366

Die Ortsbehorden

derjenigen Gemeinden, in welchen am 1. Juli d. I. Hagelschlag stattgefunden hat, werden beauftragt, sofort nach erfolgter Abschätzung den gesamten Schaden hieher anzuzeigen und zwar an Feldfrüchten, Obstbäumen, Gärtnereien, Gemeinde- und Privat­waldungen und an Gebäuden.

Calw, 10. Juli 1895.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 10. Juli. Kammer der Ab­geordneten. Ueber die Behandlung der Gesetzes­vorlage über die Steuergesetze und das Wasser­recht schlägt G r ö b e r - Riedlingen die Wahl einer besonderen Kommission von 15 Mitgliedern vor, welche einen schriftlichen Bericht darüber zu erstatten haben, ob das Abgeordnetenhaus in die Einzelberatnng der Steuergesetze eintreten soll oder nicht. Stockmayer- Marbach wünscht, die Regierung möchte zugleich auch ein Gemeindesteuergesetz einbringen und Probeversuche mit den Steuergesetzcn in verschiedenen Gemeinden vornehmen. Die Erfunde sollen dann dem Hause mitgeteilt werden. D r. Kiene- Ehingen unterstützt den Antrag Gröber. Für das Wasserrecht sei die Wahl einer Kommission nicht nötig, dieses Gesetz pressiere auch nicht. Sachs-Crailsheim desgleichen. Er weist die Aeußerungen des Abgeordneten Stock­mayer, als ob durch das Steuergesetz die Landwirtschaft belastet würde, entschieden zurück. Das laste sich noch gar nicht übersehen. Gröber- Riedlingen begründet seinen Antrag. Durch den schriftlichen Bericht ge­winne man eine Grundlage für eine ersprießliche Generaldebatte. Die Negierung möge dann eine kurze Herbstsession einberufen, in welcher die Generaldebatte über die beiden Vorlagen vorgcnommen und die zurückbleibenden Gegenstände dieser Session erledigt werden können. Haußmann- Balingen ist ebenfalls mit den Vorschlägen einverstanden, da es beinahe unmöglich sein wird, zwei große Kommissionen während des Sommers und nach der langen Session zusammen­zuhalten. Auch dis Bitte, eine Herbstsession einzuberufen, unterstütze er. Er bedaure ebenfalls, daß ein Mit­glied des Hauses der Tagesordnung nicht gefolgt ist und behauptet hat, daß die Landwirtschaft durch die neuen Steuergesetze schwerer belastet werde als die übrigen Stände. Redner glaubt nicht, daß Stock­mayer zu diesem Urteil durch reifliches Studium ge­kommen sei. Doch müsse konstatiert werden, daß von einem Mitglied der freien Vereinigung und einem Freund der Regierung jetzt schon das Landvolk mobil gemacht wurde gegen die Vorlage der Regierung, während ein Mitglied der Deutschen Partei diese Aeußerung zurückgewiesen hat. Wäre das richtig, was der Abgeordnete von Marbach ausgeführt hat, dann würden alle Parteien des Abgeordnetenhauses einmütig zusammenwirken, diese ungleiche Belastung aufzuheben. (Lebhafter Beifall.) Frhr. v. Il­lingen hätte bei beiden Gesetzen eine gleiche Be­handlung gewünscht und beantragt deswegen, daß auch für das Wasserrechtsgesetz eine Kommission sofort gewählt werde. Redner taxiert den Wert für die Generaldebatte nicht so hoch wie die Vorredner. Maurer-Vaihingen unterstützt die Bitte Stockmayers um Vorlage eines Gemeindesteuergesetzes bis zum Herbste. Stockmayer: Was er gesagt, habe er nur angeführt, damit die Regierung den Gegenbeweis erbringe. Haffner-Calw: Die indirekten Steuern dauern nur bis 1. April 1897. Er trete also der Ansicht Gültlingens bei, eine Kommission für die ganze Behandlung der Steuergesetze zu wählen. Spieß- KünzelSau bittet ebenfalls um Probeversuche über die Wirkung der Steuergesetze. Der Antrag Gültlingen über die Behandlung des Wasserrechts wird abgelrhnt. Der Vorschlag des Abg. Gröber über die Behandlung der Steuergesetze wird ange­nommen. Es folgt die Weiterberatung des Gesetz­entwurfs über die Religionsreversalien.

