Meldungen könnte keine Folge mehr gegeben werden.
Calw, den 21. August 1895.
Vereinssekretär:
Ansel.
Emen Moment hatte das junge Mädchen, selbst starr wie ein Marmorbild, vor der geöffneten Gilterthür des Erbbegräbnisses gestanden. Dann löste sich ein Laut tödlicher Angst von ihren Lippen, ein leiser SchmerzenSruf, welcher all ihren Empfindungen Ausdruck verlieh.
„Tot. tot! O. mein Gott, er ist tot!" Damit flog sie durch da« eiserne Thürchen, kniete sie nieder vor der bewegungslosen Gestalt und faßte die Hand des ManneS- „Onkel," rief sie dann, „Onkel!" ES war ein Ton der tiefsten, der leidenschaftlichsten Zärtlichkeit, welcher durch dieses eine Wort vibrierte, und er drang bis in das Ohr Gerhards, dem nur der Schlaf die Augen geschlossen. Halb im Traum noch, senkte er den Blick, und als er des Mädchens anfichttg geworden, das im Schmerze zu seinen Füßen niedergesunken war, zuckle ein verklärendes Lächeln um seinen Mund. „Du Liebe — Holde!" flüsterte er. Dann aber kam ibm das Bewußtsein vollends. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Während sich Clemence nun errötend aus ihrer knienden Stellung erhob und einen Schritt von ihm zurücktrat, sagte er mit erzwungener Ruhe: „Ich habe die ganze Nacht eifrig gearbeitet und über meinen Lieblingsstudien den Schlaf vergessen, nun fordert die Natur nachttäglich ihr Recht."
Damit erhob er sich und wollte mit kurzen Abschiedeworten den Platz verlassen. Über Clemence war eS plötzlich mit seltsamer Willenskraft gekommen. An diesem geheiligten Orte, ganz allein mit ihm. mußte sie. wollte sie endlich da» Rätsel ihres Lebens gelöst sehen. So vertrat sie ihm den Weg, und all' ihren Mut zusammennehmend, sagte sie:
„Onkel, Sie dürfen so nicht von hier gehen. Gott selbst hat dieses Zusammentreffen gewollt, Gott selbst hat mich nach dem Friedhof geführt, und eine innere Stimme sagt mir, eS geschah, damit Sie mir endlich die Wahrheit enthüllen. Schütteln Sie nicht den Kopf, ziehen Sie die Stirn nicht in so düstere Fasten! Heute lasse ich nicht ab mit meiner Bitte, mir zu sagen, waS eS um mein arme» Leben ist, das Sie jeden R> zes, jeder flohen Minute berauben, wenn Sie mir noch länger vorenthalten was Ihre Pflicht ist. mir zu sagen."
(Fortsetzung folgt.)