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Wetter sehr günstig ist. Besonders erholen sich die Ob st bäume, welche in den letzten Jahren sehr an Trockenheit zu leiden hatten und daher nicht genügend ernährt wurden, bei der feuchtwarmen Witterung zu­sehends. Die Fruchtfelder stehen sehr schön und lasten einen reichen Ertrag hoffen.

Calw, ll. Juni. In der gestern Abend stattgehabten Turnversammlung wurde das Reichert'sche Preisturnen auf Sonntag 33.

Juni festgesetzt.

Calw, 12. Juni. (Viehmarkt.) Zufuhr auf den heutigen Markt 350 Stück Rindvieh. Fette Waare stand hoch im Preise und war daher weniger begehrt. Mehr lebhaft zeigte sich der Handel in Milchvieh. Auf den Schweinemarkt waren zugebracht:

36 Körbe Milchschmeine und 82 Läufer; elftere lösten 2230 Mk. pro Paar, für Läufer wurden niedere Preise angeboten.

* In Gechingen hat Hr. Schultheiß Ziegler infolge anhaltender Krankheit sein Amt, das er viele Jahre lang verwaltet hat, vor einigen Wochen nieder­gelegt. Bei der gestern stattgefundenen Wahl eines Ortsoorstehers erhielt Verwaltungsaktuar Ladner in Gechingen die meisten Stimmen. Der Mitbewerber,

Fabrikant Hubler, erhielt 36 Stimmen weniger,

Ladner ist somit als gewählt zu betrachten.

G Die Strafkammer zu Tübingen hat den Gemeindepfleger W. von Salmbach am letzten Freitag wegen Unterschlagung und Untreue (teilweise im Amt) zu 3 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehr­verlust verurteilt. 2 Monate Untersuchungshaft kommen in Abzug. Der Schultheiß von Unterniebels« bach OA. Neuenbürg wurde am Samstag gefängl. nach Tübingen abzeliefert, derselbe hat sich wegen Unterschlagung zu verantworten.

(Zum Liederhalle-Boykott.) In einer Aus­schußsitzung des Liederkranzes machte gestern der Vor­stand Oberpostmeister a. D. Steidle den Vorschlag, die Liederhalle zu keinerlei politischen Versammlungen mehr abzugeben. Der Vorschlag wurde jedoch mit erdrückender Mehrheit obgelehnt. 143 neu angemeldete Mitglieder wurden ausgenommen.

Der Kommandant der Stuttgarter Berufs­feuerwache Iacoby ist mit seiner Familie vom Juden­tum zum evangelischen Christentum übergetreten. Als Taufpaten für dis jüngeren Kinder fungierten die Gemeindcräte Stähle und Lutz.

Untertürkheim, 7. Juni. Das furchtbare Unglück im Eyachthal hat indirekt auch hier ein Un­glück verursacht. Es treiben nämlich seit dem Wolken­bruch in Balingen mancherlei Gegenstände und Tiere den mächtig angeschwollenen Neckar herunter. Diesen Nachmittag nun wollte das 7jährige Töchterchen des Steinbrechers Karl Häfner mit einem älteren Bruder etwas von dem herabschwimmenden Holz länden, be­führst Du mich?" sagte er. Dann erkannte er mich. »Ah, Herr R-gierungsrat! Sie hier? Und jener Herr dort richtig das ist ja mein Und kannter. das ist ja der würdige Greis, der mich seit etwa acht Tagen mit den Augen zu ver­schlingen versucht! Es ist mir wirklich außerordentlich angenehm, endlich zu erfahren, welchem Umstande ich eine so hervorragenve Beachtung verdanke! ?

Fragend sah er von Hulda zu mir.

Ich fühlte mich nicht befugt, die verlangte Aufklärung zu geben. Hulda hatte wohl ihre Kraft überschätzt; in diesem Augenblick, da sie dem früheren Ge­liebten geqenüberstand und die Verwüstungen gewahrte, welche die Zeit in seinen ehemals so schönen Zügen angerichtet hatte, verließ sie die Fassung. Freilich: er und sie, welch ein Unterschied jetzt! Auf Huldas Zügen lag noch immer rin Schimmer von Jugend; sitzt, in der Umrahmung des schwarzen Sp tzentuches mit der dunkel­roten Rose links an der Seite erschien ihr Gesicht, bleich wie eS war, anmutig und liebreizend. Und dagegen er Konrad Gruber! W:e ein alter C>rkusstallmeister in Civü! Wie ein ausgrputzter Leierkastenmann, der die Spuren eines wüsten Lebens in jeder Falle, jeder Runzel trägt!

Eine kleine Wecke herrschte peinliche Stille.

Endlich erlangte Hulda ihre Selbstbeherrschung zurück. »Dieser Mann, lieber Siegfried/ sagte sie mit eindringlicher Deutlichkeit in Stimme und Betonung, »dieser Mann hat ausreichende Ursache, sich für Dich lebhaft zu interessieren. Er ist Dein Vater, der Dich vor wenigen Tagen zum ersten Riale gesehen hat."