Stuttgart, 11. Juli. (Kammer der Abgeordneten. Schluß.) Präs. Payer wirft einen Rückblick auf die abgelaufene Session. Man darf wohl sagen, daß wir diesen Winter unter recht schwierigen Verhältnissen an die Lösung einer be­deutenden Arbeitsaufgabe herangetreten sind. Es sind gegen 40 Mitglieder neu in das Haus eingetreten, von denen die meisten früher im parlamentarischen Leben noch niemals thätig waren. Alles war damals verändert, alles verschoben, alles neu, und man konnte von den verschiedensten Seiten damals die Befürchtung aussprechen hören, die Signatur dieses neuen Land­tags werde nichts anders sein, als Verwirrung^ Hader und Unfruchtbarkeit. Diese Befürchtungen sind nicht eingetroffen. Schon in den ersten Tagen hat sich herausgestellt, daß ein früher nicht geahntes Zusammen­gehen zwischen den verschiedenen Seiten dieses Hauses und zwischen dem Haus und der Regierung nicht blos

möglich, sondern bereits Wirklichkeit war. Jetzt nach einer fast fünfmonatlichen Tagung dürfen wir wohl mit einer gewissen Genugthuung sagen, daß wir an Fleiß und an Arbeitsleistung den Vergleich mit unfern Vorgängern und mit den Parlamenten anderer Länder nicht zu scheuen haben (Sehr richtig!). In dem Zeitraum von 101 Tagen haben wir 63 Plenar­sitzungen abgehalten, und wir dürfen ehrlich sagen, wir haben die Zeit derselben meistens so voll aus­genützt, daß es uns selbst oft fast zu viel geworden ist (Sehr richtig!). Die Pause, die eingetreten ist, in der Zeit vom März und April, war notwendig, weil die Finanzkommission sich erst mit der Vorberatung des Etats zu befassen hatte. Sie hat nicht weniger als 36 Sitzungen abgehalten, wie auch die übrigen Kommissionen, namentlich die Adrcßkommission mit ihrer grundlegenden Thätigkeit, von sich sagen dürfen, daß sie in der abgelaufenen Zeit einen großen Arbeits­stoff bewältigt haben. Es war für uns in diesem Jahre nicht gerade leicht, das Gleichgewicht des Staatshaushalts herzustellen; es haben sich die un­günstigen Erwerbsverhältnisse in sehr unangenehmer Weise in dieser Richtung bemerklich gemacht, und auch das Schwinden der Nestmittel, die früher so oft aus­gehalten haben, hat uns diese Thätigkeit erschwert. Wir haben 35 Sitzungen fast vollständig der Durch­beratung des Etats gewidmet, und es ist noch in der Erinnerung der Herren, wie viele mit der Erledigung des Etats nicht direkt zusammenhängende, aber doch das Land sehr wesentlich interessierende Fragen in dieser Zeit zur Debatte und Beschlußfassung gelangt sind, wie manche nützliche Anregung aus diesen Ver­handlungen hervorgegangen ist. Was die Regierungs­vorlagen anbelangt, so sind mit Zustimmung des andern Hauses und in Üebereinstimmung mit der K. Slaats- regierung zustandegekommen das Gesetz betr. die Ab­änderung einiger Bestimmungen der auf das Volks­schulwesen bezüglichen Gesetze, das Gesetz betr. das Disziplinarverfahren gegen ev. Geistliche, das Eisen- bahnbaukreditgesctz, das Gesetz betr. die Abänderung