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andern Punkten werde er zustimmen. Durch die Annahme eines Schlußantrags kommt eine Anzahl von Rednern und auch der Berichterstatter nicht mehr zum Wort. Antrag a und e wird angenommen, An­trag d wird abgelchnt. Es folgt die Beratung des Antrags der Fmanzkommission: die Eingabe des württ. Geometervereins v. 21. April 1895 mit Vor­schlägen zu einer entsprechenden Regelung des Ver- messungs- und Kulturtechnischen Dienstes bei der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, Abteilung für Feldbereinigung, der K. Staatsregierung zur Kenntnis­nahme mitzuteilcn. Berichterstatter Sachs begründet den Antrag. Frhr. v. Ow teilt mit, daß die Zentral­stelle für Landwirtschaft die Eingabe nicht erhalten hat. Er trete dem Antrag der Finanzkommission deshalb nicht entgegen. Der Antrag wird angenom­men. Als nächster Punkt steht auf der Tagesordnung die Eingabe des Stuttgarter Bürgervcreins der untern Stadt v. 10. April 1895 wegen Beseitigung oder Umbau des dermaligen Hauptgebäudes der K. Tier­ärztlichen Hochschule. Die Finanzkommission beantragt, die Eingabe der K. Staatsregierung zur Kenntnis­nahme zu überweisen. Berichterstatter Hartranft- Böblingen führt aus, wegen einer unscheinbaren Faxade könne man kein neues Haus bauen. Was in sanitärer und baupolizeilicher Beziehung nötig sei, werde stets gethan werden. Ter Antrag der Kommissien wird genehmigt. Schluß der Sitzung 12'.'« Uhr. Nächste Sitzung Montag nachmittag 3 Uhr. Tagesordnung: Notenbank, Disziplinarverfahren gegen ev. Geistliche, Religionsreversalien.

B er lin, 8. Juli. KaiserWilhelm, der König, der Kronprinz und die Kronprinzes­sin von Schweden begaben sich gestern früh von Stockholm nach Gripsholm. Der Kaiser stellte den Prinzen Eugen von Schweden L la suite des Dra­gonerregiments Nr. 8.

Tagesneuigkeiten.

H Liebenzell, 6. Juli. Heute nachmittag wurde unter allgemeiner Teilnahme unser verdienter und geschätzter Ortsvorsteher, Stadtschultheiß Schneider, zu Grabe gebracht, nachdem er am Donnerstag den 4. Juli früh 3 Uhr seinen lang­langwierigen und zuletzt noch recht schweren Leidens­kampf ausgekämpst hat und eines sanften Todes entschlafen ist. Nicht ganz 31 Jahre hat er erreicht; nur 6 Jahre lang hat er sein mühevolles Amt unter uns ausgrrichtet, aber mit einer Hingebung und Treue, Umsicht und Thatkraft, die alle Anerkennung verdient. Durch seine Geschäflsgewandthcit und den unver­drossenen Fleiß den er bethätigte neben einem reichen Maß von Wohlwollen gegen jedermann und neben einem klaren Einblick in dasjenige, was das Wohl der Gemeinde erfordert, hat er sich den Tank und die Achtung der hiesigen Einwohnerschaft in hohem

Maß erworben; die Trauer um ihn ist deswegen auch eine überaus schmerzliche und wird nur durch dr« Erwägung in etwas gemildert, daß längeres Leben für ihn selbst nur eine Verlängerung seines Leidens gewesen wäre. Ein unheilbares Kehlkopfleidcn zehrte seit einem Jahr an seiner Lebenskraft. Mit äußerster Anstrengung seiner hinschwindenden Kraft hat er noch bis in die letzten Wochen seines Amts gewartet, bis er endlich völlig erschöpft und zum Tode matt, sich noch einem Stellvertreter umschaucn mußte. Er hinter- lößt eine Witwe mit einem Kind. Seine Tüchtigkeit und Treue im Amt sowohl als auch die Liebens­würdigkeit und Lauterkeit seines Charakters sichern ihm ein dankbares Andenken in unserer Gemeinde und bei allen, die ihn kannten. Beim Begräbnis wurden unter kurzen Nachrufen, die von der herzlichen Trauer um den Entschlafenen Zeugnis ablegten, Kränze niedergclcgt von Gcmeinderat Schönten namens der bürgerlichen Collegien, von Lammwirt Wohl leb er namens der Feuerwehr, von Schul­lehrer Brodbeck namens des hiesigen Liederkranzes, von Verwaltungs- Aktuar Staudenmeyer aus Calw namens des Vereins von Korporationsbeamten des Bezirks. Zwei hiesige Vereine, Feuerwehr und Lieder­kranz, senkten noch ihre umflorten Fahnen über dem Grab, ehe die zahlreiche Trauerversammlung ausein­ander ging. Unwillkürlich taucht in der Erinnerung des Berichterstatters die freudige Bewegung auf, die vor 6 Jahren, als Stadtschultheiß Schneider hier von Welzheim her seinen Einzug hielt, durch die hiesige Gemeinde ging. Heute ist es ein schmerzliches Gefühl des Leids und ein Ton der Klage, der die ganze Gemeinde erfüllt: wir haben nach Gottes unerforsch- lichem Ratschluß einen guten Mann und einen würdgen und tüchtigen Ortsvorsteher wieder verloren!