Siegfkird heftete feine Augen finster aus den Urheber seines Daseins, für den er nichts fühlte als die allerentschiedenste Antipathie.

»ES ist nicht möglich," murmelte er.

»Dein Zweifel ist natürlich," nahm Hulda wieder das Wort. »Und doch versichere ich Dir: vor einem Vierteljahrhundert etwa sah Konrad Gruber beinah« genau so aus wie Du jetzt. Dies weiß ich am allerbesten. Denn ich"

Nun steckte sie doch; das demütigende Geständnis wollte nicht über ihre Lippen.

Ader Siegsried Halle erraten, was sie schamhaft verbarg; wie ein Blitz war

Ebingen, 12. Juni. Gestern Nachmittag- zwischen '/-26 Uhr brannte hier die Mühle des Stadtmüllers Keppler, sowie zwei andere Mühlen vollständig nieder. Der elftere ist ver­sichert. Ob das Feuer durch einen Blitzschlag ent--- standen ist, oder auf andere Weise, ist noch nicht auf­geklärt. Um ein Uhr Nachmittags ging ein furcht-- barer Wolkenbruch hier nieder, so daß. die Marktstraße einem Strome glich. Die Buden der Marktbesucher waren in großer Gefahr, da das Wasser bereits viele Kisten und einen leeren Stand mit sortgeschwemmt hatte.

Aus dem Bezirk Riedlingen, 9. Juni. Auch unser Bezirk hat schwere Gewitter, mitunter verbunden mit Hagel und Wolkenbrüchen erfahren > müssen. In Hailtingen richtete das furchtbar schnell angestaute Wasser große Beschädigungen an,: Behausungen, Straßen und Feldern an. Ein Hau sier- wagen wurde plötzlich von den Fluten fortge­rissen, der Vater wollte sein vierjähriges Töchter-' chen retten, wurde fortgerissen, das Mädchen entkam seinen Armen und wurde anderen Tages mit Schlamin, bedeckt aufgefunden. Eine 17jährige Tochter, welche die Mutter retten wollte, wurde desgleichen vom Wasser fortgerissen und ist bis heute noch nicht auf-- gefunden worden. JnUttenweiler wütete das^ Gewitter und der Wolkenbruch volle vier Stunden. Ein Haus wurde ganz demoliert, drei weitere starf beschädigt. Sehr großen Schaden erlitt Braumeister^ Sauter, dem mehrere hundert Naumeter Holz fort­geschwemmt, gegen 200 Zentner Malz auf den Malz­böden verdorben wurden und dessen herrlicher Gartew radikal verwüstet wurde. Andere Hausbesitzer haben. eincn Schaden bis zu 3000 ^ zu beklagen.

Thieringen, 12. Juni. Gestern starb das- 3. Opfer, welches dem hier vorgekommenen Vergiftungs­fall zufiel. Auch hier war große Wassernot und - der Schaden den dieses anrichtete, wurde vom Ge­meinderat auf 50 000 Mk. taxirt.

Friedrichsruh, 10. Juni. Gestern Nach­mittag brachte der Ausschuß des Bundes der Landwirte- dem Fürsten Bismarck eine Huldigung dar. Es waren circa 130 Personen anwesend. Der Präsident des Bundes, Herr v. Plötz, hielt eine zündende Rede an den Fürsten, welcher in längerer Rede antwortete und etwa folgendes ausführte: An den eingegangenen - Handelsverträgen könne in ehrlicher Weise, solange dieselben gelten, nichts geändert werden, obwohl es damals geradezu demütigend für das Parlament war,- daß es in wenigen Wochen Fragen von großer Trag­weite für die Landwirtschaft durchpeitschte, ohne sie näher prüfen zu können. Wäre er damals im Reichstage erschienen und hätte frei von der Leber weg geredet, so würde man doch gleichwohl die Ab­geordneten Richter und Bebel für bessere Menschen wie ihn angesehen haben. (Stürmische Heiterkeit.)- Er könne seinen conservativen Fractionsgenossen jetzt

eS vor ihm niedergefahren und hatte das Dunkel erhellt, welches über seiner Ver-- gangenheit lagerte. Weck öffneten sich seine Augen, als ob er in einen enls tzlichen Abgrund blickte, der sich klaffend vor ihm aufthat. Dann stahl sich langsam sein Blick zu seiner Mutter hin. die mit gesenktem Haupte, zurückgehaltenen AtemS wartete und lauschte.

O, er konnte nicht widerstehen! Ungestüm regte sich das Herz in ihm, und die Dankbarkeit strömte empor und daS Mitleid, und was nicht alles, das nun mit - einem Male lebendig wurde und Gewalt über ihn bekam ...

Es war geschehen, ich weiß nicht wie. Siegfrieds Arme hielten die Glückliche umschlungen.