des Ausführungsgesetzes zum Gesetz betr. die Unfall­versicherung der in landwirtschaftlichen Betrieben be­schäftigten Personen, das Gesetz betr. die Verlängerung der Befugnis der Notenbank zur Ausgabe von Bank­noten, und das Gesetz betr. die Abstufung der Malz­steuer. Abgelehnt haben wir einen Gesetzentwurf betr. die Bestellung der Ortsvorsteher in größern Stadtgemeinden. Aber auch diese Ablehnung ist nicht erfolgt, ohne daß wir der Regierung die Bahn geebnet haben, die Reform in andere Wege zu leiten. Nicht ohne Schwierigkeit haben wir endlich nahezu wenigstens erledigt das wichtige Gesetz bctr. die Ausübung der landesherrlichen Kirchenregiments­rechte. An eine Kommission verwiesen haben wir, und es war bei dem Umfange dieser Vorlage eine andere Möglichkeit gar nicht vorhanden, die Gesetz­entwürfe betr. die neuen Steuern mit der dazu ge­hörigen Denkschrift. Ganz unbearbeitet ist geblieben und bleibt auch für die nächste Zukunft eine einzige Vorlage, diejenige betr. die Benützung der öffentlichen Gewässer. Diese Materie ist aber so schwierig, daß wir cs recht gut ve> antworten können, wenn wir den Mitgliedern des Hauses noch einige Monate Gelegen­heit geben, sich eingehend mit diesen Fragen zu be­schäftigen, und daneben die Möglichkeit offenhallen, daß auch die Interessenten in dieser so wichtigen An­gelegenheit ihre Meinung zum Ausdruck bringen können. Was die Anfragen und Anträge aus der Mitte des Hauses anbelangt, so haben wir, abgesehen von denjenigen, welche anläßlich der Etatsberatung zum Abschluß gelangt sind, erledigt durch die An­nahme von Anträgen: Die Interpellation betr. die Militärstrafprozeßordnung, den Antrag betr. die Staffeltarife, den Antrag betr. die sogen. Um­sturzvorlage, die Anfrage betr. die Währung des deutschen Reichs und den Antrag betr. die Gewerbe­inspektion. Durch Ablehnung haben wir erledigt den Antrag betr. die Beiziehung der Mobiliar-Feuer-Ver- sicherungsgesellschaflen zu den Beiträgen für das Feuer­löschwesen, und von selbst hat sich durch das Zustande­kommen des Gesetzes betr. das Disziplinarverfahren gegen ev. Geistliche in seiner jetzigen Fassung erledigt, eine Anfrage betr. das Disziplinarverfahren gegen Pfarrer Strudel. Durch Verweisung an eine Kom­mission haben wir vorläufig erledigt einen Antrag auf Revision der Bauordnung. In einer Kommission befindet sich auch noch dem Abschlüsse nahe, der An­trag betr. die Malzsteuersurrogate. Unerledigt mußten wir lassen, wie alle auf Eisenbahnwünsche bezüglichen Anträge und Eingaben, einen Antrag betr. die Ver­längerung der Bahn von Beilftein nach Heilbronn. Wir haben weiter wieder ausgenommen und an eine Kommission verwiesen, den im vorigen Jahre schon bebandelten Antrag betr. den kgl. Befehl v. I. Dez. 1893 und die Ersparnisse des würit. Militärkontingents. Was die Wahlanfechtungen betrifft, so hat die Kom­mission vorläufig ihre Thätigkeit erschöpft. Mit Eifer hat sich auch das Haus der Petitionen ange­