Laufen a. N., 3. Juli. Heute fand man hier eine schon lange im Master liegende Leiche eines 10- bis 12-jährigen Mädchens beim unteren Wasen. Vielleicht ist es eine Leiche aus dem Eyachthale, das Gesicht ist unkenntlich, im Mund fehlt oben rechts ein Zahn. Die Tode trägt ein Baumwollflanellhemd, Strümpfe und gute Schnürstiefelchen, sonst hat die Tote keine Kleider mehr.

Ter Brand in Eslarn, boyer. Bezirks- Amts Vohensirauß, welcher nahezu Dreifünftcl des Ortes in einen Schutthaufen verwandelte, ist durch Kinder verursacht worden. Das Feuer brach mittags kurz vor 1 Uhr auf dem Dachboden im Hause eines Kleingütlers aus, wo drei Kinder mit Zündhölzern spielten. Das Feuer griff schnell um sich, durch den Wind wurden die Flammen und Feuerfunken über die Schindeldächer des Marktes hinweggefcgt. Es ist ein Glück, daß nur ein Menschenleben durch den Brand ernstlich gefährdet wurde. Eine alte Frau erlitt in ihrem brennenden Hause schwere Brandwunden. 1500 Personen sind aber obdachlos geworden. Die

meisten sind nur gering oder gar nicht versichert. Ein- Hilfskomite ist bereits gebildet.

Berlin, 6. Juli. DerNat. Ztg»" wird aus Münster in Westfalen berichtet, daß eine dieser Tage in der bei Amelsbüren gelegenen großen Alexianer- Jrrenanstalt vorgenommene gründliche Revision ein anscheinend wenig erfreuliches Ergebnis geliefert hat, da dem Vernehmen nach eine vollständige Reform der Anstalt unter Uebernahme durch die Landes- Verwaltung für notwendig erachtet wird. Letztere läßt auf ihre Kosten und Verantwortung in der An­stalt schon seit Jahren circa 160 Kranke verpflegen.

Genf, 6. Juli. 8 Uhr Abends. Das Grant» Hotel Metropole steht in vollen Flammen.

Rom, 6. Juli. Gestern öffneten sich zwei neue Krater des Vesuvs. Große Lavamassen strömen aus.

Paris, 8. Juli. Die AutoritS fordert den Prinzen Viktor von Orleans auf, dem französischen Volk Mittel und Wege vorzuzeichnen um das Kaiser­reich wieder herzustellen. Es sei absolut notwendig;, daß das französische Volk wisse, an wen es sich ver­trauensvoll wenden kann, falls infolge der Schwach­heit Korruption des republikanischen Regiments dia soziale oder nationale Gefahr über Frankreich herein- breche. Die Negierung beschloß, sofort den Dampfer Guyana abzusenden, zur Beschützung der französischem Ansiedler auf dem bestrittenen Gebiet. Gleichzeitig erhielt der nach Guyana abgehende neue Gouverneur Dclamotte vom Kolonialminister die Instruktion, die französischen Interessen energisch zu verteidigen.

London, 6. Juli. Im Manchester-Schiff­kanal kollidierte der Passagierdampfer Stanley Force aus Whitehaven mit einem Dampfbagger. Ersterer sank sofort. Der Kapitän und 5 Mann Besatzung ertranken.

Reklameteil.

?erl-8«ifs wurde im Januar d. I. vom Herrn I)r. Karl Hoffmann, gerichtlich vereidigter chemischer Sachverständiger in Leipzig, in einer vom ihm selbst gewählten Verkaufsstelle gekauft und auf unsere Veranlassung chemisch untersucht. Die Analyse weist den außerordentlich hohen Satz von 80,82 Procent: Gesamtfett auf. Der Befund lautet:Wie aus der Analyse ersichtlich ist, ist Perl-Seife eine von Füll­stoffen völlig freie Seife, die weder unverseiftes Fett, noch ätzende, also die Haut angreifende Substanzen enthält. Da sie ferner angenehm parfümiert ist, entspricht sie allen an eine gute Toiletteseife zw stellenden Anforderungen*. Gestützt auf diese Be­urteilung empfehlen wir k'erl-Lsiks angelegentlichst: allen Müttern, Hausfrauen und Damen zur ständigem Benutzung. Erhältlich in Calw bei Wielanl» L Pfleiderer (Federhaff'sche Apotheke), I. C, Maher's Nachf., Louis Beiflcr am Markts A. Schaufler» und Kaltenmark in Gechingen^

gewordenen Eicher möbeln paßte ater die schlichte Erscheinung der Tochter vom Hause sowie jene andere einer kleinen alten Dame, welche eben damit beschäftigt war. den Tisch für taS Mittagessen zu decken. Bei dem Eintritt des seingeklcideten Herrn trat sie erschrocken einen Schritt zurück und wollte sich schleunigst erlfernen. Her­mine oder war mit wenigen Schritten an ihrer Seite und hielt sie energisch an den Fallen de« verwaschenen Kaltunkleides.