.O Du beste aller Mütter!"

Weiter sagte er nichts. Was hätte er auch in diesem Augenblick noch hinzu- zusügen nötig gehabt?

Nun brachte sich auch Konrad G:uber in Erinnerung. Er war gar klcinlaut- geworden, der kühne Verschwörer, dem die W-ffe aus der Hand geschlagen war.

Als er aber mit kleinen, zögernden Schritten sich dem Paare näherte, daS seine Anwesenheck verg ssen zu haben schien, merkte ich an seiner Haltung, daß doch wohl in seiner Seele eine Saite berührt sein mochte, die ich noch nicht hatte klingen hören. -

»Ich habe Euch nicht gesucht. Gott weiß es!" sagte er, und es war ein leichtes Zittern in seiner Stimme. .Und Ihr seid zu mir gekommen, nur um mir zu de- - weisen, daß zwischen mir und Euch keine Brücke zu schlagen ist. Es ist auch besser so. Ich hätte aus Deutschland fern bleiben sollen. D üben konnte ich den Kopf" noch hoch halten; wenn ich wieder hinkomme, werde ich's nicht mehr fertig bringen. ES ist auch einerlei. Nur einen Wunsch habe ich, junger Herr. Er mag Ihnen - wunderlich erscheinen; aber ich kann mir nicht Helsen, ich muß ihn aussprechen. Nur ein einziges Mal nennen Sie mich Vater; ich möchte gar zu gern hören, wie daS - klingt . . ."

Demütig stand der weißhaarige Mann aus dem Volke vor seinem hochgeborenen »

Sohn.

(Fortsetzung folgt.)

kam dabei das Uebergewicht und stürzte in die Flut. Der 8jährige Bruder wollte die Schwester retten und geriet auch in Lebensgefahr, aus welcher ihn ein herbeieilender Mann rettete. Das Mädchen ist er­trunken und wurde bis jetzt nicht gefunden.

" T Baihingen a. E. Die bürgerlichen Kolle­gien haben die Abschaffung des Schulgeldes an den hies. Volksschulen einstimmig beschlossen.

Frommer», 9. Juni. Am Samstag vor­mittag und nachmittag wurden die Opfer der Kata­strophe unter ungeheurem Zudrang von Leidtragenden aus der Nachbarschaft beerdigt. Zuerst eine hoch­betagte Greisin und eine ledige Frauensperson; um 1 Uhr folgten das Leichenbegängnis der Familie Zimmermann, Vater, Mutter, 16jähr. und 3'/,jähr. Sohn. Die vier Särge wurden in die Kirche ge­tragen, wo der Geistliche die ergreifende Leichenpredigt hielt. Kein Auge blieb trocken. Hierauf wurden weitere drei Särge heraufgetragen; sie enthielten den Vater der eben beerdigten Frau Zimmermann, sowie deren beide Schwiegersöhne, Väter mehrerer Un­mündigen. Diese beiden Schwiegersöhne waren beim Rettungswerk im schwiegerelterlichen Hause ums Leben gekommen. Da das ganze untere Dorf für verloren gilt, weiß man noch nicht, was geschehen soll, zumal die Leute wenig Lust haben, sich wieder am Fluß anzusiedeln. Aus den zerstörten Häusern, in denen der Schlamm noch tief steckt, und die noch teilweise Tierleichen bergen, wiewohl dieselben fortwährend ge­sucht und entfernt werden, dringt ein für den Ge­sundheitszustand besorgniserregender Geruch. Pfarrer und Ortsvorsteher kamen drei Tage nicht aus den Kleidern, standen oft bis an die Brust im Wasser und mußten mehrere Häuser, denen sie Hilfe bringen wollten, vor ihren Augen von den Fluten dahinreißen sehen.

Dürrwangsn, 12. Juni. Gestern Mittag ist hier die Leiche eines 14jährigen Mädchens, Tochter der ebenfalls bei der Hochwafferkatastrophe ertrunkenen Anna Stotz von Laufen aufgefunden worden. Nun fehlen immer noch 4 von den in Laufen Verunglückten.

Ebingen, 10. Juni. Am Samstag nach­mittag wurden in Laufen die 11 bis jetzt aufgefundenen Leichen beerdigt. Dieselben waren in einer kleinen Hütte untergebracht. Die jammernden Frauen ver­langten, daß man vor der Beerdigung die verhüllten Leichen aufvecken und sehen lassen solle. Als man ihrem Drängen nachgab und die Tücher zurückschlug, schrie alles laut auf, denn die Gesichter der Toten waren gräßlich verzerrt. Nur zwei Mädchen schienen zu schlafen. Einige wollten, daß man den Angehörigen die Leichen ausliefern sollte, was jedoch verwehrt wurde. Mehrere Frauen machten hierauf Miene, die Leichen wegräumen zu wollen, worauf die Hütte ge­räumt und durch einen Wachposten der Zutritt zu derselben verhindert wurde.