nommen, ausgenommen wieder diejenigen, welche sich» auf Eisenbahnwünsche beziehen. Soweit sie noch nicht:, erledigt sind, sind sie zum Teil wegen ihres besondere Umfangs an eine besondere Kommission vermissen, teils mußten sie an die jetzt gewählte Steuergesetz­gebungskommission überwiesen werden. Wir haben auch noch eine Anzahl häuslicher Angelegenheiten er­ledigt: den Rechenschaftsbericht des ständischen Aus­schusses und die Prüfung der ständischen Rechnungen. Rechnet man dazu noch die Adreßdebatte, welche volle fünf Sitzungen in Anspruch nahm, so werden wir im großen und ganzen emen Ueberblick über unsere Leistungen in den letzten Monaten haben. Hoffen wir, daß unsere Arbeiten zum Wohle des Ganzen ausschlagen mögen. Redner dankt für die ihm zuteil gewordene Unterstützung und schließt mit dem Wunsche, daß sich das Haus im Herbste gesund und arbcits- frisch wieder zusammenfinden möge. Schluß der Sitzung l l'/- Uhr.

Stuttgart, 10. Juli. Die Kammer- fr aktiv nFreie Vereinigung" hat sich new konstituiert und zu ihrem Vorstand die Abgeordneten Frhr. v. Gültlingen und Prälat v. Sandberger gewählt. Die Fraktion besteht aus den Abg. der Ritterschaft, den Prälaten und den Abgeordneten Hege, Frhrn. v. Mittnacht, Grimm und Stockmayer- Sie zählt 20 Mitglieder.

Cagesneuitzkeiien.

2 . Calw. Nach den gemachten Wahrnehmungen haben dis Obstbäumeim Bezirk durch die Fro st - spanner raupen und die Junikäfer stark ge­litten. Bei diesen oft völlig eutblätterten Bäumen ist die Gefahr des Eingehens sehr groß, wenn dieselben nicht sofort mit Gülle und Holzasche gedüngt werden, damit sie rasch neue Blatter erhallen.

Nagold, 9. Juli. Gestern abend 7 Uhr wurde die hiesige Einwohnerschaft durch Feuerlärnr erschreckt. Es brannte der Dachstuhl des Stadtschult- heiß Brodbeck'schen Wohnhauses; derselbe brannte vollständig aus, doch wurde das Feuer dank des energischen Eingreifens der hiesigen Feuerwehr, welche- von einer Abterlung Seminaristen thatkräftig unter­stützt wurde, nach einstündiger Löscharbeit bewältigt- Das Gebäude hat durch das Wasser ziemlich gelitten. Ueber die Entstehungsursache ist noch nichts bekannt- Nottweil, 9. Juli. Zwischen dem Männer- bade im Neckar und der stemernen Schömberger Brücke ertrank der im Dienste des Geheimen Kommerzienrats . Duttenhofer stehende ledige Fischer Joseph Antorr Ruof von hier, welcher den Neckar mit einem Nachen befuhr und seine Netze ausspannte. Auf welche Weise Ruof verunglückte, ist schwer zu ermitteln, da er allein ' war und den Vorfall niemand beobachtete. Sein- Leichnam wurde, neben dem Nachen liegend, an einer tiefen Stelle des Flusses gefunden.

Gönningen, 8. Juli. Ein tragikomischer Zwischenfall knüpfte sich an den Bezirkskriegertag. Ein Rcutlinger besuchte mit seinem 5jährigen Sohne das Fest und lhat des Guten etwas zu viel. Er fuhr in einer Kutsche nach Hause, jedoch ohne an sein Kind zu denken. Der Knabe schlägt allein auf's Gerathewohl den Heimweg an, verirrt unterwegs und bleibt in einer Hütte über Nacht. Am Morgen fan­den ihn Arbeiter beinahe erstarrt und brachten ihn nach Ohmenhausen, wo er erfrischt wurde und dem Hergang erzählte. Durch den Postboten wurde er seinem vergeßlichen Herrn Vater wieder zugesührt.

StockhoIm, 10. Juli. Gestern mittag 12 Uhr begab sich der deutsch eKaiser nach Drotningholrn, um der Königin von Schweden seine Glückwünsche zu ihrem Geburtstage darzubringen.

Standesamt Kakrv.

Geborene:

6. Juli. Elise Amalie Pauline, Tochter des Karl-

Ade, Kassiers in Stuttgart.

7. . Ernst Will)., Sohn des Wilhelm Andreata,

Strickers hier.

7. Olga Julie Johanna, Tochter des Theodor^

Voeltcr, Oberanitmanns hier.

10. Gottfried Robert, Sohn des Ludwig Ehmer,.

Hausierhändlers von Unterdeufstetten. Gestorbene:

7. Juli. Hedwig Sofie Pauline Scheuerle. 7 Wachem- alt, Tochter des Rud. Scheuerte, Metz- gcrmeisters hier.

11. Martin Fuchs, Steinbrecher hier 56 I. a..

Gottesdienste

am 5. Sonntag »ach Trinitatis, 14. Juli.

Pom Turm: 67. Predigtlied: 368.

9 Uhr Vorm.-Pred.: Hr. Stadtpsarrer Schmitm (Luc. 5. 111). 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern.

2 Uhr Bibelsiunde im Vcrcinshous: Hr. Stadtpsarrer Schmid. Das Opfer vom Vormittag ist für den- Kiichcnbau in Altenstädt bei Geislingen bestimmt. Mittwoch, den 17. Juli.

7 Uhr: Betstunde im VercinShaus.