Nicht doch, Tante Betty! Ter Herr hier darf Dich in keiner Weise genieren. Es ist ja unser lang erwarteter Gast »Doktor Guido Schmieden', für den Du so vorsorglich im Giebel das Fremdevstübchen bereitet."

.Doktor Guido Schmieden!"

Die Greisin setzte nur noch mit zitternden Händen ein Brett mit Wcssergläs.rn auf den Tisch. Tarn mochte sie dem Dollar emen altfränkischen Krux und sagte mit einer Stimme, welcher man die stiudige Bewegung anhörte:

Seien Sie auch mir herzlich willkommen, junger Herr! Hab' Ihren Vater gar gm gikavrt," fuhr sie dann fort, während die ollen Augen staunend an GmdoS Gesicht hingen. .Zu jener Zeit, als er noch ein junger lebensfroher Mensch war. Und dos darf ich Ihnen versichern, ähnlich sehen Sie dem Herrn Papa wie ein Er dem andern. Ader dos alles kann ich Ihnen ja auch später berichten," unter- drach sich Tante Betty hier. .Jetzt gilt es vorerst, meinen Bruder von Ihrem Kommen zu benachrichtigen und dann Aber wo haben Sie denn Jbr Gepäck, Herr Doktor s Wir wollen dasselbe gleich an Ort und Stelle bringen lassen, damit Sie sich so schnell als möglich heimisch unter unserem Dache fühlen."

Aber, Verehrtest?," erwiderte Guido, .Sie weiden mir doch nickt zutrauen, daß ich gleich mit Sack und Pack bei Ihnen vorsahre! Meine Reiseeffekten liegen in dem Hotel, in welchem ich heute morgen abgestiegen."

Die Alte schlug in ihrer lebhaften Weise, die so seltsam zu dem automalen- haftrn Wesen dir Nichte kontrastierte, die Hände zusammen.Der Sohn Fritz Schmiedens steigt im Gasthause ad, wenn er kommt, uns zu besuchen!" rief sie außer sich. Dann aber faßte sie sich schnell.In Wolters Hotel, nicht war?" fuhr sie fort und sagte, als Guido zust mmend den Kopf neigte, indem sie nach dem

Ausgang tr ppclte:Da soll der Johann aber sofort anspannen, um die Sachen zu holen. Das wäre mir was der Sohn Fritz Schmiedens im Hotel wohnen!"

Die Thür war hinter dem flinken Persönchen in das Schloß gefallen. Die beiden jurgcn Leute befanden sich nun in dem wenig komfortablen Raum allein^ Einige Sekunden nur verharrten sie schweigend, dann deutete Hermine auf einen Stuhl am Fenster, uns sich demselben gegenübersetzend sagte sie:

Nehmen Sie Platz, mein Herr. Es werden immerhin ein paar Minuten vergehen, ehe der Vater den Tante Betty rufen wird sich zeigen kann."

Kaum hotte Guido der Einladung des Mädchens Folge geleistet, als Her» minenS Rechte auch schon in die Tesche des entstellenden grauen Leinwandkleide» gr ff. Em gewaltiges Strickzeug taffen Nadeln schon vorber bemerkbar geworden, kam vollends zum Vorschein, und bald flogen die dicken Wollenmaschen von einer auf die andere.

Die Augen des Dollars ruhte» indessen indigniert auf der unschönen Arbeit, Er erinnerte sich nicht, je einen so groben Strickstruirpf gesehen zu haben und be­dauerte innerlich den Fuß, für welchen Hcrmine die harte, selbstgesponnene Wolle verarbeitete. So verging wieder eine kurze Spanne Zeit. Nur das Klappern der Nadeln wurde hörbar. Dann öffnete sch hastig die Thür, welche in die anderen Gemächer des Hauses führte, und ein alter Herr stürmte in daS Zimmer. Er machte, trotz des vorsüntflullichcn Bratenrocks, in den er sich eilends geworfen, den an» svrechentsten Eindruck. Seine fein geschnittenen Züge zeigten eine unverkennbare Ähnlichkeit mit denen Tonte Bettys, während die Gestalt des bereits weißhaarigen MarneS groß und breitschullig wie die Herminens war. Schon von weitem streckte der Alte dem Gaste beide Hände entgegen.

Grüß Gott, mein Junge!" rief er. Gleich darauf aber fühlte Guido zwei kräftige Arme seine Schultern umschlingen und seinen Mund von bärtigen Lippen geküßt. .Hast mich lai ge auf Deinen Besuch warten lasten," setzte der Greis dann hinzu, ohne sich voizustellen etwas derartiges schien nicht Mode auf dem Rosen» Hofe.Und fast konnte ich mir's nicht erklären, warum Du nicht kamst.

(Fortsetzung folgt.)